StarCapital: In der Zins- und Schuldenfalle

Zinsen

An den Märkten regiert ein Mix von Unsicherheitsfaktoren: Handelskrieg, Staatsverschuldung und fortsetzende Zinsdürre. Das schafft auf der anderen Seite Raum enormes Kurspotential.

19.04.2018 | 13:07 Uhr

Vor zehn Jahren, im Herbst 2008, kam es zu einer verheerenden Finanzkrise, die das Bankensystem an den Abgrund führte und die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzte. Auslöser war das Platzen der amerikanischen Immobilienblase, verursacht durch zu viele faule Kredite (Subprime). Diese Krise wurde durch ein beherztes Eingreifen der internationalen Notenbanken eingedämmt, die die Märkte mit Liquidität fl uteten und die Zinsen gegen null drückten. Den Regierungen wurde so Zeit gekauft, um durch einschneidende Reformen ihre Schuldenprobleme zu lösen und ihr Finanzsystem zu sanieren.

Diese Zeit wurde nicht genutzt. Im Gegenteil, die niedrigen Zinsen führten dazu, den Schuldenexzess noch weiter anzufachen. Vor allem die Staatsverschuldung hat sich weltweit in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Begünstigt wurde dies dadurch, dass die großen Notenbanken mehr oder weniger offen dazu übergegangen sind, Staatsfi nanzierung zu betreiben. So hat etwa die japanische Zentralbank innerhalb weniger Jahre 40 % der gesamten Staatsschulden von Nippon aufgekauft. Noch nie war die Verschuldung in Friedenszeit größer als heute – absolut sowieso, doch auch im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. Bei der Unternehmensverschuldung sieht es nicht viel besser aus.


Schuldendynamik ist ungebrochen – Schulden nach Sektoren in Billionen Dollar

Schuldendynamik

Quelle: IIF Daten per Q3 2017; FAZ, 05.01.2018


Dies wäre alles kein Problem, wenn sich die Phase rekordtiefer Zinsen nicht ihrem Ende zuneigen würde. So hat die amerikanische Notenbank inzwischen bereits mehrfach ihre Geldmarktsätze erhöht und weitere Zinsschritte angekündigt. Außerdem hat sie damit begonnen, dem Markt Liquidität zu entziehen, indem sie einen Teil der auslaufenden Staatsanleihen nicht mehr durch neue Käufe ersetzt. Dies ist brandgefährlich, denn die Zentralbanken sitzen in der Zinsfalle!


Dies liegt daran, dass das Schuldenproblem elegant eigentlich nur noch über eine Finanzrepression in den Griff zu bekommen ist. Indem man die Zinsen unter den Inflationsraten hält, sinkt der reale Wert der Schulden. Der Schuldenberg wird im Zeitverlauf durch die Geldentwertung abgetragen. Sehr schön sieht man das in Deutschland. Hier ist die Inflationsrate im März erneut angestiegen, von 1,4 auf 1,6 %, während die Rendite zweijähriger Bundesanleihen bei minus 0,625 % verharrt. Die reale Schuldenlast des Staates sinkt also jährlich um über 2 %!


Was für verheerende Folgen ein Zinsanstieg haben kann, sieht man am besten in Japan, wo die Staatsverschuldung inzwischen auf 200 % der jährlichen Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Auch der neue Staatshaushalt sieht wieder Rekordausgaben in Höhe von 744 Mrd. Euro vor, die zu 34,5 % mit neuen Schulden finanziert werden müssen. Obwohl das Land seit fast zwanzig Jahren quasi eine Nullzinspolitik betreibt, geht fast ein Viertel der Staatsausgaben für den Schuldendienst drauf. Man kann sich vorstellten, was passieren würde, wenn die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen auch nur von derzeit 0 auf 2 % ansteigen würden.


Doch nun zur Situation in den USA. Hier kam es wie von uns prognostiziert, in den letzten Monaten zu einem starken Zinsanstieg – vor allem im kurzen Bereich. T-Bonds mit einer Restlaufzeit von zwei Jahren rentieren aktuell mit 2,27 % und damit erstmals seit Jahren über der Inflationsrate von 2,2 %. Das ist prekär! Denn zum einen wird die Staatsverschuldung deutlich durch neue Zwillingsdefizite (Steuersenkungen, Infrastrukturprogramme) weiter steigen. Zum anderen sind durch einen Zinsanstieg zahlreiche „Zombieunternehmen“ in ihrer Existenz gefährdet. Das sind Firmen, deren Geschäftsmodell nicht tragfähig ist und die sich nur durch die niedrigen Kosten für ihren Schuldendienst noch über Wasser halten können. Dass die Marktteilnehmer dies richtig einordnen, sieht man unter anderem daran, dass sich die Zinsstrukturkurve abflacht und die Konjunkturerwartungen zurückgehen.


Fazit: Schuldenexzesse lassen sich nicht beliebig fortsetzen. Irgendwann ist das Fass voll und von diesem Zeitpunkt sind wir nicht mehr allzu weit entfernt. Wenn sich die Notenbanken durch eine restriktivere Politik der Möglichkeit der Finanzrepression berauben, ist die nächste Finanzkrise nicht mehr weit entfernt. Wir können also nur hoffen, dass die Inflationsraten steigen und die Chefs der Notenbanken ein Einsehen haben und es mit den Zinssteigerungen nicht zu toll treiben.


Wir werden oft gefragt, ob es nicht noch andere Wege gibt, die Schuldenkrise zu überwinden. Doch, die gibt es. Die Notenbanken könnten beispielsweise auf eine Zinszahlung und Tilgung der von ihnen erworbenen Staatsanleihen verzichten. Dies muss nicht unbedingt über Abschreibungen geschehen, die die Eigenkapitalquote der Zentralbanken drastisch ins Minus befördern würde. Man könnte auch die Zinszahlungen aussetzen und die Laufzeit auf „ewig“ verlängern. Doch auch dies dürfte das Vertrauen in den Wert unseres Geldes nicht unbedingt stärken.


Ein bekannter Wirtschaftsexperte hat einmal gesagt, dass der Kurs von Bargeld sich auf längere Sicht immer seine inneren Wert annähert. Und der liegt bei null. Vor diesem Hintergrund ist die erstaunliche Entwicklung der Kryptowährungen vielleicht doch rational erklärbar. Während Zentralbanken quasi per Knopfdruck ihr Giralgeld um Billionenbeträge beliebig vermehren können, erfordern Bitcoin & Co wenigstens einen gewissen Aufwand bei der Herstellung – und sie sind nicht beliebig vermehrbar. Insofern ist der Siegeszug der Kryptowährungen auch eine Ohrfeige für unser bisheriges Finanzsystem. Deshalb dürfte das Imperium über kurz oder lang zurückschlagen. Es wäre nicht die erste Innovation, die von unseren Institutionen erfolgreich „zu Tode reguliert“ wird.


Fazit: Ein eskalierender Handelskrieg und die restriktivere US-Notenbankpolitik bergen durchaus die Gefahr nachlassender Konjunkturerwartungen und weiterer Börsenkorrekturen. Diese eher kurz- bis mittelfristigen Entwicklungen stehen jedoch in keinem Verhältnis zu dem enormen Kurspotenzial, das die Aktienmärkte weiter langfristig bieten. Wir werden deshalb nicht zu defensiv agieren und stärkere Rückschläge eher antizyklisch zum weiteren Aufbau von Wertpapierpositionen nutzen. Die Zinsen sind weiter viel zu niedrig, sodass sie keine Alternative zu Aktien bieten.


Mit freundlichen Grüßen

Peter E. Huber 


Den vollständigen "Marktausblick April" finden Sie hier zum Download.

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