Morgan Stanley IM: Diagnostik – Der Schlüsselfaktor für die Verbesserung von Gesundheitsergebnissen

Morgan Stanley IM: Diagnostik – Der Schlüsselfaktor für die Verbesserung von Gesundheitsergebnissen
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Was macht sinnvolle Interventionen im Gesundheitswesen aus? Das International Equity Team glaubt, dass die breitere Anwendung von Diagnosetests und Früherkennungsuntersuchungen den Behandlungserfolg deutlich verbessern und auch die Kosten in der medizinischen Versorgung optimieren kann.

18.04.2023 | 07:10 Uhr

Für Gesundheitsunternehmen wird der heilige Gral der Kapitalvermehrung zu hohen Renditen durch Preissetzungsmacht, Eintrittsbarrieren und eine nichtdiskretionäre Endmarktnachfrage ermöglicht. Während die nichtdiskretionäre Nachfrage Anlegern einen Anker für die Kapitalvermehrung bieten kann, hat sie für andere Stakeholder eine ganz andere Bedeutung: Für den Patienten kann es schlichtweg bedeuten, keine andere Wahl zu haben. „Nichtdiskretionär“ bedeutet oft auch überlastete Gesundheitssysteme, weil Krankenhäuser und Gesundheitsversorger die Behandlungen nicht reduzieren können, wenn sich das Budget verkleinert, Kosten ansteigen oder sich die Patientenzahl plötzlich vergrößert.

Dadurch stellt sich die Frage: Was macht sinnvolle Interventionen im Gesundheitswesen aus? Wir glauben, dass die breitere Anwendung von Diagnosetests und Früherkennungsuntersuchungen einen entscheidenden Vorteil zugunsten der Verbesserung von Behandlungserfolgen sowie der Optimierung von Kosten in der medizinischen Versorgung liefert. Die Diagnostik prägt 70% aller klinischen Entscheidungen, erhält jedoch nur 2% bis 5% der Finanzierung im Gesundheitswesen.1

Krankheitskosten reduzieren

Es war erfrischend, Anfang dieses Jahres auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos den Vorsitzenden eines britischen Pharmakonzerns, in das wir investiert sind, über "die Reduktion von Krankheitskosten" sprechen zu hören.2 In seiner Rede ließ Herr Johansson keinen Zweifel daran, dass der Schlüssel dazu in der Früherkennung liegt und nicht nur in der Entwicklung von Medikamenten. Dies ist ein interessanter Kommentar vom Vorsitzenden einer der größten Arzneimittelhersteller der Welt, der jedoch angesichts der enormen Ausgaben von Pharmaunternehmen in die Forschung und Entwicklung (R&D) wohl auch ein angemessener ist. Obwohl die Forschungsausgaben in der Onkologie jährlich weltweit auf rund 50 Mrd. USD geschätzt werden3, verbessern sich die Überlebensraten nur sehr langsam. Von Pharmakonzernen entwickelte Interventionen konzentrieren sich in der Regel auf fortgeschrittene Krankheiten. Ihre Arzneimittel verlängern das Überleben durschnittlich nicht um Jahre, sondern Monate. In den 30 Jahren zwischen 1992 und 2022 hat sich in den USA die Überlebensrate für Frauen mit Brustkrebs im Spätstadium zwar verdoppelt - jedoch liegt sie immernoch bei lediglich 29%.4

Das Potenzial der Diagnostik und Früherkennung bei der Verbesserung von Überlebensraten scheint enorm. Für Krebs gilt: Je früher die Erkrankung behandelt wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass pharmazeutische Interventionen das Leben verlängern. Nehmen Sie Brustkrebs als Beispiel: Die Fünf-Jahres-Überlebensrate in den USA für Frauen mit Brustkrebs, der nicht metastasiert ist, liegt bei 99%.5 6 Sobald sich der Krebs jedoch ausbreitet, fällt die Überlebensrate dramatisch auf nur 29%. Diese beiden Überlebensraten unterscheiden sich darin, wann die Erkrankung erkannt und diagnostiziert wird.

Gemeinsam können Diagnostik und prognostische Analysen Mediziner dabei unterstützen, bessere Therapieentscheidungen zu treffen und sogar einen Krankenhausaufenthalt von Patienten zu verhindern. Durch sogenannte „predictive algorithms“ wurden auf Intensivstationen so bereits Patienten identifiziert, die am wahrscheinlichsten einen chirurgischen Eingriff benötigen.7 Krankenhäuser haben daraufhin einen Rückgang der Mortalität verzeichnet.8 In einer Umfrage gaben 39% von Führungskräften im Gesundheitswesen außerdem an, dass der Einsatz prognostischer Analysen und Diagnostik auch Kosten reduziert hat.

Das Potential für Kosteneinsparungen durch einen verstärkten Einsatz von Diagnosetests und Früherkennungsuntersuchungen im Gesundheitswesen kann beträchtlich sein. Beispielsweise wird geschätzt, dass die Behandlungskosten für eine bestimmte Lungenkrebsart in den USA 231.000 USD pro Jahr betragen. 9 Im Vergleich dazu kostet eine Früherkennungsuntersuchung mit 19.000 USD pro Jahr weniger als 10% der Behandlungskosten.10 Zusätzlich verschwenden Gesundheitssysteme außerdem keine teuren Medikamente auf Patienten, deren Krebs darauf ohnehin nicht angesprochen hätte, wenn Ärzte die Art der Erkrankung über Diagnosetests direkt korrekt identifizieren können. Somit können spezifische Diagnosetests Ärzte auch dabei unterstützen kostengünstigere Behandlungen anzubieten.

Das Gleichgewicht finden

Natürlich muss man ein Gleichgewicht finden, indem einerseits Früherkennungsuntersuchungen verstärkt eingesetzt werden und andererseits das Gesundheitssystem nicht durch die Kosten einer unnötigen Früherkennung für ganze Patientenpopulationen überwältigt wird. Die Früherkennung von Lungenkrebs bei ganzen Populationen ist mit 19.000 USD pro Jahr nämlich keine unbedeutende finanzielle Last. Außerdem gibt es dann noch das Problem von falsch-positiven Ergebnissen für Populationen, die zu oft zur Früherkennung gehen, selbst wenn die Krankheit noch zu klein ist um entdeckt zu werden. Das beste Beispiel einer Früherkennung ist gleichzeitig auch das älteste: Der sogenannte „Pap“ Abstrich, mit dem auf Gebärmutterhalskrebs getestet wird, wurde erst 40 Jahre nach seiner Erfindung in den 1960er Jahren weitläufig eingesetzt. Seitdem sind Inzidenz und Mortalität für Gebärmutterhalskrebs um mehr als 50% gefallen.11 Trotz dieses Erfolgs dauerte es 40 Jahre, um das Früherkennungsprogramm durchzusetzen. Das zeigt, dass das die Gewichtung von Kosten, Präzision und Verhaltensanpassungen keine leichte Sache ist.

Dann gibt es da noch das Problem von Krankheiten, bei denen zwar eine Früherkennung möglich ist, die Behandlungsoptionen aber noch begrenzt sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das genetische Risiko für eine Erkrankung an der Alzheimer-Krankheit. Der australische Schauspieler Chris Hemsworth gab vor Kurzem bekannt, dass genetische Tests bei ihm ein erhöhtes Risiko für Alzheimer festgestellt haben. Er ist Träger eines Gens, welches das Risiko dieser Krankheit um das Acht- bis Zwölffache gegenüber einer Person, die keine Kopie des Gens aufweist, erhöht.12 Zwar kann diese Information dabei helfen, Risikofaktoren zu steuern, jedoch stehen nicht allen Menschen Interventionen zur Steuerung dieses Risikos zur Verfügung (wie z.B. Sport, Ernährung oder experimentelle Therapien). Der Test kann identifizieren, ob ein Patient ein erhöhtes genetisches Risiko für die Entwicklung von Alzheimer hat, allerdings bietet er keine Behandlung der Krankheit. Auch wenn diese Entwicklung zweifellos Vorteile mit sich bringt, liefert sie auf der ethischen Ebene mehr Fragen als Antworten. Dies zeigt klar auf, dass es einen Balanceakt zwischen Diagnose/Früherkennung und therapeutischen Interventionen zu lösen gilt.

Diagnostikunternehmen sind enorm wichtigen Trends bei der Verbesserung von Behandlungsergebnissen und dem Kostenmanagement der Anbieter ausgesetzt. Sie profitieren oft von hohen wiederkehrenden Einnahmen sowie hohen Eintrittsbarrieren: Sobald ein Gerät zur Diagnostik installiert wurde, verkauft der Hersteller weiterhin Verbrauchsmaterialien, die zur Ausführung verschiedener Diagnosetests benötigt werden. Der Zugang zu zwangsweise wiederkehrenden Kunden, sogenannten captive customers, ermöglicht demnach hohe Margen und prognostizierbare Einkommensquellen. Wir glauben, dass Diagnostikunternehmen aufgrund dieser Merkmale qualitativ hochwertige Unternehmen darstellen und demnach attraktive Investitionschancen bieten.

Wir sind in unseren globalen Portfolios in mehrere Diagnostikunternehmen investiert. Unsere Positionen im Life-Science-Bereich beziehen zwischen einem Viertel und einem Drittel ihrer Einnahmen aus dem Diagnostik-Segment. Sie verfügen damit in einem konzentrierten und wachsenden Endmarkt über große Marktanteile. Die Innovationen dieser Unternehmen haben eine Verbesserung der Qualität, Bandbreite und Effizienz der Diagnostik ermöglicht. Beispielsweise entwickelt ein multinationales Gesundheitsunternehmen aus den USA, das medizintechnische Geräte herstellt und in welches wir investiert sind, einen Bluttest, der eine Gehirnerschütterung identifizieren kann und die Folgen einer Gehirnverletzung innerhalb von 15 Minuten vorhersagen kann.13

Ein weiterer Kunde für die Diagnostik ist die Pharma- und Biotechbranche. In vielen Fällen sind die Diagnostikversorger auch für die Arzneimittelentwicklung wichtig, und zwar weil sie "begleitende Diagnostika" herstellen. Diagnosetests werden oft parallel zu einem Arzneimittel entwickelt, um diejenigen Patienten zu identifizieren, die auf dieses Medikament besonders gut ansprechen werden. Beispielsweise arbeitet ein Anbieter von Analyseinstrumenten aus den USA, in das wir investiert sind, mit einem Biopharmaunternehmen zusammen, in das wir auch investiert sind, um diagnostische Tests für einige seiner Onkologie-spezifischen Medikamente zu entwickeln. Für Anbieter von Analyseinstrumenten bietet dieses Modell den Vorteil robuster Endmarktnachfrage sowie regulatorischem Schutz ohne die Risiken traditioneller Pharmaunternehmen, wie gescheiterte Studien, auslaufende Patente oder Preisdruck zu tragen.

Fazit

Mit dem dargelegten Potential in der Reduzierung von Krankheitskosten durch die Diagnostik und Früherkennung kann dafür argumentiert werden, dass sie als nichtdiskretionäres Rädchen im Getriebe des Gesundheitssystems wahrgenommen werden sollten. Wir glauben, dass die Nachfrage nach Diagnostik robust ist, da der Anwendungsfall für eine breitere Früherkennung überzeugend ist.

Anlegern können diese Unternehmen dank hoher Eintrittsbarrieren und wiederkehrender Einnahmen hohe Renditen auf das eingesetzte Kapital bieten. Die Unternehmen sind enorm wichtigen Trends ausgesetzt, wodurch sie einerseits das Behandlungsergebnis von Patienten verbessern und anderseits Kosten einsparen können. Auch wenn diese Unternehmen selten die Schlagzeilen für ihre Fortschritte bei der Heilung von Krankheiten dominieren, haben sie unter der Oberfläche jedoch starkes Potenzial, die Mortalität von lebensbedrohlichen Krankheiten deutlich zu reduzieren.


1 Quelle: Roche Diagram, „Breaking Silos to Unlock the Value of Diagnostics“, Ausgabe 2017, Band 2.

2 Quelle: BBC News, „Technology can help the NHS, says AstraZeneca boss“, 23. Januar 2023.

3 Quelle: McKinsey, Our Insights: „Pursuing breakthroughs in cancer-drug development“. Veröffentlicht am 12. Januar 2018.

4 Quelle: Angela B. Mariotto, Ruth Etzoni, Marc Hurlbert, Lynne Penberthy & Musa Mayer, „Estimation of the Number of Women Living with Metastatic Breast Cancer in the United States“, Cancer Epidemiology, Biomarkers & Prevention: Eine Veröffentlichung der American Association for Cancer Research, Mitträgerin ist die American Society of Preventive Oncology. Online am 18. Mai 2017 veröffentlicht. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5833304/

5 Quelle: cancer.net „Breast Cancer: Statistics“. Statistiken angepasst von den Veröffenlichungen der American Cancer Society, „Cancer Facts & Figures 2023“ und „Cancer Facts & Figures 2020“; der Website der International Agency for Research on Cancer und dem SEER-Programm (Surveillance, Epidemiology, and End Results) des National Cancer Institute. Zugriff auf alle Quellen: Februar 2023.

6 Fünf-Jahres-Überlebensrate = Anteil der Patienten, die innerhalb von fünf Jahren nach der Krebsdiagnose noch am Leben sind

7 Quelle: philips.com „Predictive analytics in healthcare: three real-world examples“, 12. Juni 2020.

8 Quelle: philips.co.uk „Early Warning Score reduces incidence of serious events in general ward“

9 Quelle: siemens-healthineers.com „Lung cancer screening: A lever to reduce cancer mortality“

10 Quelle: siemens-healthineers.com „Lung cancer screening: A lever to reduce cancer mortality“

11 Quelle: cancer.org „History of Cancer Screening and Early Detection: 20th Century to Present“, letzte Revision 17. Mai 2021. https://www.cancer.org/treatment/understanding-your-diagnosis/history-of-cancer/screening-early-detection.html

12 Quelle: National Institute on Aging, „Study reveals how APOE4 gene may increase risk for dementia“, 16. März 2021, verfügbar auf nia.nih.gov.

13 Quelle: Abbott, „New Study Shows Abbott’s Blood Test for Concussion Could Predict Outcomes From Brain Injury and Inform Treatment Interventions“, 11. August 2022, Medienmitteilung.


Risikohinweise

Es besteht keine Garantie, dass ein Portfolio sein Anlageziel erreichen wird. Portfolios sind Marktrisiken ausgesetzt, d. h. es besteht die Möglichkeit, dass der Marktwert der Wertpapiere im Portfolio zurückgeht. Marktwerte können sich aufgrund wirtschaftlicher und anderer Ereignisse (z. B. Naturkatastrophen, Gesundheitskrisen, Terrorismus, Konflikte und soziale Unruhen), die Märkte, Länder, Unternehmen oder Regierungen betreffen, täglich ändern. Der Zeitpunkt, die Dauer und möglichen negative Auswirkungen (z. B. Portfolio-Liquidität) von Ereignissen lassen sich nur schwer vorhersagen. Anleger können deshalb durch die Anlage in dieser Strategie Verluste verzeichnen. Anleger sollten beachten, dass diese Strategie bestimmten zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein kann. Veränderungen der globalen Konjunktur, der Verbraucherausgaben, des Wettbewerbs, der demografischen Entwicklung, der Verbraucherpräferenzen, der gesetzlichen Regelungen und der Wirtschaftsbedingungen können sich auf globale Franchise-Unternehmen negativ auswirken und die Strategie stärker belasten als bei einer Investition der Strategie in eine größere Vielfalt von Unternehmen. Die Aktienkurse reagieren im Allgemeinen auch auf unternehmensspezifische Aktivitäten. Anlagen in ausländischen Märkten sind mit besonderen Risiken verbunden. Dazu zählen politische und wirtschaftliche Risiken sowie Währungs- und Marktrisiken. Die Aktien von Small- und Mid-Cap-Unternehmen weisen besondere Risiken wie begrenzte Produktlinien, Märkte und Finanzressourcen auf. Darüber hinaus sind sie einer stärkeren Marktvolatilität ausgesetzt als die Wertpapiere größerer, etablierter Unternehmen. Die Risiken einer Anlage in Schwellenländern übersteigen jene Risiken, die mit Investitionen in ausländischen Industrieländern einhergehen. Finanzderivate können Verluste unverhältnismäßig stark steigern und erhebliche Auswirkungen auf die Performance haben. Sie unterliegen möglicherweise auch Kontrahenten-, Liquiditäts-, Bewertungs-, Korrelations- und Marktrisiken. Illiquide Wertpapiere sind möglicherweise schwieriger zu verkaufen und zu bewerten als börsengehandelte Titel (Liquiditätsrisiko). Nicht diversifizierte Portfolios investieren oft in eine kleinere Zahl von Emittenten. Aus diesem Grund können Veränderungen der finanziellen Situation und des Marktwerts einzelner Emittenten zu einer höheren Volatilität führen. ESG-Strategien, die Impact-Investing- und/oder ESG-Faktoren berücksichtigen, können dazu führen, dass die relative Anlageperformance von anderen Strategien oder breiten Marktbenchmarks abweicht. Dies hängt davon ab, ob der Markt solche Sektoren oder Anlagen aktuell bevorzugt. Daher ist nicht gewährleistet, dass ESG-Strategien zu einer besseren Anlageperformance führen werden.

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