
In diesem Artikel beschreibt Dr. Markus Elsässer warum Unternehmen, die eine führende Rolle in ihrem Segment/Branche einnehmen, dies oftmals selbst nicht erkennen und wahrnehmen.
13.11.2023 | 06:50 Uhr
Häufig ist die Folge davon, dass eine Wachablösung erfolgt. Die Unternehmen verschwinden in der Versenkung und an ihrer Stelle erklimmt ein anderes die Spitze. Um diesen Prozess zu verdeutlichen, bringt Dr. Elsaesser mehrere Beispiele mit, in denen genau dieser Ablöseprozess vonstatten ging. Außerdem zeigt er auf, wie Unternehmen denken und handeln müssen, damit sie nicht in solch eine Lage kommen.
Wenn wir als Investoren uns intensiv mit Firmen beschäftigen haben wir es dann nicht des Öfteren mit solchen zu tun, die alles verpasst haben? Um darauf näher eingehen zu können, möchte ich zwei Aspekte betrachten. Als erstes fällt mir auf, dass die größten Versäumnisse und Kosten in keiner Gewinn- und Verlustrechnung oder Bilanz zu sehen sind. Dann gibt es den Fachausdruck der Opportunitätskosten. Opportunitätskosten sind die Kosten, die entstanden sind aufgrund von Handlungen, die nicht erfolgten. Die Handlungen hätten jedoch erfolgen können und daraus wäre ein Gewinn entstanden. Somit erfolgt de facto ein Verlust, der entstanden ist, obwohl man ihn nicht sieht. Dazu ein kleines Beispiel aus den eigenen Erlebnissen. Ich habe mit jemanden gesprochen und er erzählte mir von einem Bekannten, der im Bauträgergeschäft tätig ist und sehr erfolgreich in den Jahren war, als die Zinsen sehr tief waren. Jedoch hat er auch vorher schon sehr erfolgreich gearbeitet, als das Zinsenniveau sich im normalen Bereich befand. Dieser Unternehmer ist mit einer Marge von fünf bis zehn Prozent zufrieden, jedoch stellt sich heraus, dass er wahrscheinlich viel mehr verdienen könnte, wenn er bei seinen Baumaterialien darauf achten würde, dass die Handwerker diese günstiger einkaufen. Seiner Meinung nach sind in seiner Branche fünf bis zehn Prozent in Ordnung und mit denen ist er zufrieden. Das ist ein ganz gefährlicher Aspekt, der zwar völlig in Ordnung ist, wenn es um einen Privatmann geht, der für seine Familie, mit diesen fünf bis zehn Prozent Marge auskommt. Jedoch wird es Firmen geben, die die gleiche Mentalität besitzen, die „gebrainwashed“ sind und von Anfang an die Einstellung besitzen, dass sie in ihrer Branche eine bestimmte Marge verdienen und wenn diese erreicht wird, ist alles gut. Das ist natürlich ein Investment, in das man nicht involviert sein möchte, da dies Firmen sind, die die wirklichen Chancen verpasst haben, wie z.B. einen besseren Einkauf zu betreiben oder aber eine ganz andere Gestaltung des Verkaufens durchzuführen, je nach Branche.
Der zweite Aspekt beinhaltet den Begriff „alles verpasst“. Mir kamen ein paar Beispiele in den Sinn, bei denen ein Unternehmen alle Möglichkeiten verpasste. Es gibt eine Reihe von Firmen, die waren noch vor 30 Jahren die absoluten Könige im Kaffee Business durch ihre dominante Marktstellung im Bereich des Filterkaffees. Vom Renommee und Standing waren sie bei den Konsumenten total etabliert. Jedoch änderte sich dies mit der Erfindung der Kaffeekapsel. Sie haben diesen Trend verpasst, da sie nicht die Innovationsfähigkeit besaßen, um auf ein solches Produkt zu kommen. Das kann man ihnen nicht als Vorwurf anlasten, denn nicht jede Firma kann alle großen Erfindungen aufs Gleis bringen. Jedoch hätten sie in ihrer Marktstellung erkennen müssen, dass in dem Moment, in dem die Filter sozusagen von der Kapsel abgelöst wurden, sie sich als Branchen Insider massiv um das Thema Kapseln hätten kümmern müssen. Die Folge daraus wäre viel Arbeit, viele Sondersitzungen, große Investitionen durch den Kauf des Patents oder das Entwickeln einer ähnlichen Kapsel gewesen. Anhand der Cafébranche werden Beispiele aufgezeigt, die den hochgradigen Fall des verpassen darstellen. Wenn ich als Aktionär so etwas beobachte, würde ich Ihnen und mir selber dringend raten, sich von so einem Unternehmen zu trennen. Nach außen fällt so eine Entwicklung gar nicht auf, denn die Firma ist nicht merklich geschrumpft und nach wie vor profitabel. Jedoch ist es ein vorwerfbares Versäumnis von mangelndem Unternehmertum, so eine Führungsposition aufzugeben und ins Mittelmaß zu rutschen.
Ein zweites Beispiel stammt aus dem Getränkebereich bezüglich einer Firma aus der Pfalz, die nach dem Zweiten Weltkrieg absoluter Marktführer bei Likören und alkoholischen Getränken war. Die Firma, die zu dem Zeitpunkt Marktführer war hatte aber erkannt, dass dieser Trend des Likörkonsums auf Dauer, mit entsprechend guten Wachstumsraten, nicht anhalten wird. Sie hatte die Größe, sich von diesem Business zu trennen und trennte sich nach und nach von der Sparte, indem sie sie verkaufte. Sie hat sukzessive auf Obstsäfte als Produkt gesetzt, die anfangs eine ganz kleine Abteilung benötigte und eine kleine Marke war. Heute ist diese Firma europäischer Marktführer im Obstsaft-Getränkebereich, mit großen Zuwachsraten und systematischem Aufkauf von Marken im Ausland. Diese Firma hat die Zeichen der Zeit erkannt, denn sie wäre mit den Likör untergegangen. Stattdessen ist sie nun ganz oben. Das ist ein Beispiel für eine Firma, die Agilität bewiesen hat und die Kraft aufbrachte, gegen bestehende Strukturen anzugehen. Sie können sich vorstellen, welche Widerstände in altgewachsenen Firmen herrschen und die Veränderungen müssen sie erst mal motivational durchsetzen, damit die Personen im Unternehmen weiterhin an Bord bleiben und mitziehen. Das sind Firmen, die mir imponieren, denn diese Handlungen sind natürlich auch mit Risiko verbunden. Diejenigen, die den Umschwung aber dann geschafft haben weisen mittlerweile eine Firmenkultur vor, in der sie für die nächsten Herausforderungen sensibilisiert sind.
Ein weiteres klassisches Beispiel sind die großen Versandhändler. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es große Versandhändler in Deutschland, von denen mehrere komplett untergegangen sind, Es stellt sich die Frage, wie das sein kann, denn sie waren die klassischen Vorläufer im Online Business. Der einzige Unterschied war, dass man nicht über den Bildschirm bestellt hat, sondern über umfangreiche Kataloge, die den Leuten nach Hause geschickt wurden, mit tausenden von Artikeln. Mit den Katalogen konnte man per Brief oder Telefon bestellen und das ist nichts anderes wie ein Online-Handel. Die Unternehmen verfügten über Lagerhäuser und Kundenkarteikasten der Endkunden. Warum sind diese Unternehmen nicht Marktführer im Online-Versand geworden? Es gibt noch einige Versandhäuser aus der damaligen Zeit, die jetzt noch erfolgreich arbeiten, aber die großen Online-Händler, ausgehend vom Buch Bereich, sind andere Firmen geworden. In so Situationen sagt der Amerikaner „how come“ und das hängt mit der Bereitschaft der Marktführer zusammen. Wenn sie keine Trends verpassen und ihnen nichts in ihrer Branche entgeht oder ihnen gefährlich werden könnte, stellt sich die Gretchenfrage, ob diese Unternehmen bereit sind zu agieren oder sie die gesehenen Entwicklungen unter den Tisch kehren. Wenn das Unternehmen aus internen Gründen nicht strategisch und langfristig denkt und alles unter den Tisch fallen lässt, dann kommt es dazu, dass die Eigentümer und die Aktionäre bekommen von den Entwicklungen nichts mit und werden außen vorgelassen. Insofern wird eine gewinnbringende verpasst, die für das Unternehmen einfach zu sichern gewesen wäre.
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