Interview

Homeoffice Story: Dr. Georg von Wallwitz

FundResearch TV dokumentiert im Rahmen der Web-Konferenz „Fonds im Fokus“ den in diesen Zeiten nicht alltäglichen Alltag von Finanzprofis. Heute: Dr. Georg von Wallwitz, Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement GmbH.

10.02.2021 | 07:30 Uhr

Herr Dr. von Wallwitz, wie fühlt es sich für Sie an, anstatt im Büro nun zu Hause zu sitzen und weltweit zu investieren?

Dr. Georg von Wallwitz: Am Anfang war es ein wenig ungewohnt. Aber wir hatten im vergangenen Frühjahr schon Erfahrungen gesammelt. Seit Oktober sind wir nun alle wieder im Homeoffice. Für unsere Arbeit an sich bedeutet das keine große Umstellung. Wir haben in unserer Anlagephilosophie ohnehin nicht vorgesehen, dass wir die vor Ort Firmen besuchen. Es gibt ja Fondsmanager, die sich nicht nur die Kennzahlen, Geschäftsmodelle und Produkte von Unternehmen ansehen, sondern auch hinfahren und im Betrieb die Reifen zählen, die auf dem Hof liegen. Das machen wir nicht. Wir unterhalten uns zwar auch mit den Verantwortlichen, aber ansonsten sind wir eher zahlengetrieben.

Hat sich für Sie außer der Arbeitsumgebung nichts geändert?

Dr. Georg von Wallwitz: Naja, was auf die Dauer leidet und verloren geht, ist natürlich ein bisschen die Kreativität und der Austausch mit den Kollegen. Ich hoffe, dass wir uns bald mal wieder vor Ort sehen – und dann nicht nur am Schreibtisch, sondern auch mal mit einem Kaffee in der Hand zwischendurch. Das fehlt mir schon. Die Umstellung auf Homeoffice ist kein vollständiger Ersatz auf Dauer. Ich habe jetzt zwar auch zu Hause einen Bloomberg-Monitor. Aber es ist viel inspirierender, wenn man mal zu zweit auf den Bildschirm schaut und seine Meinungen spontan austauscht, als wenn man alleine damit arbeitet. Apropos Monitor: Im Büro habe ich große Bildschirme, hier zu Hause nur das Laptop. Das macht im Alltag einen spürbaren Unterschied an Komfort. Aber das ist Klagen auf hohem Niveau. In ein paar Jahren wird man sich mit Schaudern und in mancher Hinsicht vielleicht auch mit einem Schmunzeln an diese Zeit zurückerinnern. Ich bin jetzt 23 Jahren lang im Asset Management tätig. Es gab auch schon schlimmere Zeiten. Wenn man ehrlich ist: Die Finanzbranche und die Anleger sind bis jetzt ja sehr gut durch die Corona-Krise gekommen.

Kann Sie gar nichts mehr überraschen?

Dr. Georg von Wallwitz: Doch, natürlich. Ich hatte vor einem Jahr nicht mit einer Pandemie gerechnet. Und mit den Folgen, die sie haben würde. Aber in den vielen Jahren, die ich im Asset Management tätig bin, habe ich gelernt, Ruhe zu bewahren. Wenn andere in Panik geraten, ist fast immer ein guter Zeitpunkt, zu investieren. Die Katastrophen und Krisen haben verschiedene Namen und Auslöser. Aber irgendwann beruhigt sich die Lage. Immer. Darauf kann man sich verlassen. Die Kunst für mich als Vermögensverwalter besteht ja gerade darin, die mir anvertrauten Gelder möglichst unbeschadet durch solche Phasen zu lenken. Da hilft es, schon ein paar Krisen erlebt zu haben.

Wie haben Sie reagiert, als die Kurse im März vergangenen Jahres einbrachen?

Dr. Georg von Wallwitz: Wir mussten gar nicht so viel machen. Das ist eben der Vorteil, wenn man langfristig agiert und ein solides Portfolio aufgebaut hat. Wir waren zwar überrascht von der Entwicklung. Aber unser Portfolio wurde nicht besonders erschüttert. Ein gut gebautes Portfolio zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass es sich in Krisen bewährt, die kaum einer auf dem Radarschirm hat.

Wie baut man ein überraschungsresistentes Depot?

Dr. Georg von Wallwitz: Das Rezept ist letztlich, die Unternehmen sehr genau zu kennen. Wir haben relativ konzentrierte Portfolios. Auf der Aktienseite sind es etwa 30 Titel. Diese Unternehmen kennen wir genau und können deshalb einschätzen, wie sich die Werte entwickeln werden. Im März haben wir unser Portfolio durchgesehen und festgestellt, dass wir keine Angst haben müssen. Amazon zum Beispiel wird nächstes Jahr auch noch Päckchen verschicken. Alphabet ist mit seiner Suchmaschine Google immer noch Marktführer und wird es wohl auf absehbare Zeit bleiben. So geht man seine Titel durch und merkt: Okay, wir haben gute Vorarbeit geleistet. Das hält. Natürlich haben wir auch ein paar Werte verkauft, von denen wir nicht mehr überzeugt waren. Aber das hielt sich in Grenzen.

Ein weiteres wichtiges Ereignis im vergangenen Jahr war ja auch die US-Präsidentenwahl. Haben Sie da reagieren müssen? Es ist ja zum Beispiel kein Geheimnis, dass die Demokraten die US-Techkonzerne gerne zerschlagen würden.

Dr. Georg von Wallwitz: Erstens halte ich eine Zerschlagung von Google und Co. nicht für wahrscheinlich. Es wäre kein guter Schachzug der USA, die eigenen Techkonzerne zu schwächen, während die chinesischen Online-Riesen immer mehr Marktanteile gewinnen. Zweitens wäre es aber auch kein Problem. Die einzelnen Geschäftsbereiche von Facebook oder Amazon zum Beispiel würden meiner Überzeugung nach als Einzelteile an der Börse in der Summe höher bewertet werden als die Konzerne in ihrer heutigen Konstellation.

Gibt es neben dem Thema Digitalisierung noch einen weiteren wichtigen Trend, dem Sie so große Bedeutung beimessen?

Dr. Georg von Wallwitz: Ja, die sogenannte Plattformstrategie. Die bedeutet, dass Sie als Unternehmen eine technische Basis aufbauen, die Sie dann als Plattform nutzen und kostensparend für verschiedene Anwendungszwecke je nach Bedarf umrüsten können. Volkswagen hat dies mit Automobilen vorgemacht. Mittlerweile ist die Idee weit darüber hinausgewachsen. Amazon und Alphabet zum Beispiel sind heute Player, die auf allen Plätzen mitspielen. Unter anderem bald auch in der Medizintechnik. Da zeichnet sich der nächste große Trend ab: Plattformstrategien zur Entwicklung von Impfstoffen, Therapien und Arzneimitteln. Moderna und BioNTech sind hier Vorreiter. Sie haben eindrucksvoll gezeigt, wie sie schnell und kostengünstig sie neue Anwendungen entwickeln können. Für die Covid19-Impfstoffe haben sie jeweils nur wenige Tage benötigt. Der Rest der Zeit bis zur offiziellen Zulassung ist für Tests und Produktionsaufbau verwendet worden. Das war schon eindrucksvoll. Wir haben seit einer Weile die Firma Moderna im Portfolio. Und wir sind überzeugt davon, dass die Aktie noch viel Potenzial hat. Der Corona-Impfstoff ist ja nur der erste große, medienwirksame Aufschlag. Der eigentliche Treibstoff für die weitere Entwicklung ist eben die überzeugende Plattform, die es Moderna erlaubt, auch in Zukunft sehr schnell weitere Anwendungen auf den Markt bringen zu können.

BioNTech nutzt im Prinzip die gleiche Technik. Haben Sie die Firma auch im Portfolio?

Dr. Georg von Wallwitz: Nein. Uns gefällt die Eigentümerstruktur bei Moderna besser. Da sind viel mehr freie Aktien auf dem Markt. Bei BioNTech gehören 18 Prozent des Unternehmens den beiden Gründern Özlem Türeci und Ugur Sahin. Das wäre an sich unkritisch. Aber die Gebrüder Strüngmann halten rund 50 Prozent der Anteile. Wenn ein Teilhaber so stark ist, hängt man als Aktionär sehr von dessen Entscheidungen ab. Das ist mir nicht so sympathisch.

Haben Sie weitere Beispiele für erfolgversprechende Wachstumsgeschichten im Gesundheitsbereich?

Dr. Georg von Wallwitz: Da gibt es einige. Zum Beispiel das Thema Telemedizin. Wir haben hier stellvertretend für einen Trend zur Onlinesprechstunde Aktien des Unternehmens Teladoc im Portfolio. Die Firma hat sich im Coronajahr 2020 prächtig entwickelt. Niemand wollte mehr im Wartezimmer sitzen. Das hat dem Thema Telemedizin ordentlich Auftrieb gegeben. Ein weiteres Beispiel für einen Megatrend ist die sogenannte Predictive Medicine. Das ist letztlich die Verknüpfung von Big Data und modernen, individuellen Behandlungsmethoden, die wieder über Plattformstrategien gelöst werden können. Einfach gesprochen: Aufgrund Ihrer elektronischen Patientenkarte und einer Untersuchung durch den Arzt, der diese Daten nutzt, kann dieser eine Diagnose erstellen und dafür passend eine individuelle Medizin für Sie anfordern, die von einer Firma wie beispielsweise Moderna oder BioNTech individuell entwickelt und hergestellt wird. Hier werden auch Firmen wie Alphabet oder Apple mitmischen – also ganz neue Player im Medizinmarkt.

Das klingt nach Science-Fiction. Leben wir im Zeitalter revolutionärer Technologien?

Dr. Georg von Wallwitz: Nein. Wir haben eher einen Mangel an Innovation.

Das ist ein erstaunlicher Standpunkt. Wir leben in einer Wissensgesellschaft, wir sind rund um den Globus voll vernetzt, mehrere Biotech-Firmen haben zuletzt in Rekordzeit neue Impfstoffe gegen eine Pandemie entwickelt. Wo sehen Sie den Mangel?

Dr. Georg von Wallwitz: Den sehe ich bei tatsächlich revolutionären Erfindungen, die unser Leben einschneidend verändern und auf eine neue Stufe heben. Die revolutionären Grundsteine für die Innovationen, die wir heute haben, sind bereits vor Jahrzehnten gelegt worden, zum Teil schon am Anfang des vergangenen Jahrhunderts. Impfstoffe sind eine Erfindung der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts. Computer wurden in den 40er Jahren entwickelt. Ja, sie wurden stets verfeinert, und das Internet ist dazugekommen – allerdings ist das auch schon 50 Jahre her. Unsere Infrastruktur stammt noch aus den 50er- und 60er-Jahren, und wir sind auch nicht sonderlich schneller oder weiter unterwegs als damals. Im Gegenteil. Die Concorde fliegt nicht mehr, und zum Mond sind wir auch schon seit Jahrzehnten nicht mehr geflogen. Die Reise zu weiter entfernten Planeten ist weiterhin nur ein Traum. Machen wir uns nichts vor: Die großen Innovationen, von denen wir bis heute zehren, sind alle schon älteren Datums. Und vieles von dem, was uns heute als revolutionär erscheint, ist im Hinblick auf unsere wirtschaftliche und gesellschaftliche Weiterentwicklung sogar kontraproduktiv. Sogenannte Soziale Netzwerke im Internet sind ein Beispiel dafür. Sie kosten uns enorm viel Energie, Zeit und Aufmerksamkeit, die besser eingesetzt werden könnten. Diese Innovationsschwäche wirkt zudem als Inflationsbremse.

Können Sie das näher erklären?

Dr. Georg von Wallwitz: Innovationen, die zu revolutionären, neuen Produkten führen, sorgen für Kaufschübe und für höhere Produktivität. Schöne Beispiele dafür sind das Radio und der Fernseher. Das waren grundsätzlich neue Produkte, den Markt gab es noch gar nicht, und natürlich auch keine dafür geschaffene Medienlandschaft. Die Dampfmaschine, die Eisenbahn, das Auto, das Flugzeug, das Telefon: Das waren Meilensteine. Etwas Vergleichbares hat es schon lange nicht mehr gegeben. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass das Produktivitätswachstum in den vergangenen Jahren nur in überschaubarem Rahmen gewachsen ist. Was dagegen immer weiter verfeinert wurde, sind die Methoden, um Kosten zu sparen. In unserer globalisierten Welt finden Sie immer einen Ort, an dem Sie als Unternehmen noch günstiger produzieren lassen können als Sie es bisher schon tun. Inflation wird so auf mittlere Sicht wohl ein Fremdwort bleiben.

Wenn Sie als Investor auf die Welt blicken: Wo sehen Sie derzeit die größten Perspektiven?

Dr. Georg von Wallwitz: Im Gesundheitsbereich und im Bereich Umweltschutz gibt es Entwicklungen, die Mut machen und dazu beitragen können, dass unsere Welt noch lebenswerter wird. Da bin ich sehr optimistisch. Wir haben es in den vergangenen Jahrzehnten geschafft, dass unsere Flüsse sauberer werden und die Luft nicht mehr nach Ruß stinkt. Und wer heute über zu lasche Abgasvorschriften schimpft, hätte sich vor 50 Jahren mal an eine Straßenkreuzung stellen und tief inhalieren sollen. Wir sind da unterm Strich auf einem guten Weg, allen Unkenrufen zum Trotz.

Herr Dr. von Wallwitz, vielen Dank für dieses Gespräch.

Die interaktiven Videokonferenzen im Überblick:

Dienstag, 02.03.2021

BNP Paribas REIM: Megatrends & Nachhaltigkeit – Wachstumstreiber des Immobilienmarktes der Zukunft

Megatrends, die den Immobilienmarkt von morgen beeinflussen, verändern die Welt …rapide, grundlegend und langfristig. Sie sind die Wachstumstreiber von morgen und bieten unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit durch aktives Asset-Management Chancen für zukünftige Investments in Immobilien. Um eine stabile Wertentwicklung zu erreichen, müssen Offene Immobilienfonds relevante Megatrends wie Digitalisierung, demografischer Wandel und veränderte Lebensstile berücksichtigen. Als Asset Manager für eine Welt im Wandel, bildet Nachhaltigkeit die Grundlage unserer Anlageentscheidungen.

Jetzt die Videokonferenz vom 2. März 2021 ansehen.


Mittwoch, 03.03.2021

Eyb & Wallwitz: Phaidros Funds Balanced - Was bedeutet "Intelligent Investieren“?

Dr. Ernst Konrad, geschäftsführender Gesellschafter und Lead Portfolio Manager bei Eyb & Wallwitz, erläutert am Beispiel des Phaidros Funds Balanced, was Eyb & Wallwitz unter „Intelligentem Investieren“ versteht. Welche Rolle spielen hierbei Vernunft und Emotionen? Und wie findet man hier eine erfolgreiche Balance aus beidem, was zu nachhaltiger Performance führt? 

Jetzt die Videokonferenz vom 3. März 2021 ansehen.


Dienstag, 09.03.2021

Morgan Stanley: Emerging Leaders für die nächste Dekade

Vishal Gupta, Portfoliomanager des Morgan Stanley INVF Emerging Leaders Equity Fund, teilt seine Einschätzung zu den zukünftigen Konsumententrends innerhalb der Schwellenländer und wo er diesbezüglich Chancen insbesondere in den kontinental-großen Märkten sieht. Zudem erklärt er auch seine Sicht auf die Verlagerung der Gewinne von etablierten hin zu disruptiven Unternehmen und warum er dabei besonders auf mögliche Fallen achtet.

Jetzt die Videokonferenz vom 9. März 2021 ansehen.


Mittwoch, 10.03.2021

Capital Group: Disruptive Unternehmen – die defensiven Aktien von morgen?

Wer auf Dauer erfolgreich investieren will, muss vor allem Verluste vermeiden. Aber jetzt könnte uns eine lange Zeit der Unsicherheit bevorstehen, was für klassische defensive Aktien nicht einfach ist. In unserem Webinar untersuchen wir, ob Anleger mit defensiven Aktien weiterhin ihre Ziele erreichen können. Oder werden wir in diesen Zeiten des Umbruchs vielleicht eine neue Generation von defensiven Aktien sehen? Christophe Braun, Investmentdirektor für Aktien bei Capital Group, wird die zurzeit größten Herausforderungen für klassische defensive Aktien analysieren – und über die defensiven Aktien von morgen sprechen. Freuen Sie sich auf eine spannende Diskussion.

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Donnerstag, 11.03.2021

UBS: Zukunft ist jetzt - Concentrated Alpha + ESG

Durch die Auswirkungen von QE und der aktuellen Zinspolitik der Zentralbanken sind die niedrigen, bereinigten Renditen von Staatsanleihen weltweit sichtbar. Was können wir tun? Viele Anleger haben ihre Gelder in der Vergangenheit in Unternehmensanleihen und High Yield Bonds investiert. Der UBS European Opportunity Sustainable und der UBS European Opportunity Unconstrained bieten Anlegern mit einem hohen Active Share Portfolioansatz eine risikoadjustierte Alternative, mit der Anleger für die Zukunft gut aufgestellt sind. Portfoliomanager Max Anderl erklärt seinen nachhaltigen, ganzheitlichen, konzentrierten Investmentprozess.

Jetzt die Videokonferenz vom 11. März 2021 ansehen.


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