Das Blatt hat sich für Anleihen gewendet. Was wir für das Jahr 2024 erwarten.
12.01.2024 | 12:05 Uhr
2023 war ein Jahr des Übergangs für die Weltwirtschaft und die
Finanzmärkte. Mit dem Abklingen der extremen Inflation verlagerte sich
die Aufmerksamkeit der Anleger auf die Verlangsamung des Wachstums und
die Aussicht auf Zinssenkungen. Die daraus resultierende Achterbahnfahrt
beinhaltete einen Anstieg der Anleihenrenditen, wobei die Rendite
10-jähriger US-Staatsanleihen kurzzeitig sogar die 5%-Marke erreichte.
Im November begann sich das Blatt jedoch zu wenden. Zurückgehaltene
Barmittel strömten zurück auf den Markt und trieben die Renditen rasch
nach unten und die Kurse nach oben. Wir glauben jedoch nicht, dass die
Rallye bereits zu Ende ist – wir sind optimistisch für 2024.
Die Leitzinsen der Zentralbanken und die Anleihenrenditen sind
weltweit nach wie vor hoch und werden wahrscheinlich bis weit in das
Jahr 2024 hinein auf einem hohen Niveau bleiben, bevor sie wieder
zurückgehen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit höherer Leitzinsen gering;
das Potenzial für einen Rückgang der Zinsen ist viel höher.
Im Euroraum zum Beispiel rentieren 10-jährige deutsche Bundesanleihen
mit AAA-Rating nach Jahren negativer Renditen aktuell mit 2,0 %.
Inzwischen nähert sich die Inflation in der Region wieder dem Zielwert
an. Angesichts des erwarteten schwachen Wachstums wird die Europäische
Zentralbank möglicherweise Mitte des Jahres die Geldpolitik lockern
müssen.
In den USA, wo die Inflation zwar rückläufig ist, aber immer noch
deutlich über dem Zielwert der Federal Reserve liegt, erwarten wir, dass
die Zinsen bis in die zweite Jahreshälfte 2024 hoch bleiben werden. In Anbetracht der aktuellen Trends bei den Wirtschaftsdaten
gehen wir davon aus, dass die Fed ihren Zinserhöhungszyklus
abgeschlossen hat und eine Pause einlegen wird, bis die Inflation näher
an 2 % herankommt; dann kann sie angesichts der Abkühlung des
US-Wachstums mit einer Lockerung beginnen. Trotz des jüngsten Anstiegs
der Treasuries sind die Renditen nach wie vor sehr attraktiv: Die
Rendite der 10-jährigen US-Staatsanleihen liegt derzeit bei 3,9 %.
Für Anleihenanleger sind diese Bedingungen nahezu ideal. Schließlich
wird der größte Teil der Erträge, die eine Anleihe im Laufe der Zeit
erzielt, durch ihre Rendite bestimmt. Und sinkende Renditen – die wir
für die zweite Hälfte des Jahres 2024 erwarten – lassen die
Anleihenkurse steigen. Anleger sollten in diesem Umfeld eine
Verlängerung der Duration (Zinssensibilität) in Erwägung ziehen, um von
den Zinsen profitieren zu können.
Es stimmt, dass anhaltend höhere Zinsen wahrscheinlich irgendwann zu
einer Wende im Anleihenzyklus führen werden. Zinserhöhungen belasten
bereits die Aktivität in vielen Sektoren. Die Unternehmen übertreffen
weiterhin die Gewinnerwartungen, allerdings nicht mehr so eindrucksvoll
wie zu Beginn des Jahres. Einige Unternehmen haben festgestellt, dass
die Verbraucher weniger ausgeben. In der Tat haben die Haushalte bereits
einen Großteil ihrer während der Pandemie angesammelten Ersparnisse
ausgegeben. Der Verschuldungsgrad nimmt schleichend zu, und die
Zinsabdeckung – das Verhältnis zwischen dem EBITDA eines Unternehmens
und seinen gesamten Zinszahlungen – beginnt zu sinken.
Da die Fundamentaldaten der Unternehmen jedoch von einer historisch
starken Position ausgingen, erwarten wir keinen Tsunami von
Zahlungsausfällen und Herabstufungen von Unternehmen. Außerdem dürften
sinkende Zinsen im Laufe des Jahres dazu beitragen, den
Refinanzierungsdruck auf die Emittenten zu verringern.
Unserer Ansicht nach können Anleihenanleger im aktuellen günstigen
Umfeld erfolgreich sein, wenn sie eine ausgewogene Positionierung
einnehmen und diese Strategien anwenden:
1. Investieren. Es ist noch nicht zu spät, sich der
Anleihenparty anzuschließen. Wenn Sie immer noch Bargeld oder Ähnliches
anstelle von Anleihen halten, entgehen Ihnen die täglichen Zinseinkünfte
von Anleihen mit höheren Renditen sowie die potenziellen Kursgewinne,
wenn die Renditen weiter sinken.
2. Duration verlängern. Wenn sich die Duration Ihres
Portfolios, also die Zinsempfindlichkeit, zum ultrakurzen Ende hin
entwickelt hat, sollten Sie eine Verlängerung der Duration Ihres
Portfolios in Betracht ziehen. Wenn sich die Konjunktur verlangsamt und
die Zinsen sinken, kommt die Duration den Portfolios tendenziell zugute.
Staatsanleihen, die reinste Durationsquelle, bieten zudem reichlich
Liquidität und tragen dazu bei, die Volatilität der Aktienmärkte
auszugleichen.
3. Bonitätssektoren nutzen. Die Renditen von
bonitätsabhängigen Vermögenswerten wie Unternehmensanleihen und
verbrieften Schuldtiteln sind so hoch wie seit Jahren nicht mehr und
bieten einkommensorientierten Anlegern eine langersehnte Gelegenheit,
ihre Tanks zu füllen. Anleger sollten jedoch selektiv vorgehen und auf
die Liquidität achten. Unternehmen mit CCC-Rating und verbriefte
Schuldtitel mit niedrigerem Rating sind in einem wirtschaftlichen
Abschwung am anfälligsten. Investment-Grade-Unternehmensanleihen mit
langen Laufzeiten können ebenfalls volatil sein und sind unserer Meinung
nach aktuell überbewertet. Umgekehrt bieten hochverzinsliche Anleihen
mit kurzer Laufzeit dank einer inversen Zinskurve höhere Renditen und
ein geringeres Ausfallrisiko als längere Anleihen.
4. Ausgewogen anlegen. Wir sind der Meinung, dass sowohl
Staats- als auch Unternehmensanleihen in den heutigen Portfolios eine
Rolle spielen sollten. Zu den effektivsten Strategien gehören solche,
die Staatsanleihen und andere zinsempfindliche Anlagen mit
wachstumsorientierten Kreditpapieren in einem einzigen, dynamisch
verwalteten Portfolio kombinieren. Diese Art der Paarung trägt auch dazu
bei, Risiken außerhalb unseres Basisszenarios eines schwachen Wachstums
– wie der Rückkehr hoher Inflationsraten oder eines wirtschaftlichen
Zusammenbruchs – abzumildern.
5. Systematischen Ansatz erwägen. Das heutige Umfeld eines
sich abschwächenden Wirtschaftswachstums erhöht auch das potenzielle
Alpha bei der Auswahl von Anleihen. Aktive systematische Ansätze für die
Anlage in festverzinsliche Wertpapiere, die in hohem Maße
maßgeschneidert werden können, können Anlegern helfen, diese Chancen zu
nutzen. Systematische Ansätze stützen sich auf eine Reihe von
Prognosefaktoren, wie zum Beispiel Momentum, die durch traditionelle
Anlagen nicht effizient erfasst werden können. Da systematische Ansätze
von verschiedenen Wertentwicklungsfaktoren abhängen, werden sich ihre
Ertragsmuster wahrscheinlich von denen traditioneller aktiver Strategien
unterscheiden und diese ergänzen.
Aktive Anleger sollten flexibel bleiben und sich darauf vorbereiten, im weiteren Verlauf des Jahres von sich ändernden Bewertungen und Chancen zu profitieren. Vor allem aber sollten sich die Anleger aus der Deckung wagen und voll in die Anleihenmärkte investieren. Die hohen Renditen und das Ertragspotenzial, das sich derzeit erzielen lässt, sind kaum zu überbieten.
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