EdR AM: Neue Prognosen für 2019/2020 - Synchronisierung der Weltwirtschaft?

China und die anderen Schwellenländer spüren die sinkenden Exporte in die USA
Konjunktur

Dr. Mathilde Lemoine, Group Chief Economist von Edmond de Rothschild, hat ihre halbjährliche Konjunkturprognose veröffentlicht. Ihre wichtigsten Einschätzungen für 2019 und 2020.

12.06.2019 | 12:11 Uhr

  • Die negativen Auswirkungen der Zollerhöhungen werden sich verstärken, und das globale Wachstum dürfte sich weiter verlangsamen auf 3,3% für das Gesamtjahr 2019
  • Der Rückgang der Exporte in die USA wird sich deutlich auf die chinesische Wirtschaft und die Schwellenländer insgesamt auswirken
  • Aktivismus der Zentralbanken oder eine expansive Fiskalpolitik in der Eurozone könnten die Konjunkturabkühlung bremsen.

Der bereits zu beobachtende Rückgang des Handels zwischen den USA und China und die Verlangsamung des Welthandels dürften sich angesichts der Verschärfung der Handelsspannungen weiter verstärken. Eine Synchronisierung der wichtigsten Volkswirtschaften und die Entscheidung der Zentralbanken, die Liquidität zu erhöhen, könnten das Risiko einer Destabilisierung der Anleihe- und Devisenmärkte paradoxerweise begrenzen.

Unsere Wachstumsprognosen für 2019 haben wir für China auf 6,4% und für die Schwellenländer von 4,8% auf 4,1% gesenkt. Wir rechnen weiterhin mit einem Wachstum von 2,7% in den USA und 1,4% in der Eurozone. Sofern die USA Zölle auf alle Einfuhren aus China erheben, würde das chinesische Wachstum bei sonst gleichen Bedingungen Ende 2019 auf 5,1% sinken. Allerdings würde die Regierung Xi Jinping in dem Fall neue Konjunkturmaßnahmen beschließen.

Andererseits könnte eine Einigung zwischen Donald Trump und Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels, der am 28. und 29. Juni 2019 in Japan stattfinden wird, die nominalen Wachstumserwartungen stützen. Dies hätte aber auch einen massiven Anstieg der Renditen von Staatsanleihen und eine Aufwertung des US-Dollar zur Folge, was wiederum die Aktienindizes belasten würde.

NEGATIVE Auswirkungen des Handelskriegs nehmen zu

Die Verschärfung des von den USA ausgehenden Handelskriegs dürfte den Handel zwischen den USA und China und den Welthandel in einem weit höheren Maße als bisher belasten:

  • Erstens wurden die Zölle erhöht und die Liste der betroffenen Waren erweitert.
  • Zweitens, mit dem Dominoeffekt des „Tax cuts and job Acts“,  dürften sich die Investitionen in den USA weiterhin verlangsamen. Das Land ist nach wie vor der größte Importeur der Welt vor der Europäischen Union und China.
  • Drittens gleicht das chinesische Konjunkturprogramm den Exportrückgang zwar zum Teil aus, ist aber nicht darauf ausgelegt, das Wachstum im Jahr 2019 auf über 6,5% anzuheben. Dies belastet die Nachfrage nach Rohstoffen. Die Schwellenländer leiden daher unter dem neuen Wachstumsziel der chinesischen Regierung von 6% bis 6,5% und nicht mehr rund 6,5%.

China und die anderen Schwellenländer spüren die sinkenden Exporte in die USA

Die chinesischen Exporte in die USA sind zwischen dem vierten Quartal 2018 und dem ersten Quartal 2019 um 30% gesunken. Doch auch die Exporte nach Asien sind anders als Ende 2018 zurückgegangen. Während das chinesische Konjunkturprogramm zu einer Belebung der Infrastrukturinvestitionen geführt hat, sind die Auswirkungen auf den Konsum und die Industrieproduktion nach wie vor gering.

Das chinesische Wachstum könnte sich daher bei rund 6,4% stabilisieren. Dies reicht nicht aus, um die Wirtschaft in den Schwellenländern anzukurbeln. Unternehmen, die Waren in die USA exportieren, dürften somit Schwierigkeiten haben, Ersatzmärkte in China zu finden.

AKTIVISMUS DER ZENTRALBANKEN UND WACHSTUM IN DER EUROZONE KÖNNTEN DIE GLOBALE KONJUNKTURABKÜHLUNG BREMSEN

Der Aktivismus der Zentralbanken könnte die Abkühlung des globalen Wachstums mindern. Darüber hinaus dürfte sich das US-Wachstum zwar verlangsamen, dank der Steuersenkungen zur Förderung von Investitionen, die auf die Steigerung der Produktivität ausgerichtet sind, aber solide bleiben. Zudem stützt eine höhere Produktivität tendenziell das Wachstum.

Das Wachstum in der Eurozone könnte sich dank einer expansiven Fiskalpolitik und höheren Kaufkraft der Privathaushalte nach unseren Prognosen bis Ende 2019 leicht auf 1,5% erhöhen. Eine Lockerung der Haushaltspolitik in Frankreich, Italien, Deutschland und Spanien könnte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in der Eurozone nach unseren Berechnungen um 0,4 Prozentpunkte steigen lassen.

Während sich die Abschwächung der US-Importe voraussichtlich negativ auf die europäischen Exporte auswirken wird, wurde die mögliche Anhebung der US-Zölle auf europäische Autos auf den Herbst verschoben. Und schließlich wird der neue Präsident der Europäischen Zentralbank, wer auch immer das sein wird, keine wesentlichen Änderungen an der Geldpolitik vornehmen können.

Das Eurosystem ist mit einem erneuten Kreditrückgang im Süden konfrontiert. Die Kredite an privatwirtschaftliche Unternehmen gingen in Italien im ersten Quartal um -0,4% und in Spanien um -1,7% gegenüber dem Vorjahr zurück, während sie in Frankreich durchschnittlich um 6,5% und in Deutschland um 6,1% zunahmen.

In der Eurozone wird daher weiterhin eine akkommodierende Geldpolitik bevorzugt, wobei die Umsetzung makroprudenzieller Maßnahmen empfohlen wird, um die Bildung von Blasen zu verhindern, wie dies insbesondere in Frankreich oder Belgien bereits geschehen ist. Darüber hinaus könnte ein Anstieg der Risikoprämien durch die Wiederanlage fälliger Staatsanleihen und neue Refinanzierungsgeschäfte, die dann gegebenenfalls angekündigt würden, eingedämmt werden.

FAZIT

Aus unterschiedlichen, die USA und die Eurozone betreffenden Gründen, könnte sich der Wachstumsunterschied zwischen den beiden Wirtschaftsräumen trotz der Verschärfung des Handelskriegs im Laufe des Jahres 2019 verringern. Dies würde die weltweite Konjunkturabkühlung vor dem Hintergrund einer Zunahme der globalen Liquidität bremsen. Eine neue Runde von US-Strafzöllen würde das globale BIP nach unseren Berechnungen allerdings um 1% sinken lassen.

Die halbjährliche Konjunkturprognose von Dr. Mathilde Lemoine, Group Chief Economist von Edmond de Rothschild, können Sie auch als PDF hier downloaden.

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