Wisdom Tree: Anatomie einer Dollar-Rally

Währungen

Seit fast zwei Jahren schwächelt der US-Dollar. Christopher Gianatti, Head of Research, über die Folgen - und Gelegenheiten.

28.05.2018 | 14:38 Uhr

In einer Ära, in der die Zentralbanken hohen Einfluss ausüben, haben wir uns mittlerweile an starke Schwankungen bei den Wertentwicklungen und Trends unterschiedlicher Währungen gewöhnt. Seit fast zwei Jahren dominiert beim Thema Währungen ein schwacher US-Dollar die Schlagzeilen. Daraus ergeben sich folgende Auswirkungen:

• Ein angenehmer Rückenwind für die Gewinne von multinationalen US-Large-Caps – besonders solche mit hohem Exportanteil.

• Eine deutliche Markterholung bei Rohstoffen – erinnern Sie sich noch daran, als wir spekulierten, ob Öl im Februar 2016 unter 20 USD pro Barrel fallen wird? Von solchen Überlegungen sind wir seither abgerückt.

• Eine starke Performance in Schwellenmärkten, Währungsaufwertungen gegenüber dem Dollar sowie eine positive Entwicklung bei Aktien haben US-Dollar-Investoren ein besseres Renditeumfeld beschert.

Gewinnt der US-Dollar an Stärke?

Währungen bewegen sich selten lange in eine Richtung – vor allem nicht in der Welt von heute. Wir halten also die Augen nach allem offen, was eine Änderung dieses Trends signalisieren könnten, denn die ideale Strategie bei einem schwachen US-Dollar ist nicht dieselbe wie die bei einem starken US-Dollar.

Von April bis Mai 2018 bewegte sich der Dollar steil nach oben (2. Mai 2017 bis 1. Mai 2018)

Dollarentwicklung 2018

Quelle: Bloomberg. Dollar wird durch den Bloomberg Dollar Index dargestellt. Die historische Performance ist kein Indikator für zukünftige Ergebnisse. Ein direktes Investment in einen Index ist nicht möglich.

• Wie im Chart ersichtlich, verlor der Bloomberg Dollar Index im Laufe des letzten Jahres, vom 2. Mai 2017 bis 1. Mai 2018, rund 5,1 % an Wert. Doch vom 16. April 2018 bis zum 1. Mai 2018 erholte er sich um 3,23 % – die steilste Dollar-Erholung, die Investoren im vergangenen Jahr erlebt haben. Mein Kollege Jeremy Schwartz verfasste nach der Ernennung von Larry Kudlow zum Wirtschaftsberater der Trump-Administration einen Artikel über eine Rückkehr zu einer King-Dollar-Politik. Zumindest hat sich die Rhetorik des Weißen Hauses auf einen Ton verlegt, der dem Dollar mehr Unterstützung gibt.

Carry könnte an Stärke gewinnen

Zu Beginn des Jahres 2017 nutzten viele Marktprognostiker ihren Ausblick auf die Fed als Diskussionseinstieg. Allgemein wurden im Laufe des Jahres zwei bis drei Zinserhöhungen erwartet. Häufig stellten sie einen Zusammenhang zwischen steigenden Zinsen in den USA, stabilen bzw. sinkenden Zinsen im Ausland und einem starken US-Dollar her.

Obwohl das alles Sinn macht, entwickelten sich die Märkte 2017 nicht ganz in diese Richtung.

Vergleich der Dollar-Aufwertung gegenüber G10-Währungen (16. April 2018 bis 1. Mai 2018)

Dollaraufwertung 2018

Quelle: Bloomberg. Die historische Performance ist kein Indikator für zukünftige Ergebnisse. Ein direktes Investment in einen Index ist nicht möglich.

• Die Zinsen halten sich in Industrienationen im Verhältnis zu den historischen Zinsen auf einem außergewöhnlich niedrigen Niveau und einige Zentralbanken – so etwa die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan (BOJ) – bleiben in ihren jeweiligen Regionen bei ihrer Politik der Negativzinsen. Die US-Notenbank ist die einzige Zentralbank, die eine „Normalisierung der Geldpolitik“ auf den Weg gebracht hat, über die auch vielfach berichtet wurde.

• Kapitalströme fließen in Richtung von Märkten mit höheren Zinsen (und damit höheren Renditen), weshalb Zinsdifferenzen durchaus die Währungsrenditen beeinflussen, sie sind jedoch nicht der einzige Einflussfaktor. Auch andere Faktoren wie Kapitalströme, die eine eigene Preisdynamik entwickeln, die Kaufkraftparität und die Wahrnehmung geopolitischer Entwicklungen können eine Rolle spielen. Seit Ende 2015 ist es auf breiter Basis recht selten zu einem Erstarken des Dollars gegenüber allen G10-Währungen gekommen – doch genau das konnten wir in den vergangenen Wochen beobachten.

• Dass die 10-jährige US-Schatzanweisung die Marke von 3 % zum ersten Mal in rund vier Jahren durchbrochen hat und dies mit einer Veränderung beim US-Dollar einherging, ist kein Zufall. Es wäre sehr interessant, die Reaktion des Dollars beobachten zu können, wenn der Zins für die 10-jährige US-Schatzanweisung die Marke von 3,05 % übersteigt.

Auswirkungen auf Aktien

In diesem Zeitraum eines schwachen Dollars haben wir gesehen, wie stark die Aktien von US-Large-Caps abgeschnitten haben. Wichtig ist, dass ein Trend hin zu einem stärkeren US-Dollar für die Gewinne bei US-Large-Cap-Aktien – vor allem Multinationals – für Gegenwind sorgen würde.

Nichtamerikanische Exporteure, die in den US-Markt verkaufen – weiterhin einer der größten Verbrauchermärkte der Welt –, werden in Zeiten eines starken Dollars höchst interessant.

Europäische und japanische Exporteure reagierten auf den aktuellen Trend des starken Dollars (16. April 2018 bis 1. Mai 2018)

Exportreaktion auf Dollar

Quelle: Bloomberg. Die historische Performance ist kein Indikator für zukünftige Ergebnisse. Ein direktes Investment in einen Index ist nicht möglich.

• Es wurde bereits viel diskutiert, wie ein Umfeld steigender Zinsen in den USA für Gegenwind bei den hohen Bewertungskennzahlen sorgen könnte, an die sich Investoren in US-Aktien gewöhnt haben. Wir dürfen nicht vergessen: Die Kennzahlen sind nicht weltweit auf einem Rekordhoch, und wenn der US-Dollar seinen Trend ändert, könnten ausländische Märkte dadurch sogar noch attraktiver werden – solange ihre Währungsrisiken abgesichert werden.

• Exportorientierte Unternehmen im Euro-Raum, in Deutschland und Japan verzeichnen durchaus in unterschiedlichem Ausmaß Gewinnsteigerungen, wenn ihre Währung gegenüber dem US-Dollar an Wert verliert – ebenso haben US-Large-Caps von der aktuellen Dollar-Schwäche profitiert. Viele dieser Unternehmen haben gute Geschäftsbeziehungen in den USA.

Bei Investoren stimmt bei Währungen häufig das Timing nicht. Wir bei WisdomTree glauben fest daran, dass eine Absicherung Währungsschwankungen auffangen kann und sie strategisch in Portfolio-Allokationen eingebunden werden sollte. Die aktuelle Stabilität des Dollars – und unsere positiveren Erwartungen einer Fortsetzung dieser Entwicklung in den nächsten 12 Monaten – sollte mehr Zeit verschaffen, um die nötigen Portfolio-Anpassungen so bald wie möglich durchzuführen.

Diesen Beitrag teilen: