Franklin Templeton: Deutschlands finanzpolitische Wende – ein Eröffnungszug

Franklin Templeton: Deutschlands finanzpolitische Wende – ein Eröffnungszug
Analyse

Die großen politischen Parteien Deutschlands haben sich auf eine Verbesserung der finanzpolitischen Flexibilität, Änderung der Schuldenbremse und Gewährung von höheren Ausgaben für Infrastruktur und Verteidigung geeinigt.

17.03.2025 | 07:00 Uhr

David Zahn und Angelo Formiggini von Franklin Templeton Fixed Income äußern sich zu den Folgen für die europäischen Anleihenmärkte.

Die CDU/CSU (Christlich-Demokratische Union und Christlich-Soziale Union) und die SPD (Sozialdemokratische Partei Deutschlands) sind die wahrscheinlichen neuen Koalitionspartner nach der Wahl zum Deutschen Bundestag im Februar. Die Parteien einigten sich auf eine historische Änderung des konservativen finanzpolitischen Ansatzes des Landes. Sie wollen die angeschlagene Wirtschaft ankurbeln und die Verteidigungsausgaben erhöhen. Der Vorschlag umfasst drei zentrale Änderungen:

  • Eine Reform der verfassungsrechtlichen Schuldenbremse. Diese Regelung erlaubte bisher ein maximales Haushaltsdefizit von 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP). In Zukunft sind jedoch Verteidigungsausgaben von mehr als 1 % des BIP ausgeschlossen. Da Deutschland derzeit etwa 2 % des BIP für sein Militär ausgibt und dieses Ziel aufstocken will, werden durch diesen Schritt Mittel für andere Ausgaben freigesetzt.
  • Die Einrichtung eines 500 Mrd. EUR schweren Infrastrukturfonds, der über die nächsten zehn Jahre ausgegeben werden soll. Dieser Gesamtbetrag entspricht 11,6 % des BIP des Jahres 2024.
  • Eine Reform der Regelung für regionale Schulden. Derzeit können Bundesländer nicht mehr ausgeben, als sie an Einnahmen erzielen. Der Vorschlag sieht eine Anhebung des zulässigen strukturellen Defizits für Bundesländer vor, um es an die nationale Obergrenze anzugleichen.

Die Finanzpolitik Deutschlands ist unter den Ländern der EU traditionell eine der konservativsten, daher ist dieser Schritt von großer Bedeutung. Er dürfte auch in anderen Mitgliedstaaten den Weg für höhere Ausgaben ebnen, die notwendig sind, wenn die EU ihre Verteidigungskapazitäten verbessern will.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist der politische Aspekt. Der jetzige Bundestag wird dem Vorschlag wahrscheinlich zustimmen, was unerwartet war. Das neu gewählte Parlament – das seine Arbeit noch nicht angetreten hat – wird eine „Sperrminorität“ aus den Parteien der extremen Linken und der extremen Rechten aufweisen. Diese wird verhindern, dass die Parteien der Mitte die erforderliche Zweidrittelmehrheit erreichen, um die Verfassung zu ändern oder außerordentliche Haushaltsposten (wie den Infrastrukturfonds) zu genehmigen. Deshalb soll über das Verteidigungspaket im scheidenden Parlament abgestimmt werden, wo CDU und SPD mit Unterstützung der Grünen über genügend Stimmen für eine Verabschiedung verfügen. Zwar besteht die Gefahr, dass einige rechtliche Aspekte dieser finanzpolitischen Neuordnung vor dem Bundesverfassungsgericht angefochten werden, doch das neue Paradigma der Finanzpolitik ist unumstößlich.

Was bedeutet das für die Wirtschaft Deutschlands und Europas?

Der Zeitplan für die Emission neuer Anleihen und die Durchführung konkreter Projekte sowie die daraus resultierenden makroökonomischen Auswirkungen bleiben ungewiss. Sowohl Infrastruktur- als auch Militärprojekte brauchen Zeit. Wir erwarten die ersten Schritte Ende 2025, wobei sich die meisten Projekte auf die Jahre 2026 und 2027 und die Zeit danach konzentrieren werden. Allerdings stellt dies für Deutschland eine wahrnehmbare strukturelle Veränderung gegenüber dem Status quo ohne Wachstum dar. Ab 2026 rechnen wir nun mit Aufwärtsrisiken für die Wachstumsaussichten.

Dennoch ist zu beachten, dass Militärausgaben einen geringen Multiplikatoreffekt und immer noch eine hohe Importkomponente aufweisen. Die EU will die Ausgaben auf Europa ausrichten, aber die europäischen Waffenhersteller sind noch recht klein und haben nur begrenzte Kapazitäten. Daher müssen die Ausgaben wahrscheinlich parallel zu den heimischen Produktionskapazitäten hochgefahren werden.

Was bedeutet das für die europäischen Verteidigungsausgaben?

Europa hat jahrzehntelang nicht genug in die Verteidigung investiert. Die Militärausgaben sind von über 3 % des realen BIP in den 1980er-Jahren auf etwa 1,5 % in den 2010er-Jahren gesunken, als die EU die sogenannte Friedensdividende genoss.1 Doch der Einmarsch Russlands in der Ukraine bewirkte eine Aufstockung der Ausgaben auf rund 2 % des BIP im Jahr 2024.2 In unserer neuen geopolitischen Realität erscheinen uns Militärausgaben zwischen 3 % und 4 % nicht zu hoch. Außerdem müsste dieses höhere Niveau über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte beibehalten werden, um Europas militärische Position nachhaltig zu verbessern.

Die EU muss nun eine Lösung für die Finanzierung ihres gestiegenen Sicherheitsbedarfs finden. Die Europäische Kommission schlägt den Plan „ReArm Europe“ vor, der Folgendes umfassen soll:

  1. Eine Ausweichklausel von den geltenden finanzpolitischen Regeln. Dabei handelt es sich jedoch um eine vorübergehende Maßnahme, mit der ein strukturelles Problem angegangen werden soll. Möglicherweise mangelt es angesichts des Fehlens eines gemeinsam definierten Ziels für Verteidigungsausgaben an den richtigen Anreizen für ein entschlossenes Handeln.
  2. Ein 150 Mrd. EUR umfassendes Instrument ähnlich dem Pandemieprogramm SURE (Support to Mitigate Unemployment Risks in an Emergency, Unterstützung bei der Minderung von Arbeitslosigkeitsrisiken in einer Notlage). Der Umfang des Programms ist allerdings gering. Außerdem ist unklar, ob es für eine Beteiligung Deutschlands attraktiv genug ist.
  3. Die Umverteilung vorhandener, nicht ausgegebener oder nicht zugewiesener Mittel für EU-Programme (93 Mrd. EUR für NextGenerationEU plus Kohäsionsmittel in Höhe von bis zu 60 Mrd. EUR pro Jahr) könnte vereinbart werden. Damit sind jedoch Kompromisse in Bezug auf andere bereits zugeteilte Ausgaben verbunden.

Daher dürften einige zusätzliche Anleiheemissionen auf Länderebene zur Erhöhung der nationalen Verteidigungsausgaben erfolgen, deren Ausmaß aber noch unklar ist. Ein erneuertes gemeinsames Finanzierungsinstrument wäre ein Wendepunkt und hätte den zusätzlichen Vorteil, die EU näher zusammenzubringen. Bisher gibt es keine Anzeichen dafür, denn die politischen Anreize beschränken sich nach wie vor auf bestimmte Länder. Hinzu kommt, dass mehrere Länder – wie Frankreich und Italien – bereits mit hohen Haushaltsdefiziten und Schuldenständen zu kämpfen haben und weniger Spielraum für Ausgabenerhöhungen besitzen. Dennoch kann sich die Situation noch immer stark ändern. Wir können rasche, radikale Veränderungen hin zu einer Annäherung in der EU in den kommenden Wochen und Monaten nicht ausschließen. Wie sagte doch der französische Diplomat Jean Monnet? „Europa wird in Krisen geschmiedet und ist die Summe der Lösungen, die für diese Krisen gewählt werden.“

Warum ist das für die Anleihenmärkte wichtig?

Eine spürbare Lockerung der Finanzpolitik ist für die Europäische Zentralbank (EZB) Anlass zur Vorsicht. Die deutsche Schuldenreform ist ein wichtiger Hinweis für die Falken im EZB-Rat, da sie das Argument der strukturellen Schwäche, die die Inflation mittelfristig dämpfen könnte, entkräftet. Die geldpolitische Sitzung der EZB am 6. März bestätigte dies, da EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte, die Unsicherheit sei „phänomenal“ und werde sowohl von internen als auch externen Quellen verursacht. Unseres Erachtens bedeutet das, dass die EZB in Zukunft noch stärker auf Daten zurückgreifen wird. Einige weitere Zinssenkungen sind in diesem Jahr noch möglich, da die kurzfristigen Wachstumsaussichten noch immer gedämpft sind, aber der Spielraum der EZB hat sich vergrößert.

Auf den Anleihenmärkten bedeuten steigende Ausgaben in Deutschland und Europa, dass die Emission von mehr Schuldtiteln zu erwarten ist. Das deutet auf mittlere Sicht auf die Wahrscheinlichkeit strukturell höherer Renditen für europäische Anleihen hin. Seit Anfang März ist die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen von 2,41 % auf 2,87 % geklettert. Das Ausmaß der EU- oder zwischenstaatlichen Unterstützung für höhere Verteidigungsausgaben bleibt jedoch ungewiss. Aus diesem Grund lässt sich nur schwer ein solider Ausblick auf die nächste Zeit geben. Mittelfristig könnten wir uns für zehnjährige Bundesanleihen Renditen zwischen 3 % und 3,5 % vorstellen, aber wir werden die Marktentwicklung genau im Auge behalten.


Fußnoten

  1. Quellen: Organisation des Nordatlantikvertrags, Macrobond. Stand: 25. Februar 2025.
  2. Ebd.

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