Mikroplastik ist einer der drängendsten Umweltprobleme weltweit. Der folgende Artikel untersucht für TiAM FundResearch, welche Schäden durch Mikroplastik entstehen, welche Unternehmen mitverantwortlich sind, und wie Anleger Einfluss nehmen können.
10.01.2025 | 16:00 Uhr
Plastik – genauer gesagt: eine Gruppe verschiedener Polymere auf Erdölbasis - hat Materialeigenschaften, die durchweg positiv sind. Es ist widerstandsfähig, unbegrenzt formbar, leicht - und vor allem: sehr, sehr preisgünstig. Die globale Jahresproduktion stieg von rund zwei Millionen Tonnen im Jahr 1950 bis auf 400 Millionen Tonnen im Jahr 2015. Mehr als die Hälfte allen Plastiks weltweit ist erst in den vergangenen 20 Jahren entstanden - doch zwei Drittel gammeln heute als Müll auf Deponien oder verschmutzen Umwelt und Meere.
Die allgegenwärtige Plastikverschmutzung ist eine direkte Konsequenz linearer Produktions- und Konsummuster. Die Menschen kaufen, um wegzuwerfen. Der große pazifische Müllstrudel, in dem sich vor allem Plastikmüll sammelt, hat mittlerweile eine Fläche, die dem 4,5-fachen der Bundesrepublik entspricht. Plastik wird nicht in der Umwelt abgebaut – es zerfällt in immer kleinere Teilchen. In Mikroplastik, also in Teilchen, die kleiner als 5 Millimeter sind, und schließlich in Nanoplastik. Diese Teilchen sind kleiner als 1 Mikrometer. Zum Vergleich: Ein durchschnittliches menschliches Kopfhaar ist 0,05 Millimeter dick – also 50 Mikrometer.
Dabei kann man weiter unterscheiden in Primäres Mikroplastik, was direkt als winziger Partikel in die Umwelt gelangt, aus Kosmetika zum Beispiel, und dort 15 bis 31 Prozent des Mikroplastiks ausmacht. Sekundäres Mikroplastik entsteht hingegen durch das langsame Zerfallen größerer Plastikteile. Es stammt hauptsächlich aus dem Abrieb synthetischer Fasern wie Reifen – dies macht etwa 69 bis 81 Prozent des Mikroplastiks im Meer aus. Bereits 2050 könnte die Menge an Kunststoffmüll in den Meeren dem Gewicht nach größer sein als die aller Meeresfische.
Mikroplastik findet sich im Boden, im Wasser, in der Wüste, im ewigen Eis. Forscher der Universität Wien fanden in der österreichischen Donau mehr Mikroplastik als Fischlarven. Über die Nahrung gelangt es in die Körper der Menschen, zum Beispiel ins Blut. Italienische Forscher konnten es auch in der Plazenta schwangerer Frauen nachweisen. Je nach Wohnort und Ernährung können Menschen bis zu fünf Gramm Mikroplastik pro Woche zu sich nehmen – das entspricht etwa dem Gewicht einer Kreditkarte.
Gesundheitliche Schäden absehbar
Nanoplastik ist so klein, dass es von Zellen aufgenommen werden kann und dabei wirkt es wie ein Magnet für krebsauslösende Stoffe. Die Konsequenzen einer derartigen Kontamination lassen sich bislang noch nicht abschätzen, aber es gibt Hinweise, dass gesundheitliche Konsequenzen für Pflanzen, Tiere und Menschen drohen. Darüber hinaus ist die Herstellung von Plastik global für etwa zehn Prozent des weltweiten Verbrauchs von fossiler Energie verantwortlich und damit ein nicht zu unterschätzender Faktor im Kampf gegen den Klimawandel.
Grundsätzlich gibt es zwei Herangehensweisen, um das Problem zumindest zu mindern. Wir sollten unseren Materialverbrauch und das Abfallmanagement dringend kritisch hinterfragen. Zum einen können wir versuchen, Plastik möglichst zu meiden, damit es gar nicht erst in die Umwelt gelangen kann. Zum anderen kann man versuchen, Plastik zu rezyklieren, es aus der Umwelt zu entfernen, oder beispielsweise von Bakterien fressen zu lassen. Doch die Methoden hierfür stecken oft noch in den Kinderschuhen und werden derzeit zumeist von Start-ups entwickelt, die nicht für jeden Anlegertyp geeignet sind. Doch auch bei Anlagen außerhalb der Start-up-Szene können Investoren fündig werden.
Noch ist die Datenbasis zum Thema Plastik dünn. Daher empfiehlt es sich grundsätzlich, bei der Lektüre von Geschäfts- und Nachhaltigkeitsberichten auf Schlagworte wie Lebenszyklusanalyse, Zirkuläre Wirtschaft, rezyklierte Kunststoffe, Extended Producer Responsibility oder Product Stewardship zu achten. Auch wenn man kaum ein perfektes, plastikfreies Unternehmen finden wird – Sensibilität für und Transparenz zu diesen Themen zu schaffen und einzufordern ist der erste Schritt in die richtige Richtung.
Was Anleger tun können
Seit 2018 befinden sich in jedem Jahr Coca-Cola, Pepsico und Nestlé unter den Top 5 der Plastikverschmutzer, die die Break Free From Plastic (BFFP) Initiative bei diesen jährlichen Erhebungen feststellt. Und das ist nur die Spitze des Eisberges: Lediglich 56 Unternehmen sind demnach für die Hälfte des globalen Plastikmülls verantwortlich.
Arete Ethik Invest arbeitet bereits seit 1995 mit einem eigens entwickelten und stetig aktualisiertem Bewertungsverfahren, um aus ethischer Perspektive verantwortungsbewusste Unternehmen zu identifizieren. Strenge Ausschlusskriterien sorgen dafür, dass die allergrößten Plastiksünder nicht in das Anlageuniversum aufgenommen werden. Coca-Cola wurde bereits 2015 bei erstmaliger Betrachtung ausgeschlossen, Pepsico hat es noch nicht einmal in die Analyse geschafft. Und auch Nestlé konnte 2019 das Ethik-Komitee nicht überzeugen.
Die Begründungen, die zum Ausschluss führten, sind allerdings mit dem Thema Mikroplastik allenfalls am Rande verwandt. Und bis heute hat Arete kein Einzelkriterium „Mikroplastik“ in die Analyse aufgenommen, da die Datenlage zum Thema nach wie vor sehr überschaubar ist. Der Datenpunkt „Strategie zur Verringerung mariner Verschmutzung durch Mikroplastik“ des Datenanbieters von Arete liefert Werte für gerade einmal neun Unternehmen des Anlageuniversums.
Doch es spricht einiges dafür, dass Unternehmen, die nachhaltig wirtschaften, auch in jenen Aspekten auf einem guten Weg sind, die Datenanbieter noch nicht messbar machen können. Und dies bestätigt auch die quantitative Analyse: Bewertung durch Arete und Indikatoren wie Transparenz zu verwendeten Materialien, Verlängerung des Produktlebens, Qualität der Lebenszyklusanalyse und Materialeffizienz der (bereits vorhandenen oder geplanten) Produkte sind positiv korreliert. Sind Unternehmen gut in einem dieser Punkte, sind sie es oft auch in den anderen Aspekten.
Im Anlageuniversum von Arete finden sich Titel, die im Brand Report der BFFP Initiative genannt werden, wie beispielsweise Unilever. Die holistische Betrachtung zeigt: Marken von Unilever sind PETA-zertifiziert, der Konzern unterstützt Initiativen, um Tierversuche zu stoppen, und schneidet als einer der größten Einkäufer von Palmöl in der «Palm oil buyers scorecard» des WWF außerordentlich gut ab.
Der BUND dokumentiert darüber hinaus die Fortschritte, die Unternehmen seit 2014 hinsichtlich ihrer Versprechen zur Elimination von Mikroplastik gemacht haben. Auch hier findet sich Unilever, daneben Colgate-Palmolive, Procter & Gamble sowie Beiersdorf und L’Oréal. Alle Unternehmen wurden von Arete analysiert, einige schafften es gerade über die minimale Hürde von 50 Punkten in der Bewertung, keines konnte eine positive oder gar hochwertige Bewertung erreichen. Dennoch wurden die Titel ins Anlageuniversum aufgenommen. Die Auswertung des BUND zeigt, dass die Unternehmen im Bereich Mikroplastik Fortschritte machen, auch wenn sie zum Teil noch einen weiten Weg vor sich haben.
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