Columbia Threadneedle: Eine gute, alte Schwellenländerkrise

Schwellenländeranleihen

Angesichts des jüngsten Wertverfalls der türkischen Lira haben Anleger ihre Aufmerksamkeit erneut auf die Schwellenländer gerichtet. Der Wertverlust der türkischen Währung weist alle Merkmale für eine ganz traditionelle Schwellenländerkrise auf.

12.11.2018 | 11:12 Uhr

Eine protektionistische US-Handelspolitik wird asiatischen und anderen Schwellenländern schaden, die am stärksten von den globalen Handelsströmen abhängen. Die derzeitigen Währungsprobleme der Türkei dürften dagegen
kaum auf andere Schwellenländer überschwappen, nicht zuletzt, weil sich die Leistungsbilanzen der Länder in den letzten Jahren tendenziell verbessert haben.

Klassische Schwellenländerkrisen

Eine Schwellenländerkrise tritt in der Regel dann ein, wenn sich ein Land durch eine übermäßige Kreditaufnahme überschuldet und dadurch ein massives Leistungsbilanz- oder Haushaltsdefizit aufbaut. Meistens wächst in einem solchen Land die Wirtschaft schneller als dies eigentlich gerechtfertigt wäre, und damit steigt auch die Kreditschöpfung, meistens in US-Dollar. Wenn dann die Märkte angesichts des Schuldenbergs nervös werden und bezweifeln, ob das Land diese Schulden auch finanzieren kann, dann wollen sie sich aus dem Land zurückziehen. Die negativen Folgen schlagen sich dann als Erstes in der Währung nieder. Irgendwann fallen die Preise für Vermögenswerte so weit, dass der Markt einbricht – und in der Regel gibt es dafür einen Auslöser. Beispielsweise betrachten viele den Zusammenbruch von Lehman Brothers im Jahr 2008 als den Beginn der globalen Finanzkrise.

Turbulenzen in der Türkei

Die Türkei hat ein Leistungsbilanzdefizit von rund 5,5 Prozent des BIP, daraus ergibt sich ein jährlicher Finanzierungsbedarf von rund 60 Milliarden US-Dollar. Anleger machten sich nicht nur über die Höhe der Schulden Sorgen, sondern auch über die Äußerungen der türkischen Regierung, die zudem auch einige unorthodoxe wirtschaftspolitische Maßnahmen in die Wege leitete. Großbritannien weist zwar auch ein erhebliches Leistungsbilanzdefizit auf, dieses wird jedoch durch Investitionen aus dem Ausland finanziert. Das Leistungsbilanzdefizit der Türkei wird dagegen hauptsächlich durch Portfoliozuflüsse, internationalen Handel und Kreditaufnahme finanziert. Damit ist das Land stark von den Bedingungen an den Finanzmärkten abhängig.

Da die Anleger immer weniger glauben, dass die Türkei das Defizit bewältigen kann, und sich die Regierung außerdem weigert, die Zinsen zu erhöhen, um dem Verfall der Lira Einhalt zu gebieten, ist es nur allzu verständlich, dass sich die Anleger angesichts der zunehmenden Drohungen einer Erhebung von Handelszöllen aus dem Land zurückgezogen haben. Verstärkt wurde dies noch durch die Massenentlassungen in den türkischen Behörden. Dies hat ihrer Glaubwürdigkeit massiv geschadet, denn Schatz- und Finanzminister der Türkei ist Berat Albayrak – der Schwiegersohn von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan!
Die Gefahr, die von US-Präsident Trump für die Handelspolitik ausgeht, mag neu sein, die Lage in der Türkei ist es dagegen keineswegs. Man denke nur an frühere Schwellenländerkrisen wie das „Taper Tantrum“, die Asien-Krise und die „Fragilen Fünf“. Bei diesen Ereignissen haben die Anleger das Vertrauen in die Wirtschaftspolitik eines Landes verloren und damit die Währung unter Druck gesetzt, was zu einer Abwertung führte.

In der Vergangenheit wurden derartige Probleme kurzfristig durch Maßnahmen zur Verbesserung der Glaubwürdigkeit gelöst, beispielsweise durch geldpolitische Schritte oder haushaltspolitische Initiativen. Die Türkei hat dagegen weitgehend an ihrer politischen Richtung festgehalten und auch den IWF nicht um Hilfe gebeten. Daher dürfte die türkische Lira auch zukünftig immer wieder unter Beschuss geraten, und es könnte in den kommenden Monaten zu einer erneuten Krise kommen.

Begrenztes Ansteckungsrisiko

Aber nicht nur in der Türkei ist die Lage unruhig, auch Argentinien hat mit einem schwindenden Vertrauen in seine Währung zu kämpfen. Die jüngste Folge war der Rücktritt des Chefs der Zentralbank.

Das Wirtschaftswachstum Argentiniens ist somit zwar gefährdet, wir sehen aber kaum Ansteckungsrisiken. Auch die brasilianische Wirtschaft ist in einer relativ guten Verfassung. Das Leistungsbilanzdefizit ist sehr gering und wird durch ausländische Direktinvestitionen finanziert. In unserem Basisszenario gehen wir davon aus, dass die momentane Phase der US-Dollar-Stärke nicht mehr allzu lange andauern dürfte. Sobald sich die Märkte wieder auf die Haushaltslage der USA konzentrieren, wird der US-Dollar an Wert verlieren. Sofern es zu keinen größeren politischen Fehlentscheidungen kommt, die zugegebenermaßen in Schwellenländern wahrscheinlicher sind als in Industrieländern, dann scheinen aktuell keine Schwellenländer am Rande des Abgrunds zu stehen.

Das Problem mit Handelskriegen

Die Krise in der Türkei ist zwar typisch für Schwellenländer, das heißt jedoch nicht, dass der Welthandel keinen Anlass zur Sorge gibt. Schätzungen einiger Analysten zufolge wird der Handelskrieg das globale BIP um 1 Prozent bis 2,3 Prozent schmälern. Einige Experten gehen auch davon aus, dass die US-Notenbank als Reaktion auf die Zölle die Zinszügel rascher anziehen wird. Die Auswirkung eines Handelskriegs auf einzelne Länder lässt sich jedoch kaum vorhersagen – nicht zuletzt, weil wir noch nicht wissen, wie weit die US-Regierung in ihren protektionistischen Bestrebungen gehen wird.

Trotzdem stehen Asien und Schwellenländer wie China, Mexiko, Kolumbien, Malaysia, Korea und Thailand, die der Gefahr durch die protektionistische Politik von US-Präsident Trump ausgesetzt sind, vor großen Herausforderungen. Zölle werden nichts nützen, denn viele Schwellenländer hängen ökonomisch generell von Rohstoffen, Deviseneinnahmen oder Halbfertigprodukten ab und sind somit sehr stark an globalen Handelsströmen beteiligt. Sollte sich der Welthandel abschwächen, dann werden einige dieser Volkswirtschaften unweigerlich unverhältnismäßig stark unter Druck geraten.

Mehr Informationen:

http://www.columbiathreadneedle.de/de/insights/?it=Intermediary
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