F&V Capital Management, LLC: US-Aktien vs. europäische Titel

US-Aktien vs. europäische Titel
Aktien

Wie unterscheiden sich beide Aktienmärkte hinsichtlich Einzeltitel und Indizes und was zeichnet den US-Markt über die FANG-Aktien hinaus aus?

07.12.2022 | 12:18 Uhr

Eine Analyse von H. Terrence Riley III, CFA und Partner beim Vermögensverwalter FVCM:

Was hat Amerika neben den typischen FANG-Aktien, die tendenziell vom Wachstumstrend profitieren, sonst noch an Aktien zu bieten?

1. International existieren viele, teils sehr unterschiedliche Rankingsysteme für Universitäten wobei sich eins klar zeigt: Die USA haben durchweg die meisten Universitäten unter den Top 500 – und das mit Abstand. Diese Universitäten ziehen begabte Menschen aus der ganzen Welt an. Es gibt nichts Wichtigeres für Innovation und Wachstum als Humankapital, und gerade in diesem Bereich hat die USA in der Vergangenheit in hohem Masse von Ihrer Fähigkeit profitiert international Talent anzuziehen. Das sollte sich auch in der nahen Zukunft nicht ändern.

2. Relativ gesehen bewundern die Amerikaner geschäftlichen Erfolg und haben viel Unternehmergeist. Das stellt einen fruchtbaren Boden für neue Firmen und Wachstum dar. Mittels dieser Unternehmerkultur schafft es die USA, die Talente, die aufgrund einer Ausbildung oder sonstigen arbeitsrelevanten Gründen in die USA kommen, zu halten.

3. Die USA verfügt weiterhin über sehr breite und offene Kapitalmärkte, die nicht nur eingesessene Firmen, sondern auch Start-Ups mit dem Geld versorgen, das sie für den Start der neuen Firma oder das Wachstum benötigen.
Sofern die Idee gut ist und die neue Firma wächst, dann steht dieser frisch gebackenen Firma auch schnell zusätzliches Kapital zur Verfügung, ohne dass ein Bankvorstand oder -ausschuss zustimmen muss, der eher daran interessiert ist, Bankkapital für etwas relativ "Sicheres" wie z.B. eine Hypothek zu verleihen. Aus diesen Gründen gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen in Sektoren die gute Wachstumsaussichten haben – nicht nur in der Technologiebranche, sondern auch im Gesundheitswesen, der produzierenden Industrie etc.

Valmont Industries ist hierzu ein gutes Beispiel. Mit einem Jahresumsatz von etwa 4 Milliarden US-Dollar ist dies ein relativ kleines Industrieunternehmen. Valmonts Jahresumsatz wächst jedoch um mehr als 20 % pro Jahr. Die Firma stellt unter anderem Bewässerungssysteme her, welche Algorithmen mit künstlicher Intelligenz nutzen, um Daten zwischen landwirtschaftlichen Geräten auf Feldern zu teilen. Dadurch wird die Wasserverschwendung reduziert und es werden Probleme erkannt, bevor es zu Ernteausfällen kommt. Generell gesprochen ist die amerikanische Landwirtschaft sehr effizient. Einerseits wegen ihres immensen Umfangs, andererseits auch aufgrund neuester Technik, fortschrittlicher Maschinen, Datenerfassung und -verarbeitung und zukunftsweisender biologischer Wissenschaften.

Nicht nur in der Landwirtschaft, sondern auch in der amerikanischen Energieerzeugung sind die Produktionsmethoden sehr innovativ und fortschrittlich. Bis etwa 2005 war die US-Energieproduktion auf etwa 6 Millionen Barrel Öl und Gas pro Tag gesunken, da Quellen ausgeschöpft waren. Hydraulisches Fracking wurde erstmals 1949 von US-Erdölingenieuren versucht. Dank laufender Entwicklungen wie z.B. Horizontalbohrungen konnte die Produktion sich bis 2018 mehr als verdoppeln und die USA hat Saudi-Arabien und Russland als größte Energieproduzenten der Welt überholt. Auch die extensiven unabhängigen Studien in diesem Bereich (z.B. der Nachweis, dass Fracking mit modernen Methoden das Grundwasser nicht beeinträchtigt) helfen, um diese Sparte voranzutreiben.

Mit Blick in die Zukunft werden die USA auch vom Bevölkerungswachstum und damit folglich einer größeren Erwerbsbevölkerung profitieren. Nach Schätzungen (Angabe: Mittelwert) der Vereinten Nationen wird beispielsweise die US-Bevölkerung der 15- bis 64-Jährigen zwischen 2022 und 2035 um 1,9 % zunehmen. Im Gegensatz dazu wird die Bevölkerung dieser Altersgruppe für ganz Westeuropa um 6,3 % schrumpfen und in Deutschland um sage und schreibe 10,5 % sinken.

Weitere Vorteile der USA sind relativ niedrige Steuern, weniger Bürokratie und weniger Vorschriften und Regularien. In den USA gibt es keine offizielle landesweite Mehrwertsteuer. So haben einige Staaten beispielsweise gar keine Umsatzsteuer, während andere eine Umsatzsteuer (normalerweise zwischen 3 % und 8 %) erheben. Auch die Einkommenssteuern sind in der Regel bei weitem nicht so hoch wie in anderen Industrieländern. Der US-bundesstaatliche Spitzensteuersatz der Einkommensteuer beträgt aktuell 37 % und wird erreicht bei einem Einkommen von über $ 539.900 im Kalenderjahr. Dazu kommt jedoch die Einkommenssteuer der Bundesstaaten. Einige Bundesstaaten wie z. B. Florida haben jedoch keine Einkommenssteuer, während der „Hochsteuerstaat“ Kalifornien bis zu 12,3 % erheben kann. In Summe gesehen sind die Steuern in den USA aber moderat.

Zusätzlich vorteilhaft sind auch die minimalen arbeitsrechtlichen. Unternehmen können ihre Belegschaft grundsätzlich „nach Belieben“ abbauen. Dies ermutigt Unternehmen, Mitarbeiter einzustellen so bald Bedarf ist, denn in schlechteren Zeiten kann man unnötige Arbeitskräfte - schnell und ohne große Kosten - auch abbauen. Gleichzeitig ermutigt dies aber auch Arbeitskräfte, sich von Unternehmen und Branchen, die schrumpfen abzuwenden und sich bei jungen, schnell wachsenden Unternehmen zu engagieren. All dies fördert die sogenannte Arbeitsflexibilität.

Die USA haben mit Ozeanen auf zwei Seiten und befreundeten Nationen an der nördlichen und südlichen Grenze auch enorme geografische Vorteile. Das Land der USA ist reich an natürlichen Ressourcen und es gibt enorme Wasserwege (Flüsse), die für immer einen sehr kostengünstigen Transport ermöglichen. Neben den Bodenschätzen gibt es in den USA eine Vielzahl von Bundesstaaten, von denen einige nahezu ganzjährig Sonnenschein haben. Zu diesen Bundesstaaten gehören Florida (der „Sonnenstaat“), Kalifornien und der gesamte Südwesten einschließlich Texas, Arizona und New Mexico. Dies hilft in vielen Bereichen wie z.B. bei der erneuerbaren Energieversorgung oder in der Landwirtschaft.

Die Liste der Vorteile würde noch lange weitergehen – in Summe lässt sich sagen: Die USA sind mit unglaublichen menschlichen und natürlichen Ressourcen und einem stabilen Regierungssystem gesegnet, das menschliche Leistung und Produktion fördert.

Wie unterscheiden sich die europäischen Aktienindizes von den amerikanischen?

Nach dem MSCI Europe Index im Vergleich zum S&P 500 macht die Informationstechnologie 27 % des US-Index aus, aber nur 7 % des europäischen Index. Der US-Sektor Kommunikationsdienste ist ebenfalls doppelt so groß (8 % gegenüber 4 %) wie in Europa. Im Gegensatz dazu ist Europa stark in Basiskonsumgütern (14 % gegenüber 7 %), Industriewerten (14 % gegenüber 8 %) und Finanzwerten (16 % gegenüber 11 %) vertreten.

Wie sieht es bei Einzeltiteln aus?

Wie bereits bei der Zusammensetzung der Indizes zu sehen ist, ist der größte Unterschied zwischen dem europäischen und amerikanischen Aktienmarkt die enorme Bedeutung der US-Technologiebranche, während sich die europäischen Titel auf traditionellere Wirtschaftszweige konzentrieren.
Natürlich gibt es auch in Europa einige sehr gute Technologieunternehmen. Die ASML Holding N.V. zum Beispiel ist ein niederländischer multinationaler Hersteller einzigartiger Fotolithografiesysteme für die Herstellung von Halbleitern. Die Optionen in den USA sind jedoch viel größer. Unter den fünf umsatzstärksten Halbleiterausrüstern steht ASML mit einem Umsatz von 22 Milliarden Dollar an zweiter Stelle. Dann gibt es in dem Bereich noch den japanischen Wert Tokyo Electron (17 Mrd. $). Die anderen drei großen Halbleiterausrüster sind jedoch Amerikaner: Applied Materials (25 Mrd. USD), Lam Research (17 Mrd. USD) und KLA-Tencor (9 Mrd. USD). Andere wichtige Bereiche wie das schnell wachsende Cloud-Geschäft wurden von amerikanischen Unternehmen wie Amazon AWS, Microsoft und Alphabet (Google) entwickelt und werden von diesen amerikanischen Firmen dominiert. Nicht nur die großen US-Firmen sind hier anzumerken, sondern auch viel kleinere Unternehmen wie z.B. Lumentum, das optische Geräte für die schnell wachsende Telekommunikations- und Datenkommunikationsbranche herstellt. Lumentum stellt auch kommerzielle Laser her, die in fortschrittlichen Fertigungstechniken und anderen Anwendungen wie 3D-Sensorik wie Gesichtserkennung eingesetzt werden.

Wie können Anleger an der Entwicklung des Bereichs KI inkl. der Lizenzen am US-Markt teilhaben?

Interessanterweise haben die Chinesen möglicherweise den größten Vorteil in der KI-Forschung, die äußerst große Datensätze erfordert. Die Chinesen sammeln riesige Datenmengen über ihre sehr große Bevölkerung, und diese Daten sind für die KI-Entwicklung sehr nützlich. In gewisser Weise werden die USA und Europa durch kleinere Bevölkerungen und Faktoren wie Datenschutzgesetze behindert. Nichtsdestotrotz findet ein großer Teil der KI-Forschung in den USA auf Universitätsebene statt, mit Zuschüssen des US-Verteidigungsministeriums und anderer Regierungsstellen. Auch öffentliche Unternehmen wie Alphabet, Microsoft und Nvidia investieren erhebliche Summen in die KI-Forschung.

Der Autor H. Terrence Riley III ist Partner beim Vermögensverwalter FVCM und Experte für den amerikanischen Aktienmarkt. Vor seiner Zeit bei FVCM war Terry Riley sechzehn Jahre lang Managing Director und Portfoliomanager bei HVB Capital Management, Inc. (Teil der UniCredit Group). Davor war er Portfoliomanager und Aktienanalyst bei New Jersey Manufacturers Insurance Co. und Investment Officer bei Standard & Poor's Corp. Herr Riley erwarb einen B.S. der Rider University in Lawrenceville, N.J., und einen M.B.A. mit Auszeichnung der New York University. Er ist CFA Charterholder und Mitglied des CFA Institute und der CFA Society Miami (CFAM).

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