ETF Securities: Öl - Erneute Überschüsse

Die OECD-Rohölbestände sind gesunken, und die Futures am Ölmarkt sind in eine Backwardation übergegangen. Hat die OPEC damit ihr Ziel erreicht? Nitesh Shah – Director, Commodities Strategist bei ETF Securities, ist anderer Meinung.

11.12.2017 | 14:32 Uhr

Backwardation

Vor einem Jahr prognostizierten zahlreiche Beobachter, dass die Strategie der OPEC darauf abzielte, das Contango der Futures-Kurve in eine Backwardation umzukehren. Ihrer Argumentation zufolge lieferte das Contango den US- amerikanischen Produzenten von Schieferöl einen Anreiz, trotz der schwachen Preise am Spotmarkt weiter zu produzieren, da die Aussicht auf höhere Preise in der Zukunft es attraktiv erscheinen ließ, das Öl einzulagern und zu einem späteren Zeitpunkt zu verkaufen. Die Folge wäre ein kontinuierlicher Anstieg der Bestände. Nun befindet sich die Kurve in einer Backwardation.

 

Rückgang der Bestände ...

In der OECD tendieren die Rohölbestände nach unten (auf globaler Ebene werden keine Bestandsdaten erfasst). Insbesondere die (besonders teure) Einlagerung in Tankerschiffen wurde deutlich reduziert.

 

... aber nur vorübergehend, da die US- Produktion gesteigert ...

Der Abbau der Bestände dürfte allerdings nicht viel länger anhalten. Die aktuellen Preise lassen einen deutlichen Anstieg der US-Produktion erwarten. Die US-amerikanischen Produzenten von Schieferöl erreichen schon bei ca. 40 USD/Barrel die Gewinnschwelle. Bei einem aktuellen WTI- Preis von 55 USD/Barrel besteht also noch reichlich Spielraum für eine rentable Produktion, und wir erwarten eine erhebliche Ausweitung der Produktion.

 

Im nächsten Jahr dürfte die Produktion in den USA historische Höchstwerte erreichen, wobei aller Voraussicht nach sowohl das Zyklushoch aus der Zeit vor dem Preiskrieg von 2014 als auch die zuletzt 1970 erreichte Marke von 10 Mio. Barrel überschritten werden. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass die Backwardation am Futures-Markt eine Ausweitung der US- Produktion verhindern wird.

 

... und die Einhaltung des OPEC- Abkommens nachlässt

Im Oktober 2017 ließen die Zahlen der OPEC und der zehn beteiligten Nicht-OPEC-Länder die bisher beste Einhaltung der vereinbarten Vorgaben zur Drosselung der Ölproduktion erkennen. Bei genauerer Betrachtung sind es jedoch Länder wie der Irak, die ihre Werte am deutlichsten verbessern konnten. Das Land steigerte die Einhaltung seiner Vorgaben von 22 Prozent im September auf 85 Prozent im Oktober und leistete damit einen erheblichen Beitrag zur Gesamterfüllung der OPEC-Vorgaben (95 Prozent im September bzw. 106 Prozent im Oktober). Angesichts der jüngsten Unterbrechung der Produktion in den irakischen Kurdengebieten nach dem erfolgten Unabhängigkeitsvotum halten wir es für unwahrscheinlich, dass diese starken Werte erneut erreicht werden können. Wir erwarten jedoch nicht ernsthaft eine dauerhafte Unterbrechung der Ölproduktion in den Kurdengebieten. Die Türkei als wichtigster Abnehmer von Öl aus der betroffenen Region hat ihre Drohungen nicht wahr gemacht, die vorhandenen Pipelines zu schließen.

Die OPEC hat zuletzt beschlossen, die im Oktober 2016 vereinbarte Drosselung der Produktion um 1,2 Mio. Barrel bis Ende 2018 zu verlängern. Wir gehen davon aus, dass die Einhaltung der Vorgaben während der verlängerten Laufzeit hinter den Erwartungen der Teilnehmer zurückbleiben wird. Russland hat sich bezüglich der Vereinbarung in den letzten Wochen nicht eindeutig geäußert, nachdem das Land im Sommer noch klar Stellung bezogen hatte. Dies deutet darauf hin, dass die Geduld der Nicht-OPEC-Partner der Vereinbarung allmählich zur Neige geht.

 

Erneute Überschüsse

Wenn die USA ihre Produktion wie erwartet steigern und die Verlängerung der OPEC-Vereinbarung tatsächlich teilweise umgangen wird, dürfte das Angebot in der Tat zunehmen. Gleichzeitig ist es unwahrscheinlich, dass das aktuelle Nachfragewachstum unvermindert anhält, nachdem die Preise im letzten Jahr um 33 Prozent gestiegen sind. Im 4. Quartal 2017 dürfte vorerst zum letzten Mal ein Defizit verzeichnet werden. Die Überschüsse dürften in der weiteren Entwicklung einen Anstieg der OECD-Bestände zur Folge haben. So viel zum Thema Backwardation als Allheilmittel!

 

Rückgang der politischen Risikoprämien

 

Infolge der jüngsten Entwicklungen in Saudi-Arabien haben die Ölpreise Anfang November um 2,2 Prozent angezogen. Wenn die geopolitischen Risiken wieder abklingen, dürften jedoch auch die Ölpreise wieder nachgeben.

Im Zuge seiner Bemühungen zur Modernisierung der saudischen Wirtschaft hat Kronprinz Mohammed bin Salman der Korruption im Land den Kampf angesagt. Nachdem der Kampagne zahlreiche Mitglieder der wirtschaftlichen und politischen Elite zum Opfer gefallen sind, besteht das Risiko, dass der fragile Konsens, der Saudi-Arabien in den letzten Jahrzehnten im Gleichgewicht gehalten hat, nun zusammenbricht.

Saudi-Arabien hat dem Iran und dem Libanon kriegerische Handlungen vorgeworfen. Die Vorwürfe gegen den Iran betreffen die Lieferung einer Rakete, die vom Jemen in einem versuchten Angriff auf einen saudi-arabischen Flughafen eingesetzt wurde. Dem Libanon wirft Saudi-Arabien das aggressive Vorgehen der vom Iran unterstützten schiitischen Hisbollah-Miliz vor. 2015 startete Saudi-Arabien eine militärische Intervention im Jemen, die von vielen Beobachtern als Stellvertreterkrieg mit dem Iran gewertet wird, da Letzterer die Huthi-Rebellen im Jemen unterstützt, die im Vorfeld die Regierung des Landes gestürzt hatten. Die jüngsten Entwicklungen deuten auf eine Eskalation des Stellvertreterkrieges hin.

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