Deutschland wählt – Europa wartet

Azad Zangana, Volkswirt für Europa beim britischen Vermögensverwalter Schroders, mit seiner Sicht zur Bundestageswahl am 22. September.

09.09.2013 | 11:17 Uhr

„Wir sehen Angela Merkel als Wahlsiegerin, womit sie auch inoffizielle Anführerin der Eurozone bleiben wird. Als Koalitionspartner glauben wir an eine schwarz-rote, schwarz-grüne oder schwarz-rotgrüne Koalition – und dass, obwohl beide großen Parteien in Deutschland im Vorfeld der Wahl eine große Koalition vehement ausgeschlossen haben.

Doch unabhängig von der genauen Konstellation: Die künftige deutsche Regierung wird ihre Haltung gegenüber den europäischen Peripherieländern lockern. Das sollte allerdings nicht mit Passivität verwechselt werden. Griechenland braucht ganz offensichtlich weitere Hilfen, und die gehen zu Lasten offizieller Institutionen und damit letztendlich zu Lasten der europäischen Steuerzahler.

Haben wir Recht mit unseren Erwartungen einer möglichen Koalition, wird das sicherlich nicht alle Marktteilnehmer erfreuen: Die neue Regierung wird einen härteren Kurs gegenüber Banken einschlagen, was auch die Anleger trifft, die in Banken investiert sind – sowohl über Aktienbeteiligungen als auch über Anleihen.

Die CDU versucht, der SPD Wählerstimmen abzujagen, weshalb auch der letzte Haushaltsentwurf von Angela Merkel Pläne zur Einführung einer Vermögenssteuer, Bankabgaben und einer Finanztransaktionssteuer enthielt – alles Ideen, die voraussichtlich zukünftig auch auf europäischer Ebene eingeführt werden könnten. Die größten Auswirkungen hätte das vor allem für Spanien und Italien, wo weiterhin eine Umstrukturierung des Bankensystems nötig ist. Es scheint nun so, als handele Merkel zu Gunsten von Anleiheinvestoren, während Sparer mit Einbußen rechnen müssen, was sehr an die Situation in Zypern erinnert. Dieses Vorgehen wird nun auf europäischer Ebene durch den einheitlichen Abwicklungs-Mechanismus im Rahmen der Bankenunion formalisiert, der für Verluste zunächst Investoren in die Pflicht nehmen wird, bevor Mittel aus dem EU-Stabilitätsmechanismus zur Rekapitalisierung von Banken fließen.

In die gleiche Kerbe wird wohl auch die Europäische Zentralbank EZB schlagen: Sie wird aller Erwartung nach in ihrer neuen Rolle als einheitliche europäische Bankenaufsicht eine Prüfung der Investment-Qualität („Asset Quality Review“) durchführen. So soll festgestellt werden, welche Qualität die Darlehen der Banken wirklich haben, sollte sich das makroökonomische Umfeld verschlechtern. Im Anschluss an diese Überprüfung der Investments wird die EZB einen Stresstest für die Bilanzen der Banken mit verschiedenen ungünstigen Makro-Szenarien durchführen. Beides, sowohl die Investment-Qualitäts-Prüfung als auch der Stresstest, wird wahrscheinlich Defizite in der Menge und Qualität des Kapitals, das Banken halten, aufzeigen.

Das große Risiko ist, dass die EZB vor dem Hintergrund einer eher unfreundlichen Haltung gegenüber deutschen Banken einen beschleunigten Rekapitalisierungs-Prozess erzwingen wird. Dies würde zwangsläufig dazu führen, dass Banken ihre Kreditvergabe weiter einschränken, weil sie keine Möglichkeiten haben, ihr Kapital durch Aktien-Emissionen zu erhöhen. Insgesamt ist es eher unwahrscheinlich, dass die deutsche Bundestagswahl für sich genommen zu einem Ergebnis führt, das den Ausblick für Europa dramatisch ändert. Aber erst nach der Wahl wird der nötige Erholungsprozess wieder durchstarten, und das bringt dann erhöhtes politisches Risiko und Markt-Volatilität mit sich.“

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