Shareholder Value: Quartalszahlen sind da – Auf den Ausblick kommt es an

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Die Bilanzsaison läuft – mit wenigen negativen Überraschungen bisher. Das ist ohne Frage eine gute Nachricht. Immerhin drücken viele Belastungsfaktoren auf die Bilanzen der Unternehmen. Ob hohe Inflationsraten, unterbrochene Lieferketten oder massiv gestiegene Energiepreise.

10.08.2022 | 08:00 Uhr

All das wirkt sich ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Unternehmen aus. Daher steht hier ein Bilanz-Update auf dem Programm, in dem wir Ihnen einige ausgewählte Unternehmen aus unseren Mandaten auf Basis der aktuellen Bilanzdaten näher vorstellen möchten.

Bevor es jedoch um die einzelnen Firmen geht, lohnt sich doch der Vergleich zwischen den USA und Europa. Laut aktuellen Daten von Refinitiv haben die Umsätze im S&P 500 bislang um 11,6 Prozent im Vorjahresvergleich zugelegt. Für die Gewinne ging es immerhin noch um rund 6 Prozent nach oben. Die jeweils größten Zuwächse hatte wenig überraschend die Energiebranche.

In Europa sind die Gewinnaussichten sogar noch besser. Die Unternehmen im marktbreiten STOXX Europe 600 Index sollen sowohl die Umsätze als auch die Gewinne um annähernd 22 Prozent steigen. Das Bild ist jedoch verzerrt durch die hohe Gewichtung von Energietiteln, die allein für 85 Prozent der Gewinne im Index verantwortlich sind.

Daran ist schon erkennbar, dass erst der Blick auf die einzelnen Bilanzen ein wirklich klares Bild liefert. Immerhin ist erkennbar, dass die aktuellen Belastungsfaktoren noch keine so massive Rolle in den Bilanzen der Unternehmen spielen. Das zeigt auch der Blick auf zwei bekannte Unternehmen aus unseren Mandaten:

Netflix liefert Quartalsbericht: Es geht aufwärts


Bei Netflix fielen die Zahlen zum 2. Quartal besser aus als zuletzt. So stieg der Umsatz im Jahresvergleich um 9 Prozent. Bei der wichtigen Kennziffer ARPU, die den Umsatz pro Kunde angibt, ging es um 7 Prozent nach oben – wobei 2 Prozent auf das Konto des starken US-Dollars gehen.

Insgesamt verlor Netflix auch im zweiten Quartal weiter Kunden. Doch mit einem Verlust von 1 Million Kunden hat sich der Streaminganbieter besser gehalten als vorher angekündigt. Positiv stimmt auch der Ausblick auf das kommende Quartal: Hier soll die Kundenbasis wieder um mindestens 1 Million ansteigen. Der Erfolg im aktuellen Quartal fokussiert sich stark auf einen neuen Blockbuster-Film: „The Grey Man“ mit Ryan Gosling und Chris Evans ist der bislang teuerste Film bei Netflix mit Produktionskosten von 200 Millionen Dollar.

Die starke Marktstellung von Netflix wird deutlich, wenn man diese Produktionskosten ins Verhältnis zu den zahlenden Kunden sieht. Bei einem anderen Streamingdienst mit angenommen 30 Millionen Kunden würde ein Film mit diesem extrem hohen Budget von 200 Millionen Dollar immerhin 6,67 Dollar pro Kunde kosten. Für den Platzhirsch Netflix liegen die Produktionskosten pro Kunde nur bei rund 1 Dollar. Das zeigt das enorme Potenzial für Netflix auch weiterhin immer noch attraktive Filme und Serien anbieten zu können – ohne finanziell besonders hohe Risiken eingehen zu müssen.

An der Börse verlief der gesamte Juli für Netflix (Netflix Aktie: Gerade jetzt aussichtsreich) erfreulich und die Aktie hat knapp 28 Prozent an Wert gewonnen und die Talsohle erst einmal verlassen.

Auch Amazon mit guten Zahlen

Die hohe Inflation und die steigenden Rezessionsängste kann Amazon gut wegstecken. Im zweiten Quartal kletterte der Umsatz im Jahresvergleich um 7 Prozent auf rund 121 Milliarden Dollar. Der Betriebsgewinn sackte zwar deutlich ab – fiel jedoch mit 3,3 Milliarden Dollar besser aus als von den Analysten im Vorfeld erwartet.

Klar erkennbar hat der Shopping-Boom durch die massiven Corona-Lockdown Einschränkungen wieder nachgelassen. Doch Amazon war in der Lage die Umsätze seiner Abo-Dienste überdurchschnittlich um 10 Prozent auf 8,7 Milliarden Dollar zu steigern.

Ungeachtet der aktuellen Bilanzdaten weist Amazon einen der stärksten wirtschaftlichen Burggräben überhaupt auf. Amazon ist das führende E-Commerce-Unternehmen der westlichen Welt. In etlichen Ländern liegt der Marktanteil am E-Commerce bei mehr als 50 Prozent. Ganz wichtig: Das gilt auch für den Heimatmarkt USA. Aufgrund dieser starken Marktstellung hat Amazon die größte Kundenbasis und auch das größte Händlerangebot auf der eigenen Plattform. Zusammen mit dem umfassenden Amazon Prime Service und der Cloud-Lösung AWS generiert Amazon (Der versteckte Gewinntreiber bei Amazon) weiter hohe Erträge und ein Ende dieses positiven Trends ist nicht in Sicht.

Nach der klaren Korrektur vor den Zahlen hat die Amazon-Aktie den Börsenmonat Juli mit einem kräftigen Plus von 27 Prozent überdurchschnittlich gut abgeschlossen.

Der Ausblick steht im Fokus

Nun sind aktuelle Bilanzdaten immer spannend. In einer so angespannten Marktphase wie derzeit steht jedoch der Ausblick im Fokus. Hier stehen wir wirklich vor entscheidenden Wochen. Klar ist wohl schon jetzt: Viele Analysten werden ihre Gewinnschätzungen für 2022 noch einmal anpassen – und vornehmlich nach unten. Was dann 2023 in Sachen Gewinnentwicklung bringen wird, muss sich erst noch zeigen. Für das erste Quartal 2023 erwarten aktuell die Experten von Refinitiv für den STOXX Europe 600 einen Gewinnrückgang von rund 5 Prozent.

Eine Sache ist jetzt schon absehbar: Viele der aktuellen Krisenherde werden nicht so einfach verschwinden. Das Thema Ukraine-Krieg wird uns wohl noch längere Zeit erhalten bleiben – mit den verheerenden humanitären Folgen und den hohen Preisen nicht nur für Energie. Das ist unserer Einschätzung nach ein ganz entscheidender Faktor, wie die Unternehmen es schaffen mit den hohen Energiekosten klarzukommen.

Leider hat das Thema Energie jedoch noch eine weitere Ebene: Es geht schlicht und einfach um die Versorgungssicherheit. So ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht klar, ob die Gasspeicher in Deutschland bis zum November so massiv aufgefüllt werden können, dass wir alle einem entspannten Winter entgegen sehen können.

Diese Belastung auf der konjunkturellen Seite trifft auf eine veränderte Strategie der US-Notenbank Fed. Hier wird nach den massiven Liquiditätssteigerungen der vergangenen beiden Jahre dem Markt diese Liquidität wieder entzogen. In früheren Phasen hat dieser Ansatz zu fallenden Börsen geführt. Gut möglich, dass wir nach dem heißen Sommer direkt in einen stürmischen Herbst kommen…

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