AXA IM: Finanzmärkte im Fokus der Zentralbanken

In den vergangenen Jahren zeichnen sich durch eine geringe Inflationsrate aus. Die Ursache sieht Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA IM, in der Geldpolitik der Zentralbanken, deren Ziel nicht länger Preisstabilität, sondern die Kontrolle der Finanzmärkte ist.

13.11.2017 | 13:40 Uhr

Die Inflationsraten verharren regelmäßig und fast weltweit unter den Erwartungen - und das trotz der enormen Liquiditätsschwemme der vergangenen zehn Jahre. Die Preise an den Güter- und Arbeitsmärkten verweilen entsprechend hartnäckig im Ruhemodus. Sind die Inflationsziele vor dem Hintergrund der globalisierten Wirtschaft zu hochgesteckt, um sie wirklich erreichen zu können? Franz Wenzel, Anlagestratege für institutionelle Kunden bei AXA Investment Managers (AXA IM) teilt diese These: „Von den Maßnahmen der Zentralenbanken profitieren einzig die verschiedenen Anlageklassen an den globalen Finanzmärkten. Das vorrangige Ziel der Zentralbanken scheint nicht mehr die Preisstabilität, sondern die Kontrolle der Finanzmärkte zu sein.“ Wenzel macht dies anhand der mittlerweile ungenügenden Prognoseverlässlichkeit der herkömmlichen Modelle der Zentralbanken fest.

Veraltete Prognosemodelle

„Notenbanken müssen in ihrer Geldpolitik einen allfälligen Zielkonflikt zwischen Inflation und Konjunkturentwicklung respektive Vollbeschäftigung berücksichtigen, wobei die Preisstabilität das vorrangige Ziel ist. Neben Inflationsmodellen dienen auch Preis-Arbeitsmarkt-Modelle als Entscheidungsgrundlage für die Zins- und Geldpolitik, wie die Phillips-Kurve“, erklärt Wenzel. Dieses in den 1960er-Jahren entwickelte Modell belege – wie auch andere Theorien – scheinbar eine konsistente Beziehung zwischen Inflation und Arbeitslosigkeit: Je geringer die Arbeitslosenquote, desto enger der Arbeitsmarkt und desto schneller stiegen die Löhne. Diese wiederum drückten umgehend die Preise der Dienstleistungen und der Güter nach oben. Dies impliziere, dass Arbeitslosigkeit über tiefe Zinsen bekämpft werden könne.

„Diese Modelle sind nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre kaum noch anwendbar“, findet Wenzel. Zwar wären sie schrittweise modifiziert und an den technologischen Fortschritt angepasst worden. Die effektiven Veränderungen dürften sie aber dennoch nicht genügend berücksichtigen. „Die Welt ist in Bezug auf Warenhandel und Mobilität von höher qualifizierten Arbeitsplätzen in Billiglohnländern deutlich flexibler geworden, und das mit weitreichenden Konsequenzen.“

Billigere Kapazitäten

Am konkreten Beispiel Amerika zeige sich, dass Preissteigerungen kaum durchsetzbar seien, solange im Ausland genügend und billigere Kapazitäten verfügbar wären, um Güter auch für den amerikanischen Markt zu produzieren. „Angebotsengpässe entstehen in entwickelten Volkswirtschaften, die Güter und Dienstleistungen aus günstiger produzierenden Ländern wie etwa Schwellenländern importieren, kaum. Es dürfte wohl auch noch Jahre dauern, bis die globale Wirtschaft an ihre Kapazitätsgrenzen stößt – und es deshalb zu Lohn- und demzufolge auch Preissteigerungen über die verschiedensten Sektoren hinweg kommen kann“, so Wenzel.

Babyboomer: Wenig Konsum, mehr Investionen

Auch die demografische Entwicklung beeinflusse sowohl Preisniveau als auch Finanzmärkte. Die durchschnittliche Lebenserwartung sei in den vergangenen Jahrzehnten weltweit signifikant gestiegen. Vor allem in den Industrieländern sei die Alterung der Bevölkerung eine vielschichtige Herausforderung. „Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer treten nun nach und nach ins Pensionsalter. Sie spielen für die Entwicklung des Preisniveaus und der Finanzmärkte eine wichtige Rolle. Zwar haben sie vom Boom der 90er-Jahre wohl am meisten profitiert, heute aber sehen sie sich mit zunehmenden globalen Unsicherheiten, Sorgen um den Arbeitsplatz sowie steigenden Kosten im Gesundheits- und Vorsorgebereich konfrontiert“, erklärt Wenzel. Die vermögensstarke Generation konsumiere infolgedessen eher weniger und investiere mehr in die Altersvorsorge. „In der Folge erscheinen die eingangs erwähnten niedrigen Inflationszahlen einerseits und die haussierenden Anlagemärkte andererseits plausibel“, so Wenzel weiter.

Finanzmarkt im Fokus

Den Zentralbanken sei all dies durchaus bewusst. In jüngster Zeit vermehre sich die Kritik – auch aus den eigenen Reihen der US-Notenbank: Die herkömmlichen Modelle und deren Prognoseverlässlichkeit seien ungenügend. „Da diese Kritik jedoch kaum Beachtung findet, kann man durchaus mutmaßen, dass das neue übergeordnete Ziel der Notenbanken die Stabilisierung – oder gar Kontrolle – der Finanzmärkte ist. Dieses Ziel scheint auch der Preisstabilität vorangestellt zu werden, unter Ausblendung eigener Zweifel und wenn nötig unter Berufung auf nicht mehr zeitgemäße Modelle“, erläutert Wenzel.

Anlegern rät er, den Äußerungen und dem Verhalten der wichtigsten Zentralbanken weiterhin größte Aufmerksamkeit zu schenken und die verschiedenen Vermögensklassen in den Portfolios entsprechend zu gewichten. Die Zinsen in den entwickelten Volkswirtschaften dürften sich jedenfalls noch für längere Zeit auf sehr niedrigen Niveaus bewegen und lediglich moderat ansteigen.

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