Anlagen im Bereich Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) haben ein schwieriges Jahr hinter sich, in dem die zunehmende Kontrolle durch die Aufsichtsbehörden und die schwankende Wertentwicklung für heftige Diskussionen gesorgt haben.
10.02.2023 | 12:10 Uhr
Auch wenn die Turbulenzen, die mit schnellen Veränderungen
einhergehen, beunruhigend sein können, begrüßen wir sie als ein Zeichen
dafür, dass nachhaltiges Investieren erwachsen wird.
Wir sehen die jüngsten Herausforderungen als Chance für
Interessengruppen, gemeinsam das Regelwerk für ESG-Investitionen zu
erarbeiten: Entwicklung und Einhaltung von Vorschriften, Einigung auf
eine gemeinsame Taxonomie und Terminologie und Schaffung verschiedener
ESG-fokussierter Ertragsströme.
Die im Hinblick auf ESG-Investitionen gestellten Fragen sind ernst zu
nehmen. Für einige Manager war es ein Leichtes, die ESG-Integration zu
betonen – ein Begriff, der sehr großzügig interpretiert werden konnte.
Und es war ebenso einfach, die ESG-Fähigkeiten und -Referenzen zu hoch
anzusetzen.
Das ist jetzt vorbei. Seit 2021 gibt es eine Vielzahl von Vorschriften,
die „Greenwashing“, also Grünfärberei, bekämpfen und den Anlegern
helfen sollen, sich in einer immer komplexeren Produktlandschaft
zurechtzufinden. Für Vermögensverwalter kann es eine Herausforderung
sein, die unterschiedlichen Offenlegungs- und
Berichterstattungsanforderungen der verschiedenen Regionen und Länder zu
erfüllen. Letzten Endes haben diese Vorschriften jedoch ein gemeinsames
Ziel: Vermögensverwalter sollten das tun, was sie vorgeben zu tun – und
dabei vollkommen transparent sein. Das bedeutet, dass sie ihre
ESG-Ziele klar formulieren, strenge, verlässliche Anlagerahmen
entwickeln und offenlegen müssen, die diese Ziele unterstützen, und
ihren Kunden umfassend über die Fortschritte bei der Erreichung dieser
Ziele berichten.
Klare Definitionen und transparente Offenlegung sind unerlässlich.
Vermögenseigner und -verwalter müssen mit Aufsichtsbehörden und
politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um Unklarheiten bei
der Definition von ESG-Integration und anderen verantwortungsvollen
Anlagemethoden zu beseitigen.
Zunächst müssen wir zwischen ESG-integrierten Strategien und
ESG-fokussierten Strategien unterscheiden. Die Integration von ESG
beinhaltet die Identifizierung finanziell wesentlicher ESG-Themen und
die anschließende Untersuchung und Bewertung ihrer Auswirkungen auf
Geschäfts- und Finanzkennzahlen wie Umsätze, Gewinnspannen, Cashflows,
Bewertungen und Kapitalkosten. Die Anleger müssen dann feststellen, ob
die damit verbundenen Risiken und Chancen in die Bewertung des
Emittenten eingepreist wurden.
ESG-fokussierte Strategien gehen über die ESG-Integration hinaus: Sie
haben spezifische ESG-Ziele oder -Themen wie zum Beispiel die
Konzentration auf Emittenten mit verbesserten ESG-Praktiken oder die
Investition in Unternehmen, die Lösungen für den Klimaschutz anbieten,
zusätzlich zur Optimierung von Risiko und Ertrag. Die
Regulierungsbehörden sind bestrebt, die unterschiedlichen Ansätze für
ESG-fokussierte Strategien – beispielsweise Ausschluss, Best-of-Class,
thematisches Investieren, nachhaltiges Investieren und
wirkungsorientiertes Investieren – in einer gemeinsamen Taxonomie zu
organisieren.
Wir glauben, dass ESG-integrierte Portfolios einen rigorosen Ansatz
verfolgen sollten. Investmentteams können damit beginnen, wesentliche
ESG-Risiken und -Chancen zu identifizieren und zu bewerten, um
Anlageideen zu entwickeln. Anschließend sollten die Analysten mit
eigenen und externen Instrumenten, Daten und Research ausgestattet
werden, die es ihnen ermöglichen, ein umfassenderes Verständnis der
ESG-Risikomerkmale und Chancen eines Emittenten, Sektors oder Portfolios
zu entwickeln.
Um diese Aufgaben effektiv zu erfüllen, müssen die Portfolio-Teams
mehrere Perspektiven einnehmen. Analysten sollten sich häufig mit
Führungskräften öffentlicher und privater Unternehmen und
nicht-öffentlicher Einrichtungen treffen, um spezifische ESG-Themen zu
diskutieren. Auf der Grundlage der Erkenntnisse aus diesen Treffen
sollten die Anlageteams ESG-Faktoren in ihre Anlageentscheidungen
einbeziehen.
Und eine echte ESG-Integration hört nicht auf, nachdem eine
Anlageentscheidung getroffen wurde. Fondsmanager sollten Emittenten
weiterhin beobachten und mit Regulierungsbehörden und politischen
Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um Unklarheiten bei der
Definition von ESG-Integration zu beseitigen.
Dieser umfassendere Ansatz schärft den Blick des Fondsmanagers für
die finanziellen Perspektiven eines jeden Wertpapiers. Grundsätzlich
geht es bei der Integration von ESG-Überlegungen in den Anlageprozess um
eine bessere Risikobewertung in der Erwartung, bessere risikobereinigte
Erträge zu erzielen.
Wenn ein Portfolio beispielsweise erwägt, in ein Industrieunternehmen zu
investieren, dessen Fabriken viel CO2 ausstoßen, was bedeutet das dann
für das Unternehmen und den Ertrag, den die Anleger erzielen? Das
Investitionsteam muss die Auswirkungen potenzieller CO2-Steuern oder
Vorschriften zur Umweltverschmutzung auf den künftigen
Investitionsbedarf des Unternehmens oder die Auswirkungen auf den
Marktanteil eines Wettbewerbers, der einen umweltfreundlicheren
Ersatzstoff entwickelt, untersuchen und berücksichtigen.
Wir sehen die ESG-Integration einfach als besser informiertes
Investieren. Während sich jedoch nur wenige Anleger gegen
ESG-integrierte Strategien aussprechen würden, teilt nicht jeder den
Wunsch nach ESG-fokussierten Strategien.
Anleger, die ESG-fokussierte Strategien in Erwägung ziehen, wollen
sicher sein, dass sie keine Einbußen beim Ertragspotenzial hinnehmen
müssen. In der Tat ist die historische Korrelation zwischen
ESG-Investitionen und Alpha-Generierung relativ kurz und bisher nur
punktuell.
ESG-fokussierte Portfolios haben in den letzten Jahren in der Regel
besser abgeschnitten als der breite Markt, vor allem weil viele von
ihnen großkapitalisierte Wachstumswerte übergewichtet haben. Doch im
Jahr 2022, als Technologieaktien einbrachen und fossile Brennstoffe
zulegten, schnitten viele ESG-Portfolios schlechter ab.
Für uns ist das ein Hinweis auf die Notwendigkeit, ergänzende
ESG-Strategien zu entwickeln, die sich nicht auf eine einzige
Beta-Quelle stützen. Wie bei jeder Vermögensallokation sollten Anleger
eine Vielzahl von Aktienstilen, alternativen Anlagen und Anleihen in
Betracht ziehen, um ESG-fokussierte Erträge zu diversifizieren. Darüber
hinaus sollten Anleger nicht nur in Unternehmen investieren, denn auch
Staatsanleihen sowie reale und verbriefte Vermögenswerte können
ESG-Faktoren enthalten.
In einer Zeit, in der sich Vorschriften, Verbraucherpräferenzen und
Wettbewerbsbedingungen ändern, müssen sich Vermögensverwalter weiterhin
konstruktiv an Gesprächen über Ideen beteiligen, die für
verantwortungsbewusstes Investieren von grundlegender Bedeutung sind:
Vorschriften, allgemeiner Sprachgebrauch, robuste Regelwerke,
differenzierte Erträge und mehr.
Vom Klimawandel über Zwangsarbeit bis hin zu Diskriminierung und
Diversität stellen ESG-Faktoren wesentliche Investitionsrisiken und
-chancen dar, die die Schaffung von langfristigem Aktionärswert hemmen
oder fördern können. Deshalb glauben wir, dass das beste Gegenmittel
gegen ESG-Herausforderungen – und der beste Weg, den langfristigen
Erfolg unserer Kunden zu sichern – ein durchdachter, auf finanzieller
Signifikanz basierender Ansatz ist.
In diesem Dokument zum Ausdruck gebrachte Meinungen stellen keine Analysen, Anlageberatungen oder Handelsempfehlungen dar, spiegeln nicht unbedingt die Ansichten aller Portfoliomanagementteams bei AB wider und können von Zeit zu Zeit überarbeitet werden.
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