Robeco: „Hubschraubergeld” rückt ins Blickfeld

„Hubschraubergeld” taucht auf dem Radar der Notenbanken auf, denen die Instrumente zur Konjunkturförderung ausgehen, sagt Lukas Daalder von Robeco.

10.03.2016 | 09:10 Uhr

In aller Kürze:

• Was den Einsatz von Quantitative Easing (QE) oder weitere Zinssenkungen angeht, könnten den Notenbanken die Optionen ausgehen

• Die Hinweise, dass negative Zinssätze mehr schaden als nützen, nehmen zu

• Geld direkt der Öffentlichkeit zu geben, könnte der nächste Schritt sein

• Das Vertrauen in die Notenbanken wiederherzustellen, ist ebenfalls ein wichtiger Punkt

Nach Jahren mit historisch niedrigen und in einigen Ländern inzwischen sogar negativen Zinssätzen sowie endlosem Quantitative Easing mittels Anleihekäufen ist vielleicht die Zeit gekommen, Geld direkt der Öffentlichkeit zu geben. 

Bildlich gesprochen wird bei einer solch drastischen Maßnahme Geld aus einem Hubschrauber auf die Straße geworfen. In der Realität würde es auf Millionen privater Bankkonten eingezahlt. Neben einer direkten Stimulierung der öffentlichen Ausgaben hätte dies den zusätzlichen Vorteil, dass die ersehnte Inflation in Gang käme oder zumindest eine Deflation abgewendet würde. 

„Der Geldpolitik geht die Puste aus, und vielleicht rückt der Zeitpunkt näher, um der wirtschaftlichen Stagnation mit einer radikaleren Lösung zu begegnen”, meint Daalder, Chief Investment Officer von Robeco Investment Solutions. „Zu versuchen, die Wirtschaft auf dem Weg über die Finanzmärkte zu stimulieren, ist ein recht indirekter Ansatz. Niedrigere Zinssätze und Anleiherenditen haben anscheinend ihre Fähigkeit verloren, die Wirtschaft zu stimulieren, und sind möglicherweise sogar zu einem Teil des Problems geworden.” 

Anleihekäufe verlieren ihre Wirksamkeit„Der Ankauf von noch mehr Anleihen und eine weitere Verschiebung der Zinsstrukturkurve in den negativen Bereich verlieren anscheinend ihre Wirksamkeit, auch wenn das nicht bedeutet, dass den Notenbanken die Optionen ausgehen. Wer eine Notenpresse zur Verfügung hat, kann weit kommen, wenn er bereit ist, den Sprung zu machen.” 

„Eine Option ist, die Wertpapierkäufe auf Real Estate Investment Trusts (REITs) oder Aktien auszuweiten, wie es die japanische Notenbank bereits tut. Eine solche Maßnahme hat zwar den Vorteil, dass sie sich nicht auf die Zinssätze und Renditen auswirkt, ist aber ein wenig effizientes Mittel, um die Konjunktur anzukurbeln.”
„Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg”

„Ein direkterer Weg wäre die unmittelbare Finanzierung von Staatsausgaben oder die Einrichtung und Finanzierung eines Infrastrukturinvestitionsfonds. Am direktesten aber wäre der große Schritt, Geld direkt den Bürgern zu geben, was gemeinhin als ‚Quantitative Easing für das Volk’ oder als ‚Hubschraubergeld’ bezeichnet wird.” 

„Natürlich sind diese Optionen allesamt mit Risiken verbunden und unterliegen (rechtlichen) Beschränkungen. Und sie galten bisher als zu radikal. Angesichts der Gefahr, dass das Vertrauen in die Notenbanken und das gesamte Finanzsystem verloren gehen könnte, und der Alternative, den nächsten Schritt zu machen und Geld bildlich gesprochen aus dem Hubschrauber zu werfen, wird die Entscheidung wahrscheinlich zugunsten der zweiten Option fallen. Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.” 

Fünf Gründe, nicht optimistisch zu sein

Daalder nennt fünf Gründe, warum die bislang verwendeten Instrumente, nämlich QE und negative Zinssätze, nicht mehr lange funktionieren werden:

Ihre Auswirkungen auf die Ertragskraft der Banken: Für Einlagen, die Banken bei der Notenbank unterhalten, Gebühren zu verlangen, wirkt sich negativ auf deren Gewinne aus und beeinträchtigt ihre Fähigkeit, Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben.

Umstieg auf Bargeld: Auf Einlagen von Sparern werden bislang keine negativen Zinssätze angewandt. Sobald wir aber an diesem Punkt ankommen, könnte dies einen unerwünschten Umstieg auf Bargeld auslösen, um die „Steuer” auf die Einlage von Geldern bei Banken zu umgehen.

Das verloren gegangene positive Überraschungsmoment: Die Stimulierungsmaßnahmen wurden bisher von den Finanzmärkten weitgehend unterstützt: durch fallende Wechselkurse, kräftig steigende Aktienkurse und deutlich zunehmende Inflationserwartungen. Sie verlieren aber an Wirkung, und in der jüngeren Vergangenheit ergriffene Maßnahmen haben negative Reaktionen ausgelöst.

Kein Antrieb für die Wirtschaft: Niedrige Zinssätze kurbeln normalerweise den Konsum und die Investitionstätigkeit an. Es ist aber fraglich, ob ein negativer Zinssatz von 0,5% gut für Wachstum und Beschäftigung wäre. Wenn Unternehmen und Verbraucher bei einem Zinssatz von 0% nicht dazu bewegt werden können, mehr Geld auszugeben, dann ist äußerst zweifelhaft, ob sie das bei -0,5% tun werden.

Ermutigung, Schulden zu machen: Niedrigere Zinssätze sind positiv für Verbraucher (niedrigere Hypothekenzinsen), Erzeuger (Margen) und die öffentlichen Haushalte (Defizite). Sie schaffen aber auch einen Anreiz, mehr Schulden zu machen, was in der Zukunft zu Problemen führen wird.

„Diese Argumente weisen anscheinend alle darauf hin, dass die Geldpolitik tatsächlich mit abnehmenden Renditen konfrontiert ist”, konstatiert Daalder. „Die Erfahrungen, die Japan in letzter Zeit mit der Einführung negativer Zinssätze gemacht hat, die freilich ein Stück weit durch die Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten ausgehebelt wurden, sind ein gutes Beispiel dafür, dass eine geringfügige zusätzliche Zinssenkung zu negativen Ergebnissen führen kann.” 

„Angesichts des großen Einflusses, den die Notenbanken – entweder indirekt (indem sie die berühmte ‚Verkaufsoption’ unter dem Aktienmarkt bereitstellen) oder direkt (durch Anleihekäufe) – auf die Entwicklung an den Finanzmärkten haben, ist klar, dass die Frage der Glaubwürdigkeit nicht frei von Risiken ist. Dass in den letzten sechs Monaten alle drei großen Notenbanken Verkaufswellen an den Aktienmärkten ausgelöst haben (die US-Notenbank Fed im September 2015, die EZB im Dezember 2015 und die japanische Notenbank im Februar 2016), trägt auch nicht gerade zur Vertrauensbildung bei. Anscheinend schwindet der Glaube an die Geldpolitik.” 

Die Glaubwürdigkeit der Notenbanken steht auf dem Spiel

Nach Daalders Einschätzung könnten solche negativen Reaktionen die Notenbanken veranlassen, drastische Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Glaubwürdigkeit zu ergreifen: „Wenn die Medizin irgendwann mehr schadet als nützt, entstehen natürlich Zweifel an der Glaubwürdigkeit des eingeschlagenen Kurses, wenn nicht gar an der Notenbankpolitik insgesamt.” 

„Das bedeutet nicht, dass wir auf einen völligen Verlust des Vertrauens in die Notenbanken und das gesamte Finanzsystem zusteuern. Aber das Argument, ‚die Situation wäre viel schlimmer, wenn wir nicht getan hätten, was wir getan haben’, lässt sich solange nicht überprüfen, wie alle dieselben geldpolitischen Instrumente einsetzen. Und es gibt ein paar klare Signale, dass der Ansatz des ‚mehr vom selben’ in Bezug auf seine Effektivität bald das Ende der Fahnenstange erreicht haben wird.” 

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