Sebastian Raedler und Thomas Pearce von der Bank of America (BofA) haben untersucht, wie sich europäische Aktien in den vergangenen 20 Jahren im Vergleich zum Weltaktienindex geschlagen haben. Das Ergebnis ist ernüchternd.
19.01.2021 | 07:30 Uhr von «Jörn Kränicke»
Demnach hat der Kursindex (ohne Dividenden) für europäische Aktien im Vergleich zum MSCI World vor 20 Jahren seinen Höchststand erreicht und befindet sich seitdem auf dem absteigenden Ast. In diesem Zeitraum ist laut der Studie der relative Kurs des MSCI Europe um 47 Prozent gesunken. Bereinigt um die Dividenden sind es immer noch 37 Prozent. Infolgedessen hätte sich der Anteil Europas im MSCI World in den letzten zwei Jahrzehnten fast halbiert - von knapp über 30 auf 17 Prozent.
Europas Aktien haben ein niedriges KGV
Die Underperformance Europas führen die Studienmacher zum
Teil auf gesunkene Bewertungen zurück. Europas 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis
(KGV) liegt im Vergleich zu dem globaler Aktien laut BofA um etwa fünf Prozent
unter dem Niveau von Ende 2000 und das 12-Monats-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
ist im Vergleich zu dem globaler Aktien in den letzten 20 Jahren um etwa 40
Prozent gesunken. Der größte Teil der Underperformance ist laut Raedler und
Pearce aber auf ein geringeres EPS-Wachstum zurückzuführen.
Die Gewinne der europäischen Unternehmen sind niedrig
Die relative EPS-Performance Europas liege zum Teil in der schwachen Performance der europäischen Wirtschaft im Vergleich zu den globalen Wettbewerbern. „Das europäische BIP ist in den letzten zwei Jahrzehnten um etwa 90 Prozent gestiegen, während das globale BIP im gleichen Zeitraum um etwa 160 Prozent zugenommen hat. Infolgedessen ist laut BofA der Anteil Europas am globalen BIP von 30 auf 22 Prozent gesunken. Diese relative Schwäche der europäischen Wirtschaftsleistung hätte auch zu einer breiten Underperformance der europäischen Aktienkurse auf Sektorbasis geführt. In 17 von 21 Sektoren des europäischen Aktienmarktes sind die Aktienkurse laut der Studie in den letzten 20 Jahren im Vergleich zu den globalen Wettbewerbern gesunken.
In Europa gibt es zu wenig Unternehmen in Zukunftsbranchen
Zusätzlich zu dieser Belastung hat Europa laut Raedler und Pearce unter einem ungünstigen Sektorexposure gelitten. „Die größten europäischen Sektoren, die vor 20 Jahren übergewichtet waren - Energie und Banken - haben seither eine der schlechtesten EPS-Performances gezeigt (über 80% Rückgang bzw. marginal positiv), während der größte Sektor, der vor zwei Jahrzehnten untergewichtet war - Software und Dienstleistungen - einen der größten EPS-Zuwächse (über 500%) verzeichnen konnte.“
Europas Aktien werden auch in Zukunft schwach bleiben
Das BofA-Duo geht davon aus, dass Europa auch in der Zukunft
underperformen wird Als Gründe nennen sie etwa die demografische Entwicklung. Sie
sei eine zentrale Herausforderung und belaste das Trendwachstum, das in vielen
europäischen Ländern kaum positiv ist. Hinzu kämen strukturelle Defizite in
Europas Wirtschaft, die aus einer suboptimalen Währungsunion und einem
relativen Mangel an fiskalischer Unterstützung resultierten. „Infolgedessen
deuten die längerfristigen Prognosen des IWF darauf hin, dass der Anteil
Europas am globalen BIP in den kommenden Jahren weiter sinken wird“,
so die BofA Experten weiter.
Europa leidet am schwachen inländischen
Wachstum
Und dies liegt laut der Studie am schwachen inländischen Wachstum und Europas prozyklische Sektorenzusammensetzung. Daher könne das europäische EPS typischerweise nur in Zeiten starken globalen Wirtschaftswachstums (mit einem globalen nominalen BIP-Wachstum von mehr als 6%) überdurchschnittlich gut abschneiden. Aber das globale Wachstum verlangsamt sich laut Raedler und Pearce jedoch strukturell aufgrund des geringen Produktivitätswachstums, des geringeren Bevölkerungswachstums, der alternden Gesellschaften und des zunehmenden Drucks durch De-Globalisierung und Klimawandel. „Oxford Economics erwartet, dass das globale BIP-Wachstum in den kommenden Jahrzehnten durchschnittlich knapp unter fünf Prozent liegen wird - eine leichte Verbesserung im Vergleich zu den unter vier Prozent in den 2010er Jahren, aber langsamer als die sechs Prozent in den 2000er und fünf Prozent in den 1990er Jahren“, so BofA. Entscheidend sei jedoch, dass dies auch unter der 6-Prozent-Marke liege, die typischerweise mit einer nachhaltigen EPS-Outperformance für Europa verbunden sei.
Europas Aktien werden auch in den kommenden 20 Jahren underperformen
Das Fazit von Raedler und Pearce lautet: „Als Folge des mangelnden Exponierung Europas in wachstumsstarken Sektoren sind die relativen langfristigen EPS-Wachstumsprognosen weiter auf ein Allzeittief gesunken, was die Aussichten trübt, dass die sich in den letzten 20 Jahren verändernde europäische Sektorenzusammensetzung die Belastung durch ein schwaches inländisches makroökonomisches Umfeld ausgleichen wird.“
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