Knoesel & Ronge: Bei Übernahmen hilft kein Algorithmus!

Unternehmensinvestitionen

Weniger Übernahmen kurz vor dem Abschluss, leicht steigende Zinsen - bedeutet das schlechte Zeiten für Investoren, die auf Übernahmensituationen setzen? Dr. Ulrich Ronge von der Würzburger Knoesel & Ronge Vermögensverwaltung ist optimistisch.

02.10.2018 | 11:47 Uhr

Herr Dr. Ronge, wird es weiterhin viele Unternehmensübernahmen in Deutschland und Europa geben?

Davon gehen wir aus, und aus unserer Sicht spricht auch nichts dagegen. 

Sicherlich bietet nicht jede Übernahme eine gute Investitionschance. Finden Sie aktuell weiter attraktive Investment Cases?

Gerade bei den potenziellen Übernahmezielen, also eher frühphasigen Investments, gibt es praktisch immer eine reiche Auswahl aus der man selektieren kann. Bei den bereits entwickelten Übernahmefällen, wo z.B. bereits ein Beherrschungsvertrag besteht oder ein Squeeze-Out angekündigt wurde, gibt es aktuell wenige neue Fälle. Aber solche „saure-Gurken-Zeiten“ hat es auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben, und es war immer ein vorübergehendes Phänomen.

Was sind die treibenden Kräfte für Übernahmen? Sind niedrige Kreditzinsen wirklich so entscheidend wie man denken könnte?

Für reine Finanzinvestoren ist die nach wie vor sehr billige Refinanzierung schon ein wichtiger Faktor, der Entscheidungen positiv beeinflusst und auch beschleunigt. Aber für einen strategischen Investor, der sein Produktportfolio abrunden oder industrielle Synergien realisieren möchte, spielt die Zinshöhe eine untergeordnete Rolle, wenn die Grundsatzentscheidung als sinnvoll erachtet wird.

Sehen Sie in absehbarer Zeit Störfeuer von Kartellbehörden oder aus der Politik, die die Dynamik der Übernahmetransaktionen gefährden könnten?

Die internationalen Kartellbehörden sind natürlich immer ein Thema, aber in ihren Entscheidungen recht gut zu prognostizieren. Schwieriger zu kalkulieren ist die politische Einflussnahme. So hat die amerikanische Behörde CFIUS weltweit geplante Übernahmen torpediert, weil mindestens eines der beteiligten Unternehmen auch auf dem US-Markt aktiv ist und aufgrund der Übernahme ein Sicherheitsrisiko gesehen wird. Ähnliche Bestrebungen hat auch die Bundesregierung entwickelt, um künftig den befürchteten Know-How-Transfer verhindern zu können. Dass die politische Einflussnahme auf Übernahmen immer die Gefahr willkürlicher Interessenvermengung birgt, muss in Zeiten eines wachsenden Handelsstreits wohl nicht dazu gesagt werden.

Zu Ihrer Anlagestrategie: kann man anhand eines festgelegten Selektionsprozesses entscheiden, ob ein Übernahmeziel als Investment attraktiv ist oder muss der jeweilige Einzelfall genauer betrachtet werden?

Sowohl als auch! Der Prozess, also die Herangehensweise an ein neues mögliches Übernahmeziel, sollte schon nach der gleichen Struktur ablaufen. Trotzdem muss natürlich jeder Einzelfall genau betrachtet werden, da die Geschäftsmodelle ebenso unterschiedlich sind wie z.B. die Wettbewerbssituation oder Soft Facts der beteiligten Personen. Aktives Fondsmanagement, so wie wir es verstehen, ist nicht durch einen sturen Algorithmus zu ersetzen.

Wie sieht die aktuelle Wertentwicklung im laufenden Jahr bei beiden Fonds aus?

Im Moment sind wir etwas enttäuscht von der Entwicklung. Der Deutsche Teilfonds hatte nach dem Rekordjahr 2017 eine Konsolidierungsphase eingelegt, die nun länger andauert als erwartet. Das liegt aber nicht an grundlegend anderen Rahmenbedingungen, sondern am kumulativen Auftreten dämpfender Entwicklungen bei mehreren Einzelinvestments. Beispielhaft sei hier die längere Hängepartie bei dem angekündigten BuG-Vertrag von Biotest genannt, die Absage des angekündigten BuG-Vertrags bei DATA Modul, oder jüngst die Kündigung des bereits nachgebesserten BuG-Vertrags bei MAN unmittelbar nach Abschluss des Spruchverfahrens. Hinzu kamen bei anderen Einzeltiteln Rückschläge oder Unsicherheiten im Zusammenhang mit der jeweiligen Sondersituation.

Unser Europäischer Teilfonds lag zwischenzeitlich deutlich vorn, hat zuletzt ebenfalls aufgrund mehrerer Einzelentwicklungen wieder Rendite abgeben müssen.

Es sind also eher einzelne unternehmensspezifische Gründe, warum Übernahmen ins Stocken geraten sind?

Zumindest für unser Portfolio kann ich diese Frage bejahen.

Der europäische Fonds, mit dem Sie auch in frühen Stadien einer Übernahme investieren, ist seit Auflage - wie zu erwarten - volatiler. Allerdings hat er sich in 2018 bisher vergleichsweise recht gut gehalten?

Es war klar, dass die hier bewusst vorgenommene Erweiterung um potenzielle Übernahmeziele (sogenannte Early Birds) und die nur vereinzelte Beimischung von Beherrschungsverträgen im Ergebnis zu einer höheren Volatilität führen würde als wir sie beim Deutschen Teilfonds langjährig hatten. Die vorab ausgegebene Faustformel „Marktrendite bei halber Volatilität“ hat der Europa-Fonds punktgenau erreicht, im ersten Jahr lag die Vola bei ca. 10%, im laufenden Jahr bei nur ca. 6,5%.

Wie sehen Sie die Perspektiven für Unternehmensübernahmen für die kommenden Jahre?

Es mag wie eine Floskel klingen, aber Übernahmen wird es immer geben, und unsere 25-jährige Erfahrung als Investoren zeigt ebenso wie der Blick in die längerfristige Wirtschaftsgeschichte, dass die Übernahmen am Aktienmarkt tendenziell häufiger und auch immer größer werden. Nur die Anlässe verändern sich, weil z.B. ökonomische oder politische Rahmenbedingungen sich ändern.

Die Gründe für den jetzt anstehenden Strukturwandel mögen uns nicht gefallen, am Ende müssen aber auch die Unternehmen ihre Strukturen anpassen, wenn die EU durch den Brexit ihr Gesicht verändert, die USA einen Handelskrieg mit dem Rest der Welt vom Zaun brechen, die Zukunft des Verbrennungsmotors infrage gestellt wird oder der demographische Wandel die Medizin und Pflege vor neue Herausforderungen stellt. Man könnte diese Liste natürlich beliebig fortsetzen.

Anpassungen oder Änderungen Ihrer Strategie sind also nicht erforderlich?

Grundsätzlich erscheinen uns die Strategie und das mit ihr verbundene Risikoprofil unverändert attraktiv, aber auch unsere Strategie muss laufend an veränderte Rahmenbedingungen angepasst und verbessert werden. Bei Änderungen der gesetzlichen Grundlagen für Übernahmen und Abfindungen ist das natürlich offensichtlich, aber auch sonst hinterfragen wir laufend unsere Abläufe und die Art der Entscheidungsfindung. Auch nach 25 Jahren lernen wir noch täglich etwas dazu.

Das Interview wurde geführt von Sven Hoppenhöft vom Berenberg Vermögensverwalter Office, das als Verwahrstelle für den genannten Fonds fungiert.

Weitere Informationen

Knoesel & Ronge Vermögensverwaltung GmbH & Co. KG
www.knoesel-ronge.de

KR Fonds – Deutsche Aktien Spezial   WKN A1JJ60
KR Fonds – Übernahmeziele Europa   WKN A1402D

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