Natixis: Wüten gegen den Freihandel

Politik

Trumps Protektionismus ist bisher nur Rhetorik. David F. Lafferty, Chief Market Strategist, Natixis Investment Managers, erläutert die Hintergründe der US-Wirtschaftspolitik.

29.05.2018 | 09:34 Uhr

Es gab nun wirklich genügend Schlagzeilen, die die jüngste Marktvolatilität angeheizt haben. Letzten Monat kündigte Präsident Trump einschneidende Strafzölle auf Stahl und Aluminium an. In Anbetracht der mangelnden Berechenbarkeit des Präsidenten scheint es, als kämen diese Strafzölle aus heiterem Himmel, aber tatsächlich sollten sie einen nicht allzu sehr überraschen. Er ist ein entschiedener Gegner der NAFTA ("North American Free Trade Agreement") und hat schon seit Jahren, lange bevor er für das Amt des Präsidenten kandidierte, über Handelsungleichgewichte gesprochen. Diese protektionistische Rhetorik war der Schlüssel zu seinen Wahlsiegen in den kritischen 'Rust Belt'-Staaten Pennsylvania, Wisconsin, Michigan und Ohio.

Nur wenige Monate nach Amtsantritt verhängte Trump Strafzölle auf kanadisches Nadelschnittholz, denen im Januar 2018 Abgaben auf Waschmaschinen und Solaranlagen folgten. Im März folgte die Ankündigung von  Strafzöllen auf Stahl, gefolgt von Abgaben auf über 1000 Importe aus China in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar. 


Die Basis besänftigen

Diese Atmosphäre eskalierender Handelsspannungen bringt einige politische Auswirkungen mit potentiellem Markteinbruch mit sich. Erstens: Amerikas Handelspolitik hat sich verstärkt polarisiert, was zu unsicheren Kapitalmärkten führt. Die Gegenwart Gary Cohns, wichtigster Verfechter des Freihandels, als oberster Wirtschaftsberater des Präsidenten, hatte Investoren zunächst beruhigt. Allerdings trat Cohn im Zuge der Stahl- und Aluminium-Strafzölle schließlich von seinem Amt zurück. Dieser Rücktritt ließ den Protektionisten in Trumps Kabinett, einschließlich des US Handelsbeauftragten Robert Lighthizer und des Handelsberaters Peter Navarro, freie Hand für die Gestaltung der Handelspolitik. Ökonomen und Märkte haben alle gleichzeitig aufgeatmet, als Cohn durch Larry Kudlow, einen weiteren Verfechter des Freihandels, ersetzt wurde. Während Kudlow zwar als Showmaster bekannt ist, wird er doch höchstwahrscheinlich dort weiter anknüpfen, wo Cohn aufgehört hat, und die protektionistische Politik zurückdrängen.

Trump trifft Entscheidungen aus dem Bauch heraus und überlässt es seinen Beratern, sich um die Details zu kümmern. In diesem Fall versucht der Präsident, zwei Parteien zu dienen: den Freihandel-Verfechtern, die schon seit langem eine tragende Säule der GOP (Republikaner oder Grand Old Party) Parteibasis darstellen und den 'Rust Belt'-Protektionisten, die ihn gewählt haben. 

Ökonomen können sich darüber streiten, wie viel oder wie wenig sich die neuen Strafzölle auf die Verbraucherpreise auswirken und ob sie die Vorteile der Steuersenkungen zunichte machen werden. Die zunehmende Diskussion über Strafzölle ist jedoch ein deutliches Zeichen, dass Trump bereits mit Blick auf 2020 vorausdenkt, um ein Wahlversprechen an seine 'Rust Belt'-Anhänger wiedergutzumachen. Er unterbreitete eigentlich sein Wiederwahl-Gebot, als er im Februar Brad Parscale zu seinem Wahlkampfmanager ernannte. Die große Frage wird sein, ob die wahrgenommenen Vorteile für die Stahl- und Aluminiumindustrie im Mittleren Westen den potentiellen Preisdruck auf die stark republikanischen Agrarstaaten seiner Basis politisch aufwiegen werden.

Diese Aktionen zeigen der Welt weiterhin, dass die 'America First'-Agenda des Präsidenten Realität ist. Ob wir ihn nun mögen oder nicht, Trumps Anordnung, den Diebstahl geistigen Eigentums in den USA durch China zu untersuchen, war eine Maßnahme, zu der sich zuvor noch kein Präsident bereit erklärt hatte. Er hat zudem angedeutet, dass er mehr als bereit ist, zusätzliche Strafzölle auf Produkte in Erwägung zu ziehen, sollten die Chinesen die Rechte an geistigem Eigentum weiterhin ignorieren. Da wir uns den kritischen Zwischenwahlen in diesem Jahr nähern, könnten die Maßnahmen des Präsidenten zu Strafzöllen und Steuerreformen die GOP zum Scheitern bringen. Laut Umfragen hält zwar ein großer Teil der Amerikaner von Präsident Trump als Person nicht viel, doch vielen gefällt, was er in Washington erreicht: sie loben seine Bereitschaft, sich für die amerikanischen Interessen einzusetzen.


Leicht zu gewinnen?

Der Handel ist kein Nullsummenspiel, so dass es, entgegen der Behauptung des Präsidenten, dass "Handelskriege leicht zu gewinnen sind", zutreffender wäre zu sagen, Handelskriege haben keine Gewinner.* Die politische Rhetorik von Washington – und die Reaktion von Peking und anderer Hauptstädte – ist eine Lose-Lose Situation, die dazu beigetragen hat, den Aktienmarkt in den letzten Wochen nervös zu machen. Trotz der jüngsten handelsbedingten Marktvolatilität sind wir der Meinung, dass es mehrere Gründe gibt, warum Anleger das ganze Getöse um den Freihandel* hinter sich lassen sollten. Denn aktuell entwickelt sich die Weltwirtschaft positiv. In den meisten Regionen herrscht kräftiger Konsum, ein Rückgang von Sparmaßnahmen der Regierung und steigender Kapitaleinsatz. Darüber hinaus hat der Welthandel an Fahrt zugenommen, nach der Verlangsamung in den Jahren 2012 – 2016.

Das aktuelle Umfeld ist kaum vergleichbar mit dem klassischen und abschreckenden Beispiel des Protektionismus, dem Smoot-Hawley-Zollgesetz. Das Zollgesetz wurde 1930 erlassen, nachdem die USA bereits in eine Rezession gestürzt waren – und hat diese nur noch verschlimmert. Die Stärke der heutigen Weltwirtschaft sollte die von den Märkten gefürchteten "Worst-Case-Szenarien" eindämmen. Wir bezweifeln, dass der Präsident es eilig hat, die positiven wirtschaftlichen Auswirkungen seiner Steuersenkungen durch Fehlentscheidungen im Freihandel zunichte zu machen. Präsident Trump hört auf den Aktienmarkt, wie er auf seine Parteibasis hört.

Außerdem sollte Anlegern bewusst sein, dass zähe Handelsgespräche bisher mehr Rhetorik als tatsächliche Politik darstellten. Nach nur 15 Monaten im Amt ist ein Muster innerhalb der Trump-Regierung entstanden: feindliche Tweets und Drohungen gefolgt von pragmatischen Verhandlungen und Kompromissen. Etwa bei dem Thema NAFTA handelt es sich um ein kompliziertes und komplexes multilaterales Abkommen, das nicht mal eben durch einen "Tweetstorm" abgeändert werden kann. Desgleichen sind die Chinesen letztlich Pragmatiker, wenn es um Handelsströme geht. Die meisten Handelspartner erkennen an, dass die Schaffung einer funktionierenden Handelspolitik einen längeren und ernsthafteren Prozess erfordert.


* Das Grundmodell des Freihandels erklärt das Zustandekommen des Außenhandels zwischen zwei Ländern und die daraus entstehenden Außenhandelsgewinne für beide Länder. Dieses Modell garantiert nicht, dass innerhalb eines Landes Arbeitskräfte in exponierten Industrien nicht benachteiligt wären.


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