Shareholder Value: Ende des Chipmangels nicht absehbar

Shareholder Value: Ende des Chipmangels nicht absehbar
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Bis zur Corona-Krise kümmerte sich niemand außerhalb der betroffenen Unternehmen um Lieferketten. Sie funktionierten einfach. Doch wir alle wissen: Diese Zeiten sind vorbei.

20.04.2022 | 08:18 Uhr

Erst hat die Corona-Krise zur Unterbrechung von Lieferketten geführt. Dann beruhigte sich die Lage in vielen Bereichen zwar wieder – der Mangel an Halbleitern, den sogenannten Chips, blieb jedoch und setzt sich sogar immer weiter fort. Besserung ist kaum in Sicht. Warum diese Branche so wichtig für unseren Alltag ist und wie die weiteren Perspektiven aussehen, erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.

Kaum eine Branche hat die Welt in den vergangenen 50 Jahren so verändert wie die Halbleiterbranche. Was zunächst nur in Großrechnern zum Einsatz kam, hat mit dem Siegeszug des Internets und der Digitalisierung fast aller Lebensbereiche neue Dimensionen erreicht. Dabei können wir Menschen das zugrundeliegende Wachstum kaum nachvollziehen – kein Wunder: Wir allen sind an eher lineare Denkmuster in einer lokalen Welt gewöhnt. Doch mit dem Wachstum des Einsatzes von Computern (basierend auf der rasant steigenden Leistungsfähigkeit der Halbleiter) hat sich die Welt massiv verändert. Jetzt leben wir allen in einer exponentiellen und globalisierten Welt.

Wir leben in einer exponentiellen Welt der Computer-Chips

Exponentielles Denken ist nur schwer nachvollziehbar. Doch stellen Sie sich vor: Sie bewegen sich mit einer Schrittlänge von 1 m in einer linearen Welt und gehen 10 Schritte. Damit ergibt sich eine Distanz von 10 Metern. Nun gehen Sie die gleiche Strecke in einer exponentiellen Welt und das Ergebnis ist kaum fassbar: Dann sind Sie 1.024 Meter gegangen. Also erst 1 Meter, dann 2 Meter, dann 4 Meter, dann 8 Meter dann 16 Meter usw. Mit jedem Schritt verdoppelt sich die zurückgelegte Strecke. Zugegeben: Das Bild ist nicht real. Es zeigt aber, welch ungeheures Wachstum basierend auf dem Mooreschen Gesetz möglich ist. Tatsächlich war dieses Verständnis von exponentiellem Wachstum ein zentraler Punkt bei den Überlegungen zur möglichen Ausbreitung der Corona-Erkrankungen. Mit den zum Teil massiven Maßnahmen sollte die exponentielle Ausbreitung verhindert werden.

Auch bei Chips genannten Halbleitern kannte das Wachstum keine Grenzen. Grundsätzlich bilden Computer-Chips die Grundlage für jede elektronische Anwendung, sie wurden dabei in den letzten Jahren immer kleiner und leistungsfähiger. Gleichzeitig nahmen auch die Anwendungsgebiete immer weiter zu: Selbst Haushaltsgeräte wie Kühlschränke sind heute so ausgerüstet, dass sie über WLAN mit anderen Geräten kommunizieren können und notwendige Lebensmittel die fehlen einfach per Internet nachbestellen können. Die Sinnhaftigkeit mancher Anwendungen wird tatsächlich kaum noch hinterfragt – angeboten wird, was technisch machbar ist.

Cloud-Geschäft wird Wachstum der Chip-Branche lange befeuern

Der Grafikchip Spezialist Nvidia gibt das aktuelle Marktvolumen für die gesamte Branche mit 1 Billion Dollar an. Bei der weiteren Entwicklung der Chipbranche sollte man, wie so oft, groß denken. Eine stark wachsende Anwendung ist das Cloud-Geschäft, also die dezentrale Datenspeicherung. Hier geben schon heute die großen US-Tech-Konzerne wie Microsoft, Alphabet (Mutterkonzern von Google) oder auch Amazon jährlich Milliarden Dollar aus, um hier leistungsfähigere Lösungen für die Kunden anzubieten. Tatsächlich wächst dieser Sektor bei den großen Konzernen besonders schnell. Beispiel Microsoft: 2021 legte der Umsatz beim Cloud-Geschäft um 47 Prozent zu und damit weitaus stärker als die klassischen Bereiche bei Microsoft.

Dabei benötigen die immer größeren Datencenter auch immer leistungsfähigere Chips. Mittlerweile hat das sogar zu einer komplett neuen Entwicklung geführt: Die großen Tech-Konzerne haben begonnen, eigene Chips zu entwickeln, um so unabhängiger von der Verfügbarkeit der aktuellen Chiphersteller zu werden. Noch sehr am Anfang steht das Metaverse – doch auch hier sehen viele Experten auf Sicht der kommenden Jahre einen immensen Chipbedarf. Diese Beispiele verdeutlichen sehr eindrücklich: Der geschäftliche Erfolg in vielen Branchen ist grundsätzlich von der ausreichenden Verfügbarkeit von Chips abhängig. So haben laut Goldman Sachs insgesamt 169 Branchen unter dem Chipmangel zu leiden.

Der hat verschiedene Ursachen. Neben Ausfällen von Produktionsanlagen in Folge von Naturkatastrophen war es vor allem die während der Pandemie massiv angestiegene Nachfrage im Bereich der Unterhaltungselektronik, welche die Chip-Lager schnell leerfegte.

Damit stellen sich Fragen zur weiteren Entwicklung. Die Königsfrage bleibt dabei die Stabilität der Lieferketten. So werden zwar weltweit neue Produktionsstätten aufgebaut – oft auch außerhalb der bisherigen Kernregion Asien. Intel sticht hier ganz klar hervor mit massiven Investitionsprogrammen und neuen Chip-Fabriken in den USA oder auch bei uns in Deutschland. So hat Intel in diesem Jahr angekündigt, bei Magdeburg zwei Chipfabriken im Gesamtwert von rund 17 Mrd. Euro bauen zu wollen. Doch wann diese neuen Produktionsmengen den Engpass füllen können, ist noch unklar. Gleichzeitig steigt die Nachfrage weiter an. Wenn eine nur moderate steigende Produktion auf eine massiv steigende Nachfrage trifft, kann die Angebotslücke noch einige Zeit andauern.

Flexible Strategien als Antwort auf den Chipmangel

Was bedeutet der Chipmangel nun für Investoren? Im Gespräch mit unseren Analysten wurde mir klar, dass der Mangel an Chips die Kapitalallokation für Investoren anspruchsvoller macht, denn es werden typische Zyklen überlagert und manche Firmen können trotz voller Auftragsbücher nicht genügend Produkte liefern, weil die notwendigen Chips fehlen. Auf diese Weise sind in den vergangenen 12 Monaten immer wieder Produktionsstandorte der Automobilbranche kurzzeitig stillgelegt worden.

Tatsächlich kann Flexibilität eine Antwort auf den andauernden Chipmangel sein. Vielleicht gibt hier Tesla den Weg vor: Hier werden Fahrzeuge ausgeliefert, bei denen noch bestimmte Chips fehlen die dann später beim Kunden vor Ort nachgerüstet werden. Auch die Rückverlagerung von Produktionsstätten in die Industrieländer, in denen die Chips am Ende benötigt werden, ist ein Beispiel für Flexibilität. Die Berechenbarkeit der arbeitsteiligen globalen Wirtschaft aus der Vor-Corona-Zeit gehört wohl einfach der Vergangenheit an und der andauernde Chipmangel ist ein klares Zeichen dafür. Wir bevorzugen im Technologiebereich deshalb ganz klar hardware-unabhängige Geschäftsmodelle, etwa aus dem Softwarebereiche, wie die kürzlich vorgestellte Adobe.

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