Metzler: Die Deflationsangst ist zurück

Die Erwartungen an die Europäische Zentralbank, das laufende Wertpapierkaufprogramm zu erweitern, stiegen in den vergangenen Wochen. Eigentlich bestehe jedoch kein Handlungsbedarf für die EZB, meint Edgar Walk, Chefvolkswirt Metzler Asset Management.

02.10.2015 | 14:55 Uhr

Unter EZB-Präsident Draghi scheint sich der Charakter der Geldpolitik in der Eurozone verändert zu haben. Orientierte sich die EZB unter ihrem damaligen Präsidenten Trichet noch eher am Vorbild der Bundesbank, so folgt Draghi anscheinend der US-Notenbank. Die US-Geldpolitik ist traditionell sehr aktivistisch und hat einen starken Fokus auf die Finanzmärkte. Es passt daher ins Bild, dass EZB-Draghi als eine Reaktion auf die Finanzmarktturbulenzen in den vergangenen Wochen die Erwartungen der Finanzmarktteilnehmer schürte, dass die EZB bald das derzeit laufende Wertpapierkaufprogramm erweitern könnte. Nach dem Rückgang der Inflation im September auf -0,1 % stiegen die Erwartungen sogar noch, dass der monetäre Stimulus ausgeweitet wird. 

Eine Geldpolitik der ruhigen Hand würde anerkennen, dass sich die Wirtschaft in der Eurozone in einem soliden Aufschwung befindet, dass sich die Kreditvergabe normalisiert und dass die Kerninflation steigt. Es besteht eigentlich kein Handlungsbedarf. Zumal sich der Trend des Lohnwachstums von etwa 1,0 % vor einem Jahr auf 1,7 % im zweiten Quartal beschleunigt hat. Der Aufschwung in der Eurozone steht dabei auf den Säulen steigender Konsumausgaben und eines dynamisch wachsenden Dienstleistungssektors, wie der Einkaufsmanagerindex (Montag) für den Dienstleistungssektor zeigen dürfte. Darüber hinaus dürften die deutschen Auftragseingänge (Dienstag), die deutsche Industrieproduktion (Mittwoch) sowie die französische und italienische Industrieproduktion (Freitag) zeigen, dass auch die europäische Industrie trotz der Wachstumsschwäche in den Schwellenländern ein moderat wächst. Der Aufschwung in Europa, der schwache Euro-Wechselkurs sowie eine solide Nachfrage aus den USA sind die Gründe dafür. 

In Großbritannien beschleunigte sich der Trend des Lohnwachstums von 0,9 % im September 2014 auf zuletzt 2,1 %. Eigentlich ein guter Grund den Leitzins anzuheben, um den monetären Stimulus etwas zu reduzieren. Die Bank von England (Donnerstag) scheint jedoch eine abzuwarten, da sie einerseits keinesfalls vor der Fed den Leitzins erhöhen möchte und andererseits große Ängste vor negativen Ansteckungseffekten der Wachstumsschwäche der Schwellenländer hat. 

Darüber hinaus sind auch die Erwartungen an die Bank von Japan (Mittwoch) zuletzt wieder deutlich gestiegen, das Wertpapierkaufprogramm von derzeit etwa 50 Mrd. EUR pro Monat zu erweitern. So hat sich die Wachstumsdynamik in den Sommermonaten abgeschwächt und die Inflation ist ölpreisbedingt auf nur noch 0,2 % gefallen. Derzeit wird vor diesem Hintergrund ein zentralbankfinanziertes staatliches Konjunkturprogramm diskutiert. Vielleicht gibt es von BoJ-Präsident Kuroda erste Hinweise auf einen neuen fiskalischen Stimulus. 

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