Metzler: EZB mit neuen Lockerungsübungen

Marktausblick

Der für die europäische Wirtschaft zuständige Fitnesstrainer Mario Draghi dürfte mit der derzeitigen Kondition seines Schützlings nicht zufrieden sein. Die Fitnesswerte verschlechterten sich in den vergangenen Monaten merklich.

04.03.2019 | 10:23 Uhr

Die EZB könnte auf ihrer Sitzung am Donnerstag neue Lockerungsübungen für die europäische Wirtschaft beschließen, indem sie die Banken wieder mit langfristigen Refinanzierungsgeschäften (TLTRO) unterstützt und den angekündigten Zeitpunkt der ersten Leitzinserhöhung verschiebt (Forward Guidance).

Immerhin gibt es schon erste Anzeichen einer Stabilisierung der Konjunkturdaten, wie der Einkaufsmanagerindex des Dienstleistungssektors (Dienstag) und ein möglicher Anstieg der deutschen Auftragseingänge (Freitag) zeigen dürften.

USA: Droht ein schwacher Arbeitsmarktbericht?

Die wöchentlichen Erstanträge zur Arbeitslosenhilfe in den USA stiegen zuletzt erkennbar an, was sicherlich größtenteils auf den „Government Shutdown“ zurückzuführen ist. Seit Ende des Shutdowns sind die Erstanträge jedoch nicht auf das Vorniveau gefallen, was eine Abschwächung des Arbeitsmarktes (Freitag) signalisieren könnte. Die US-Notenbank würde sich damit in ihrer abwartenden Haltung bestätigt fühlen. Darüber hinaus werden noch der ISM-Index für den Dienstleistungssektor (Dienstag), die Neubauverkäufe (Dienstag) und die Baugenehmigungen (Freitag) veröffentlicht.

Es gibt Stimmen, die behaupten, dass USNotenbankpräsident Powell einen größeren Wert auf eine qualitative Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung legt – wie im Beige Book (Mittwoch) veröffentlicht –, da er kein ausgebildeter Volkswirt wie seine Vorgänger ist. Diese orientierten sich hauptsächlich an quantitativen Kriterien und Modellergebnissen.

Könnte Osteuropa zu einem Frühindikator für die Inflation werden?
In den drei zentralosteuropäischen Ländern (ZOE) Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik steigen die Löhne schon seit 2016 merklich. Damit einhergehend beschleunigte sich die Wachstumsrate der Lohn-
stückkosten schon Ende 2016 bis auf 3,7 % und im dritten Quartal 2018 sogar auf 4,7 %. Interessanterweise stieg die Inflation nur im Jahr 2016, und zwar von etwa 0 % auf etwa 2,0 %, und tendiert seitdem mehr oder weniger seitwärts.

Niedrige Inflation

Steigen die Kosten schneller als die Preise, kann das bedeuten, dass die Unternehmen keine Preiserhöhun- gen durchsetzen können. Daher müssen sie ihre Gewinnmargen reduzieren, was die Daten für die Ge- samtwirtschaft (an der Börse notierte Unternehmen, Staatsunternehmen und sonstige Unternehmen) seit 2016 auch zeigen.

Fallende Gewinnmargen

Solange die Nachfrage robust bleibt, werden die Unternehmen keine Mitarbeiter entlassen können, um ihre Gewinnmargen wieder zu reparieren. Ihnen bleibt also nur die Preiserhöhung. Dabei ist es jedoch unklar, wann die Schmerzgrenze erreicht ist. Die Vermutung liegt nahe, dass die Unternehmen erst einmal abwarten werden, ob der gegenwärtige Abschwung der Weltwirtschaft in eine Rezession mündet oder ob sich das Wachstum wieder stabilisieren kann. Sollten sich im Jahresverlauf die Anzeichen einer Wachstumsbelebung mehren, dürfte für viele Unternehmen der Zeitpunkt für Preiserhöhungen gekommen sein. Die spannende Frage wird dann sein, ob es auch in anderen Regionen abwartende Unternehmen gibt, die nur auf ein Signal gewartet haben, ihre eigenen Preise anzuheben.
Die Inflationsentwicklung der vergangenen Jahre in allen Regionen ist nur schwer mit den traditionellen Ansätzen zu erklären. Die demografische Entwicklung als ein struktureller Faktor könnte bewirken, dass die Inflation lange auf sehr niedrigen Niveaus verharrt. Es ist daher unklar, inwieweit zyklische Faktoren tatsächlich für höhere Inflationsraten in den kommenden Monaten sorgen können – selbst bei einer konjunkturellen Trendwende der Weltwirtschaft.

Wo es in Europa noch Zinsen gibt

In einem der vergangenen Wochenausblicke haben wir gezeigt, dass der Spielraum der EZB für Leitzinserhöhungen aufgrund der hohen Staatsverschuldung etlicher Länder der Euro-Zone begrenzt ist. Unter der Annahme einer stabilen Inflation von 2,0 % und einer stabilen Staatsverschuldung wird die EZB auf Basis unserer Modellschätzungen den Leitzins mittelfristig bestenfalls auf 1,0 % anheben können. Auch der Inflationsausblick ist mit Unsicherheit behaftet, da die demografische Entwicklung für eine in der Zukunft strukturell niedrige Inflationsrate sorgen könnte. Das Risiko einer länger anhaltenden Niedrigzinsphase ist somit nicht von der Hand zu weisen. Anleger sind somit gezwungen, höhere Risiken einzugehen, um der Zinsfalle zu entkommen.

Nachrangoder Hybridanleihen sind dabei eine Möglichkeit. So boten Nachranganleihen von Finanzinstituten1 mit einem Investment-Grade-Rating Ende Februar eine Rendite von etwa 2,5 % und von NichtFinanzinstituten2 von etwa 3,1 %. Die hohe Risikoprämie von Nachranganleihen hängt damit zusammen, dass sie in der Kapitalstruktur von Unternehmen zwischen dem Eigenkapital (Aktie) und den unbesicherten Senioranleihen stehen und von den Ratingagenturen und Analysten im Regelfall zu 50 % dem Fremdkapital und zu 50 % dem Eigenkapital zugerechnet werden. Obwohl Finanzinstitute oft eine kompliziertere Kapitalstruktur haben, sind die Eigenschaften ihrer Nachranganleihen (Tier 2) im Wesentlichen vergleichbar mit denen der Nicht-Finanzinstitute – vor allem seit Einführung der Bail-in-Regeln. Es ist der Regelfall, dass die Ratingagenturen die Nachranganleihen zwei Stufen niedriger bewerten als das Emittenten-Rating, das heißt, ein Emittent muss mindestens ein Rating von BBB+ haben, damit seine Nachranganleihen noch Investment-GradeNiveau haben.
Eine Besonderheit von Nachranganleihen ist, dass sie eine sehr lange Laufzeit haben, aber schon früher von dem Emittenten zurückgezahlt werden können (sog. Call-Termine). Der Emittent kann somit in Krisenzeiten auf einen „Call“ der Anleihe verzichten und hat damit mehr Finanzmittel zur Verfügung. Der Coupon ist dabei bis zum ersten Call-Termin fix und wird im Falle eines „Nicht-Calls“ abhängig von den Anleihebedingungen neu festgesetzt.

Neben dem größeren Verlustrisiko bei einem Kreditausfall gegenüber einer Senior-Anleihe besteht somit auch das Risiko, das sich die erwartete Laufzeit einer Nachranganleihe ungewollt verlängert. Darüber hinaus kann ein Emittent aus dem Nichtfinanzund Versicherungssektor unter bestimmten Bedingungen die Couponzahlung aussetzen und auf einen späteren Zeitpunkt verschieben, ohne damit einen Konkurs auszulösen. Für Tier-2-Banknachranganleihen gilt dies jedoch nicht. Erfahrungsgemäß haben Unternehmen jedoch einen starken Anreiz, den ersten Call-Termin wahrzunehmen und den Coupon pünktlich zu bezahlen, da ansonsten ein Reputationsschaden drohen könnte.

Ein Blick auf die historischen Risikoeigenschaften von Nachranganleihen im Vergleich zu Aktien und SeniorAnleihen zeigt: Die Volatilität von Nachranganleihen fiel in ruhigen Finanzmarktphasen oft auf das sehr niedrige Niveau der Senior-Anleihen; in turbulenten Phasen jedoch sprang sie deutlich an, blieb aber zumeist deutlich geringer als die Volatilität von Aktien. In der größten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg 2008/09 stieg die Volatilität von Nachranganleihen auf über 20 %, während die Volatilität von Aktien bei über 30 % lag. Nachranganleihen verloren von September 2008 bis April 2009 über 23 %. In einer „normalen“ Rezession wie 2011/12 stieg die Volatilität von Nachranganleihen auf etwas über 10 %, und der Verlust lag von August bis Dezember 2011 bei etwa -9,1 %. Das zeigt deutlich den hybriden Charakter der Nachranganleihen.

Es ist ein interessantes Phänomen, dass Nachranganleihen recht schnell ihre Verluste in der Vergangenheit wieder aufgeholt haben. Schon Ende Juli 2009 erreichte der Total-Return-Index wieder den Wert zum Zeitpunkt vor der Pleite von Lehman Brothers Ende August 2008. Sicherlich lieferte damals der Rückgang des allgemeinen Zinsniveaus einen großen Performancebeitrag, aber auch in der aktuellen Niedrigzinsphase scheint es, dass sich Kursrückgänge schnell wieder aufholen lassen. So erreichte der Total-Return-Index Ende Januar 2018 einen Hochpunkt, erlitt dann bis Ende November 2018 einen Verlust von mehr als 4 % – und dieser Verlust wird voraussichtlich schon wieder im März 2019 aufgeholt sein. Ende Februar lag der Total-Return-Index nur noch 0,4 % unterhalb des Hochpunkts. Seit 2004 entwickelten sich Nachranganleihen somit solide mit einem Wertzuwachs von durchschnittlich 5,3 % p.a.

Derzeit beträgt das ausstehende Volumen an Nachranganleihen aus dem Finanzsektor (Tier 2) und dem Nicht-Finanzsektor insgesamt etwa 300 Mrd. EUR. Die Markttiefe ist daher verglichen mit dem Markt für Senior-Anleihen noch gering, aber sowohl zahlreiche Emittenten als auch viele Anleger signalisieren derzeit ein großes Interesse, sodass sich dieses Marktsegment in den kommenden Jahren weiterentwickeln dürfte.

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