Columbia Threadneedle: Stehen Anleihen vor einem Ausverkauf?

Investment-Grade- und Hochzinsanleihen haben sich in letzter Zeit risikobereinigt sehr gut entwickelt. Es hat sich aber auch eine allgemeine Sorglosigkeit am Markt ausgebreitet. Stehen Anleihen vor einem Ausverkauf und wird in diesem Falle eine Korrektur ausgelöst?

02.08.2017 | 15:17 Uhr

(Foto: v.l.n.r.: Maya Bhandari, Portfoliomanagerin, Multi-Asset; Toby Nangle, Global Co-Head of Asset Allocation, Head of Multi-Asset, EMEA)

Investment-Grade-Anleihen haben unserer Analyse zufolge weiterhin gute Aussichten. Die geldpolitischen Bedingungen sind günstig, wobei die negativen Zinsen kräftige Impulse geben, die Konjunktur ist stabil, die Volatilität niedrig und die Bewertungen steigen, aber sind noch nicht zu hoch. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Gewichtung in diesem Bereich überprüft. Wir haben beschlossen, in unseren Asset-Allocation-Portfolios unser Engagement in europäischen Hochzinsanleihen zu reduzieren.

Gleichwohl bereiten uns die Bilanzen der US-Unternehmen weiterhin Sorgen. Der Verschuldungsgrad ist nahezu einer der höchsten seit der Jahrtausendwende und die Zinsdeckung ist die niedrigste seit der Krise. Unserer Einschätzung nach wird die Verschuldung weiter steigen. Das ist zwar in der aktuellen, mittleren bis späten Phase des Kreditzyklus nicht ungewöhnlich, sollte aber unseres Erachtens trotz des ansehnlichen Wachstums der Unternehmensgewinne genau beobachtet werden.

In Europa ist die Lage anders. Die Verschuldung hat sich nach einem weniger extremen Anstieg als in den USA stabilisiert und dürfte in diesem Jahr zurückgehen. Zudem wird die Zinsdeckung europäischer Investment-Grade-Unternehmen voraussichtlich in diesem und im nächsten Jahr steigen.Investment-Grade-Anleihen sind jedoch eine so globale Anlageklasse, dass Europa schwer vom Rest der Welt zu trennen ist.

Im Hochszinsbereich verbessern sich die Fundamentaldaten der Unternehmen. Die Profitabilität steigt, der Verschuldungsgrad sinkt, die Verbindlichkeiten und Zinsaufwendungen sind gedeckt und die Indexduration ist ungefähr halb so hoch wie die europäischer Investment-Grade-Anleihen. Das typische Hochzinsunternehmen sieht heute ganz anders aus als vor zehn Jahren. Es ist heute rund drei Mal so groß und von besserer Qualität. Gleichwohl sind die Bewertungen europäischer Hochzinsanleihen im Laufe einer Phase mit guter Wertentwicklung ungünstiger geworden. Sie sind jetzt stärker ausgereizt als die europäischer Investment-Grade-Anleihen. Beispielsweise sind Hochzinsanleihen mit BB-Rating teurer als Investment-Grade-Anleihen mit BBB-Rating.

In den letzten zwölf Monaten haben Hochzinsanleihen hohe Gesamterträge erzielt: 9 % in Europa und 11 % in den USA, womit die Gesamterträge über zehn Jahre auf jeweils rund 100 % gestiegen sind. Die Spreads liegen in Europa 80 Basispunkte und in den USA 90 Basispunkte über ihren Tiefstständen von 2007.

Was bedeutet dies nun für uns?
Auch wenn wir insgesamt keine konkrete Gefahr sehen, haben wir beschlossen, unser Engagement in europäischen Hochzinsanleihen zu verringern. Dies erscheint uns unter Risiko-Ertrags-Gesichtspunkten vernünftig. Für Unternehmensanleihen spricht, dass die Suche nach Rendite bei „Goldilocks“-Bedingungen – langsamem, stetigem Wachstum, moderater Inflation und anhaltend expansiver Geldpolitik mit niedrigen Realzinsen – weitergehen dürfte. Wir bedenken aber, dass ein exogener Schock jetzt eine Korrektur auslösen könnte. Die möglichen Auslöser sind zahlreich und vielfältig. Dazu zählen eine restriktivere Geldpolitik, langsameres Wachstum in Europa, geopolitische Turbulenzen wie eine Ablehnung von Shinzo Abe in Japan und die USA, wo Präsident Trump Schwierigkeiten hat, seine Ausgabenpläne und Steuerreformen durchzusetzen.

Der Markt scheint es für wenig wahrscheinlich zu halten, dass Präsident Trump seine geplanten Maßnahmen verwirklichen kann. Wir denken viel darüber nach, wie viel Auftrieb diese Maßnahmen liefern könnten. Unsere Analysen im letzten Jahr ergaben, dass allein schon niedrigere Unternehmenssteuern US-amerikanischen Aktien zu Kursanstiegen von 16-17 % verhelfen könnten (nach der Daumenregel, wonach eine Steuersenkung um 5 % die Unternehmensgewinne um etwa 4 % steigen lässt). Der S&P 500 ist um mehr als das gestiegen, obwohl die Steuern nicht gesenkt wurden und sich immer mehr abzeichnet, dass sich die Steuersenkungen verzögern und geringer ausfallen werden als ursprünglich erhofft. Die Konjunkturdaten in den USA bleiben jetzt hinter sinkenden Erwartungen zurück und sowohl die weichen als auch die harten Daten geben merklich nach – was uns in unserer Ansicht bestätigt, dass US-Aktien nicht mehr unterbewertet sind.

Unser Asset-Allocation-Team bevorzugt weiterhin europäische Aktien, schätzt aber den Ausblick für Aktien insgesamt positiv ein. Wir bleiben bei unserer neutralen Haltung gegenüber Unternehmensanleihen und sind in Bezug auf Kernländerstaatsanleihen abgeneigt.

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