DONNER & REUSCHEL: Mumm Briefing zum Wochenausklang

Carsten Mumm, Chefvolkswirt bei der Privatbank DONNER & REUSCHEL
Volkswirtschaft

Nach der Zinswende 2022 und dem Ende eines rund vierzigjährigen Zinssenkungstrends spielen Renditen von Anleihen bzw. Kreditkonditionen wieder eine nennenswerte Rolle an den Kapitalmärkten und in der Realwirtschaft.

01.12.2023 | 10:52 Uhr

Das ist gut so, denn in den Jahren von Null- und Negativzinsen wurden immer wieder die fehlende Lenkungsfunktion des Zinses und daraus resultierende Fehlallokationen von Kapital moniert. Unternehmen, die kein ausreichend funktionierendes Geschäftsmodell hatten, konnten sich trotzdem am Markt halten. An den Kapitalmärkten mussten Anleger zwangsläufig immer größere Risiken eingehen, um die Chance auf eine auskömmliche Rendite zu erhalten.

Der Anpassungsprozess an das neue Regime positiver Zinsen fand bereits im Jahr 2022 an den Börsen statt – mit der Folge erheblicher zwischenzeitlicher Verluste. Bei illiquiden Anlagen ist der Findungsprozess für neue Gleichgewichtspreise noch im Gange, bspw. bei Immobilien. In der Realwirtschaft werden die Spuren des Zinsanstiegs erst in den kommenden Monaten sichtbar. Denn auch die konjunkturelle Entwicklung wird in vielen Regionen weltweit in den kommenden Monaten schwach bleiben. So senkte die OECD gerade ihre Prognose für das globale Wachstum im nächsten Jahr 2024 auf 2,7 Prozent. Während die Region Südostasien mit Indien, China und Indonesien Wachstumstreiber sind, bremsen die Industriestaaten die Dynamik aus. Für Deutschland ist nur noch ein Wachstum von rund 0,5 Prozent realistisch. Der erhoffte zaghafte Aufschwung durch den privaten Konsum im Zuge steigender Realeinkommen scheint sich für das kommende Weihnachtsgeschäft noch nicht einzustellen, dürfte sich aber im Laufe des ersten Quartals bemerkbar machen. Die US-Konjunktur wird sich voraussichtlich abkühlen, aber mit 1,5 Prozent Wachstum immer noch stärker ausfallen.

Sowohl die Konjunktur als auch die hohen Zinsen sorgten für einen stärkeren Anstieg der Insolvenzzahlen. In Deutschland dürfte die Anzahl der Insolvenzen im laufenden Jahr 22 Prozent über dem Niveau des Vorjahres liegen. Die Anzahl der Großinsolvenzen nimmt noch stärker zu. Besonders betroffenen sind die Sektoren Handel, Gastgewerbe und Bau. Allerdings handelt es sich bei dieser Entwicklung vorerst nur um eine Normalisierung der sehr niedrigen Insolvenzzahlen der vergangenen Jahre. Der marktwirtschaftliche Selektionsmechanismus funktioniert wieder besser, durch den nicht-zukunftsfähige Geschäftsmodelle nicht überleben. Trotz voraussichtlich weiter zunehmender Insolvenzfälle im nächsten Jahr ist mit einer größeren Insolvenzwelle nicht zu rechnen, da viele Unternehmen resilient genug sind, um die aktuelle Phase zu überstehen. Gemäß jüngstem Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank ist das Finanzsystem in Deutschland angesichts einer derzeit guten Ertragslage bei Banken stabil. Allerdings erfordern Konjunkturdelle, Zinsanstieg und Transformationsnotwendigkeiten auch im Bankensektor eine Erhöhung der Resilienz, denn die Profitabilität wird durch steigende Kreditausfälle, anziehende Refinanzierungskonditionen sowie mögliche Preiskorrekturen bei Wertpapieren oder im Immobilienbereich künftig schwächer ausfallen. Hinzu kommen potenzielle Cyberrisiken.

Die Konjunkturdelle wirkt sich zunehmend auch auf die Arbeitsmärkte aus. So stieg die Arbeitslosenquote in Deutschland saisonbereinigt im November auf 5,9 Prozent. Die Beschäftigungsnachfrage sinkt. Auch in den USA sind künftig schwächere Arbeitsmarktdaten zu erwarten. Allerdings gilt für beide Regionen, dass der verbreitete Fachkräftemangel einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit verhindern dürfte. Auf der anderen Seite ist vor diesem Hintergrund damit zu rechnen, dass die derzeit sehr hohen Nominallohnabschlüsse in den kommenden Monaten deutlich moderater ausfallen werden.

Fazit: Damit steigen die Chancen, dass die Inflationsraten in den USA und der Eurozone in den kommenden Monaten weiter nachgeben und kurzfristig auch die Zielmarke von 2 Prozent erreichen können. Für die Notenbanken Fed und EZB wäre damit der Weg für erste Leitzinssenkungen ab dem Frühjahr bzw. ab dem zweiten Quartal frei. Zinsen bei längeren Laufzeiten sollten im Jahresverlauf 2024 ebenfalls weiter nachgeben. Daraus resultiert Steigerungspotenzial für den Euro im Vergleich zum US-Dollar sowie für Aktien und Edelmetalle.


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