
Trotz des wechselhaften Umfelds liefern die Märkte bislang starke Beiträge über Assetklassen hinweg. Das makroökonomische Umfeld für 2026 ist konstruktiv, aber keineswegs risikofrei, analysiert Karen Watkin, Portfolio Manager—Multi-Asset Solutions bei AllianceBernstein.
15.12.2025 | 12:05 Uhr
Warum uns der Aktien-Bullenmarkt auch in den kommenden Monaten erhalten bleiben sollte, wie die Gefahr einer KI-Blase steigt und inwiefern der Anleihenmarkt erste Anzeichen für systemischen Stress liefert, erläutert die Expertin in Ihrem Blick auf 2026.
Anfang 2025 war geprägt von politischen Schocks in den USA: Die „Liberation Day“-Zölle erhöhten den Kostendruck, während Einwanderungsbeschränkungen das Arbeitskräfteangebot begrenzten. Das Ergebnis: steigende Inflation und mehr Marktvolatilität. Im weiteren Jahresverlauf verlagerte sich der Fokus von der makroökonomischen Politik hin zu KI-Optimismus und soliden Unternehmensdaten Trotz dieser wechselvollen Rahmenbedingungen lieferten die Märkte über viele Anlageklassen hinweg solide Ergebnisse. Sowohl Aktien als auch Anleihen trugen spürbar bei – ein willkommenes Umfeld für Multi-Asset-Investoren mit Income-Fokus. Und der weitere Weg? Aus unserer Sicht stellen sich für 2026 drei entscheidende Fragen:
Frage 1: Aktien-Bullenmarkt – wie alt ist zu alt?
Die globale Aktienrally, die nach dem Abschwung Ende 2022 einsetzte, hat
starke Gewinne erzielt. Entsprechend stellt sich die Frage, ob dieser
Bullenmarkt seinem Ende entgegengeht. Historisch betrachtet ist das
unwahrscheinlich: Bullenmärkte sterben selten „an Altersschwäche“ – sie enden
meist durch externe Schocks oder Übertreibungen. Im historischen Vergleich
wirkt die aktuelle Rally eher „mittelalt“ und keineswegs extrem. Auch das
Marktumfeld erscheint insgesamt unterstützend: Für 2026 erwarten wir ein Wachstum
nahe dem Trend, und auch die US-Notenbank verfügt über ausreichend Spielraum,
die Zinsen falls notwendig weiter zu senken. Ausstiegsszenarien wirken daher
verfrüht. Gleichzeitig gewinnt selektives Vorgehen an Bedeutung, um Gewinner
von Verlierern zu unterscheiden.
Frage 2: Befinden wir uns in einer KI-Blase?
Auffällig ist die enge Marktführerschaft: KI-getriebene Technologiewerte
treiben einen Großteil der Gewinne – ein K-förmiger Markt entsteht, mit wenigen
klaren Gewinnern und vielen Nachzüglern. Diese Konzentration erhöht die
Indexrenditen, birgt aber Fragilität. Die US-Wirtschaft ist asymmetrisch
exponiert: Vermögende Haushalte besitzen die meisten Aktien und sind
entscheidend für den Konsum. Eine AI-Korrektur könnte daher die Nachfrage
bremsen und die Wirtschaft sogar in eine Rezession führen. Aktuell geben die
Fundamentaldaten jedoch Entwarnung: So wurden etwa die Kursgewinne von
Gewinnwachstum getragen, nicht allein von höheren Bewertungen. Auch die enormen
Investitionen der Hyperscaler werden weitgehend durch robuste Cashflows
finanziert. Dennoch sollten Anleger die steigende Verschuldung genau im Blick
behalten. Strukturelle Risiken bleiben: zirkuläre Finanzierungsstrukturen,
wechselseitige Beteiligungen und verstärkte M&A-Aktivitäten können
Verwundbarkeiten schaffen. Hinzu kommen mögliche Ungleichgewichte zwischen
Angebot und Nachfrage, Engpässe im Energiesystem sowie technologische
Obsoleszenz.
Zwar bedeuten hohe Bewertungen nicht zwangsläufig schwache kurzfristige Renditen. Sie erhöhen jedoch das Risiko für größere Rückschläge. Die hohe Marktkonzentration spricht für Diversifikation. Defensivere Aktienstrategien wie Low-Volatility-Ansätze bieten attraktive Bewertungen und könnten bei fallenden Renditen Rückenwind erhalten. Auch Schwellenländer wirken gut positioniert – unterstützt durch sinkende lokale Zinsen, steigende Gewinne und einen möglicherweise schwächeren US-Dollar. Diese Kombination ermöglicht Income-Potenzial bei gleichzeitigem Abbau von Konzentrationsrisiken.
Frage 3: Sind die Belastungszeichen im Kreditmarkt ein
Warnsignal für systemischen Stress?
Einige prominente Unternehmensfälle haben zuletzt Sorgen um die
Kreditgesundheit geweckt. Wir sehen diese Stresspunkte jedoch weiterhin
als isoliert, nicht systemisch. Fundamentaldaten bleiben solide,
Liquidität ist ausreichend vorhanden, und das Refinanzierungsvolumen ist
handhabbar. Die Kreditspreads – insbesondere im High Yield – haben sich
bemerkenswert stabil gezeigt und signalisieren keine breitere Marktstressphase.
Für 2026 bleibt das Kreditumfeld konstruktiv, doch die Bewertungen lassen nur
wenig Fehlertoleranz zu. Spreads sind eng, und die Ausfallraten könnten leicht
von historisch niedrigen Niveaus steigen, sollten aber moderat bleiben. Viele
Unternehmen sind mit soliden Bilanzen in dieses Umfeld gestartet;
vorausschauende Refinanzierungen aus der Niedrigzinsphase wirken
stabilisierend.
Ein wichtiger Punkt: KI-bezogene Emissionen konzentrieren sich stark im Investment-Grade-Bereich – das schützt High Yield etwas vor einer KI-Korrektur. Dennoch bleibt HY anfällig für konjunkturelle Risiken wie langsameres Wachstum und Refinanzierungsdruck. Für einkommensorientierte Anleger steht nicht das „Jagen nach Gewinnern“, sondern das Vermeiden potenzieller Verlierer im Vordergrund. Angesichts enger Spreads bietet High Yield begrenztes Kursaufwärtspotenzial, bleibt aber aufgrund der Carry-Komponente attraktiv. Qualität sollte 2026 das Fundament bilden: hochwertige Anleihen liefern attraktive Renditen, während kurze Laufzeiten im risikoreicheren Segment die Volatilität reduzieren.
Positionierung einer Multi-Asset-Income-Strategie für
2026
Im Aktienbereich bevorzugen wir die USA aufgrund hoher Profitabilität und
robuster Bilanzen – dennoch bleibt Diversifikation entscheidend.
Schwellenländer bieten attraktive Bewertungen, profitieren von sinkenden
lokalen Zinsen und einem schwächeren Dollar und eröffnen alternative
KI-Exposure-Pfade, insbesondere in China, Taiwan und Südkorea. Ergänzend können
defensive Strategien wie Low-Volatility-Aktien Stabilität in volatileren Phasen
bieten. Auf der Anleiheseite erhöhen wir den Fokus auf Qualität. Investment-Grade-Unternehmensanleihen
und BB-geratete Titel bleiben bevorzugte Renditequellen. Das moderatere
Wachstum spricht für Vorsicht bei niedrigeren Qualitätssegmenten.
Staatsanleihen haben ihre negative Korrelation zu Risikoanlagen wiedererlangt
und bieten Schutz bei Turbulenzen – kurze bis mittlere Laufzeiten sind hier
besonders attraktiv, da sie vom Zinssenkungszyklus der Fed profitieren könnten,
während das lange Ende durch fiskalische Risiken belastet bleibt.
Unterm Strich bleibt für 2026 Diversifizierung zentral – bevorzugt mit einem Multi-Asset-Income-Ansatz: Das makroökonomische Umfeld ist konstruktiv, aber keineswegs risikofrei. Das Wachstum dürfte nahe den langfristigen Durchschnittswerten liegen; die Inflation ist zwar zäh, aber rückläufig; und die Geldpolitik lockert sich. Diese Bedingungen unterstützen Risikoanlagen – gleichzeitig sind die Bewertungen in Aktien und Kreditmärkten hoch, und die Bandbreite möglicher Szenarien bleibt groß.
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