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Altersvorsorge

Immobilienrente: Geldspritze für stark steigende Heizkosten

Mit dem Eigenheim ein Zusatzeinkommen erzielen und doch Zuhause bleiben: Wegen hoher Energiekosten gewinnt die Immobilienrente unter Senioren an Zuspruch.

06.10.2022 | 07:30 Uhr von «Ulrich Lohrer»

Aufgrund steigender Zinsen und weiterhin hohen Immobilienpreise können sich immer weniger Familien den Eigenheimerwerb leisten. Dagegen ist die Wohneigentumsquote der Altersgruppe der 65- bis 74-jährigen seit 1990 gestiegen und liegt mit 58 Prozent so hoch wie in keiner anderen Altersgruppe (siehe Grafik1). Doch viele der Senioren haben außer ihrer Immobilie kaum ein weiteres Vermögen. Oft müssen sie sich mit geringen Alterseinkünften zufrieden geben, da sie während des Erwerbslebens ihre Gelder weitgehend für Zins und Tilgung des Hypothekendarlehens verwandten. Ein Viertel der deutschen Renterinnen und Rentner beziehen ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 1000 Euro pro Monat.

Wohneigentumsquote
Wohneigentumsquote


Schwere Inflation trifft besonders Ältere mit geringem Einkommen

Immer mehr Senioren interessieren sich für ein Finanzmodell, mit dem sie aus ihrer Immobilie Geldzuflüsse erhalten, ohne deshalb ausziehen zu müssen. Unter Senioren in den USA, dem Vereinigten Königreich, Irland, den Niederlanden und Italien sind Finanzprodukte zur sogenannten Eigenkapitalfreigabe aus Immobilien bereits relativ weit verbreitet. Auch in Deutschland gewinnt das Modell unter dem Namen Immobilienrente immer größeren Zuspruch. „Die Nachfrage nach Verrentung der Immobilie hat in den letzten Monaten stark zugenommen. Viele Immobilieneigentümer, die sich seit geraumer Zeit mit dem Verrentungsgedanken beschäftigen, treffen jetzt die Entscheidung für eine Verrentung der Immobilie“, sagt Otto Kiebler, Geschäftsführer der giv GmbH Immobilien & Vermögensplanung in München. Die giv vermittelt die Immobilienrente auf der Grundlage eines Nießbrauchmodells. Die Rente wird von Investoren bis zum Tode der Bewohner für den Erwerb der Immobilie bezahlt. Auch auf Seite der Investoren bestehe Interesse an dem Modell. „Wir verzeichnen inzwischen verstärkt Nachfragen von Family-Offices und von Versorgungswerken oder Pensionskassen für unsere Nießbrauchobjekte“, so Kiebler.

Verkaufen, um zu bleiben

Mit diesem Slogan wirbt in einem TV-Spot die Deutsche Leibrenten Grundbesitz, der Marktführer der Immobilienrente. Das Unternehmen, das mit Eigenkapital Wohnimmobilien für eine Rente oder einen Kapitalbeitrag sowie für ein Wohnrecht kauft, registriert in diesem Jahr deutlich mehr Klicks auf ihrem Internetauftritt. „Zwar sehen einige Interessenten aufgrund der gestiegenen Energiepreise und gesetzlichen Maßnahmen gegen den Klimawandel steigende Kosten auf sich zukommen. Doch dies ist nur ein Motiv für die Immobilienrente“, erläutert Ralph Wecker, Vertriebsleiter der Deutsche Leibrenten Grundbesitz. Immer mehr Menschen würden sich für das Modell nicht aus einer Notlage heraus interessieren, sondern weil sie ihr Leben im Alter genießen und nicht unbedingt möglichst viel vererben wollten. „Zudem ist der Bekanntheitsgrad der Immobilienrente insgesamt gestiegen“, ergänzt Wecker. Aufgrund eines Wohnrechts können die Senioren lebenslang in ihrem Wohnhaus oder ihrer Eigentumswohnung bleiben. Interessenten können sich an sechs Standorten von Mitarbeitern der Deutsche Leibrente beraten lassen. Zudem arbeitet das Unternehmen mit rund 700 externen Vertriebspartnern zusammen. Für ihre Vermittlung der Immobilienrente erhalten die Immobilienmakler, freie Finanzvermittler und Banker eine Provision.

„Wir erwerben seit 2020 pro Jahr etwa zwischen 200 und 250 Immobilien und haben aktuell einen Bestand von rund 1000 Wohnimmobilien. 2021 haben wir Immobilien zu einem Umsatz von rund fünf Millionen Euro verkauft, weil die Bewohner mit Wohnrecht verstarben. Im kommenden Jahr dürfte sich dieser Wert verdoppeln“, erläutert Wecker.

Zinsanstieg wirkt sich je nach Modell unterschiedlich aus

Die stark steigenden Zinsen wirken sich aber auch auf die Finanzierungskosten der Käufer aus. Vor allem beim sogenannten Teilverkaufsmodell, mit dem nur ein Teil der Immobilie in der Regel vollständig mit Fremdkapital erworben wird, müssen die Wohnungsnutzer mit höheren Kosten rechnen. Diese erhalten zwar für den Teilverkauf ihrer Immobilie einen entsprechenden Kaufpreis ausgezahlt, müssen dann aber den verkauften Immobilienteil wieder vom Käufer über ein sogenanntes Nutzungsentgelt zurückmieten. Die Höhe dieses Nutzungsentgelt orientiert sich dabei am Zinsniveau und lässt sich gegen einen entsprechenden Aufschlag für längere Zeiträume festschreiben. Weil in den vergangenen zwei Jahren das Zinsniveau sein Rekordtief erreicht hatte, fiel das Nutzungsentgelt nicht allzu hoch aus und die Immobilienteilkäufer konnten gegenüber dem herkömmlichen Modell der Immobilienrente deutliche Marktanteile gewinnen. Markführer in diesem Segment dürfte die EV LiquidHome GmbH sein, die die Aufkäufe mit Fremdkapital finanziert und seit ihrem Start im April 2020 rund 900 Teilankäufe mit einem Volumen von rund 250 Millionen Euro durchgeführt hat.

Doch seit Anfang 2022 sind die Zinsen deutlich gestiegen. „Das beeinflusst natürlich auch die Höhe der Nutzungsgebühr, die die Teilverkaufenden an uns zahlen müssen, um ihre Immobilie weiterhin vollständig nutzen zu dürfen“, räumt Christian Kuppig ein. Er ist Geschäftsführer EV LiquidHome GmbH. Aktuell liege die Nutzungsgebühr bei 5,25 Prozent jährlich bezogen auf die Ankaufsumme. Über die gestiegenen Zinsen freuen sich die Wettbewerber, die die Immobilien mit Wohn- oder Nießbrauchrecht vollständig erwerben. „Gestiegene Zinsen führen beim Teilverkauf-Modell zu höheren Kosten für die Wohnungsnutzer und bringen uns damit einen Wettbewerbsvorteil. Da uns mit unserem Eigenkapital ausreichend Kapital für Immobilienaufkäufe zur Verfügung steht, sind wir mittelfristig nicht so sehr von einem Zinsanstieg betroffen“, erläutert Wecker. EV Liquid Home bestreitet, dass ihr Geschäftsmodell durch den Zinsanstieg gefährdet ist.

Energetische Modernisierung erfordert zusätzliche Geldmittel

„Wir stellen fest, dass das Interesse am Teilverkauf trotz der gestiegenen Nutzungsgebühr weiterhin hoch ist und sogar wächst: Im ersten Halbjahr 2021 haben wir etwa 2.800 Kundenanfragen verzeichnet, im ersten Halbjahr 2022 bereits 7.500. Für das Jahr 2023 planen wir 1.000 Teilankäufe“, so Kuppig. Er sieht in den gestiegenen Energiekosten und der Notwendigkeit zur energetischen Sanierung ein wichtiges Motiv der Interessenten. Laut dem Statistischen Bundesamt hat sich Haushaltsenergie bereits im August um 46,4 Prozent verteuert: Die Preise für leichtes Heizöl haben sich binnen Jahresfrist mit plus 111,5 Prozent mehr als verdoppelt, die Teuerung für Erdgas betrug plus 83,8 Prozent (siehe Grafik2). Kostete die Auffüllung des Heizöltanks für ein Einfamilienhaus bislang im Schnitt rund 4.000 Euro, so müssen dafür nun 8.000 Euro und mehr gezahlt werden. „Der Anstieg der Energiekosten erleichtert die Entscheidung eine Verrentung vorzunehmen erheblich“, registriert Giv-Geschäftsführer Kiebler. Nach einer Kundenumfrage von EV Liquid Home vor einem Jahr, plante bereits damals jeder Dritte das Geld aus dem Teilverkauf für eine energetische Sanierung zu verwenden. „Steht bei Anbahnung des Teilverkaufs bereits fest, dass damit Modernisierungsmaßnahmen bezahlt werden sollen, so lassen wir die daraus zu erwartende Wertsteigerung in das Gutachten zur Wertermittlung der Immobilie einfließen“, wirbt Kuppig. Vieles spricht also dafür, dass der Markt für die Immobilienrente mit ihren verschiedenen Modellen trotz höherer Zinsen in Deutschland künftig weiter wächst.

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