Robeco: Käufer von Nachhaltigkeitsfonds wollen wirklich etwas verändern

Nachhaltigkeit

Käufer von Nachhaltigkeitsfonds wollen wirklich etwas verändern Weshalb kaufen Anleger Nachhaltigkeitsfonds und wie wirken sich ihre Entscheidungen auf die Asset-Preise aus? Über diese Themen haben wir mit Paul Smeets diskutiert, der Professor für Philanthropy und Sustainable Finance an der Universität Maastricht ist.

04.06.2020 | 14:45 Uhr

In einem kürzlich veröffentlichten Research-Papier vertreten Sie die Ansicht, das intrinsische soziale Präferenzen von zentraler Bedeutung für die Wahrscheinlichkeit sind, mit der ein Anleger nachhaltige Aktienfonds hält. Können Sie uns erklären, was Sie mit sozialen Präferenzen meinen und weshalb Sie diese Erkenntnis für so wichtig halten?

Paul Smeets: „Wenn ich von sozialen Präferenzen und Nachhaltigkeit spreche, beziehe ich mich stets auf die Ziele zur nachhaltigen Entwicklung der UN. Diese decken unterschiedliche Aspekte ab – vom Kampf gegen den Klimawandel über angemessene Arbeitsbedingungen und Wirtschaftswachstum bis hin zu sauberem Wasser und Gleichbehandlung der Geschlechter. Das ist meine allgemeine Sichtweise in Bezug auf Nachhaltigkeit.“

„Mein Mitverfasser und ich fanden heraus, 1dass für den einzelnen Anleger die Motivation zum Kauf von Nachhaltigkeitsfonds nicht die Erwartung einer besseren Wertentwicklung oder eines geringeren Risikos ist. Der Grund ist vielmehr der, dass sie wirklich etwas verändern wollen. Sie wollen einen positiven Effekt für die Umwelt bewirken oder sie wollen eine Verbesserung in Bezug auf die Menschenrechte erreichen.“

„Diese Überlegungen scheinen mit Abstand die wichtigsten bei der Entscheidung zu sein. Unterdessen neigen Experten in der Finanzbranche dazu, den Hauptfokus auf Risiko und Ertrag zu legen. Natürlich sind Risiko und Ertrag wichtig. Unsere Studie zeigt aber, dass sie nicht die ausschlaggebenden Faktoren dafür sind, dass jemand einen Nachhaltigkeitsfonds kauft.“ 

Ein weiterer wichtiger Aspekt, auf den Sie hinweisen, ist das Setzen sozialer Signale. Meinen Sie, dass das Halten eines Nachhaltigkeitsfonds als Kennzeichen eines bestimmten sozialen Status gelten kann?

„Überlegen Sie selbst: Eine Solaranlage auf dem Dach ihres Hauses oder ein Auto mit Hybridantrieb wirken sich positiv auf Ihr Ansehen aus. Denn andere Leute sehen das Solarpanel auf Ihrem Dach oder das Hybridauto, das Sie fahren. Dasselbe gilt sinngemäß für Investmentfonds. Wir haben umfassend analysiert, wieviel die Leute über ihre Geldanlagen sprechen, und fanden heraus, dass diejenigen, die am meisten darüber reden, mit höherer Wahrscheinlichkeit Nachhaltigkeitsfonds kaufen, weil sich dies positiv auf ihren Ruf auswirkt.“

Sie meinen also, dass dieses Signalverhalten, das bei großen institutionellen Anlegern verbreitet ist, die viel über ihre nachhaltige Investments kommunizieren, auch bei individuellen Anlegern gängig ist?

„Ja, vollkommen. Die Leute wollen sich stets selbst als gute Menschen sehen und auch von anderen so wahrgenommen werden. Denken Sie nur an all die Namen bedeutender Stifter, die auf den Universitätsgebäuden in den USA zu sehen sind. Unsere Untersuchungen zeigen, dass dies auch für die Geldanlagen von Privatanlegern gilt. Die Leute wollen nicht als jemand gelten, der in Waffen oder Tabakprodukte investiert.“

Sie legen auch dar, dass finanzielle Motive bei der Entscheidung für nachhaltige Aktien eine relativ geringe Rolle spielen. Dennoch stellt man fest, dass Anleger, die von Nachhaltigkeitsfonds niedrigere Erträge erwarten, diese mit geringerer Wahrscheinlichkeit halten. Das klingt etwas widersprüchlich.

„Wir haben herausgefunden, dass Leute mit niedrigeren Ertragserwartungen mit etwas geringerer Wahrscheinlichkeit Nachhaltigkeitsfonds kaufen. Allerdings haben wir auch festgestellt, dass eine positive soziale Einstellung der Leute – die wir in einem Experiment ermittelt haben, bei dem getestet wurde, wie viel Geld Menschen bereit sind zu teilen – eine weit höhere Prognosekraft als die Renditeerwartungen für die Wahrscheinlichkeit hat, dass jemand in einen Nachhaltigkeitsfonds investiert. Demnach sind beide Aspekte relevant, jedoch ist der soziale Aspekt einfach wichtiger als der finanzielle.“

In ihrem Fazit weisen Sie auch darauf hin, dass soziale Präferenzen sowie auf das soziale Ansehen bezogene Motive in dem Maß die Asset-Preise stärker beeinflussen können, in dem der Anteil sozial verantwortungsvoller Investoren am Markt weiter zunimmt. Um was für einen Einfluss geht es hier?

„Ich will Ihnen ein anschauliches Beispiel geben. Heutzutage meiden viele Investoren Zigarettenhersteller, weshalb die Kurse von Tabakaktien gesunken sind. Das erklärt, weshalb diese Titel nunmehr eine bessere Rendite abwerfen. Denn während die Kurse niedriger sind, sind die Dividenden dieselben geblieben. Ich glaube, dass so etwas immer häufiger geschieht, während die Zahl nachhaltiger Investoren weiter steigt.“

„Im Fall von Tabakprodukten verfolgen viele institutionelle Investoren tatsächlich ähnliche Ausschlussgrundsätze. Etwas ähnliches war beim Börsengang von Saudi Aramco zu beobachten. Die Regierung von Saudi-Arabien konnte den angestrebten hohen Emissionskurs nicht erreichen, da viele Investoren letztlich dachten: „Moment. Ich will nicht an einem Unternehmen beteiligt sein, dass in Bezug auf die Menschenrechte und den Klimawandel sehr schlecht abschneidet.“

Könnte es aber auch andersherum sein? Dass die Leute also scharenweise Aktien kaufen, die als überdurchschnittlich nachhaltig gelten?

„Auf kurze Sicht könnten die Aktien nachhaltiger Unternehmen eine Outperformance erzielen, da Assetmanager größeres Gewicht auf Nachhaltigkeit legen und die Anleger mehr nachhaltige Titel kaufen. Dadurch würden die Aktienkurse steigen und eine höhere Rendite abwerfen. Somit könnte es zu einer zeitweiligen Fehlbewertung von Aktien nachhaltiger Unternehmen kommen. Diejenigen, die früher eingestiegen sind, könnten davon profitieren. Spätere Käufer dagegen könnten mit einem Risiko konfrontiert sein.“

„Auf lange Sicht dagegen ist mit niedrigeren Renditen zu rechnen, wenn die Nachfrage nach Nachhaltigkeitstiteln steigt. Die Anleger müssten dann Aktien nachhaltiger Unternehmen zu einem höheren Kurs kaufen. Damit könnte aber auch ein geringeres Risiko verbunden sein, da einige empirische Beobachtungen darauf hindeuten, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeit Risiken verringern hilft. Erinnern Sie sich an die aufsehenerregende Warnung des Chefs der Bank of England, Mark Carney, vor den Risiken für institutionelle Anleger im Zusammenhang mit dem Klimawandel?2“

„Dessen ungeachtet müssen wir im Hinterkopf behalten, dass es keinen hinreichenden Konsens darüber gibt, was Nachhaltigkeit bedeutet und wie sie gemessen werden sollte. Das macht es schwer, verlässliche Schlussfolgerungen hinsichtlich ihres Effekts auf die Asset-Preise zu ziehen. Nehmen Sie zum Beispiel Nachhaltigkeits-Ratings: Einige Anbieter betrachten dabei nur die Produkte der Unternehmen, während andere auch die Produktionsprozesse berücksichtigen.“

Ein Aspekt, auf den Sie hinweisen, bezieht sich auf regionale Unterschiede. Sie legen dar, dass ihre Ergebnisse auf andere Länder übertragbar sind, da sie von bestimmten Einstellungen in Bezug auf die Umwelt oder vom Verhalten wohltätiger Stiftungen getrieben werden. Dennoch unterscheidet sich das Ausmaß der Verbreitung nachhaltiger Geldanlagen von Land zu Land sehr stark. Wie erklären Sie sich das?

„In der Tat ist die Zahl der Anleger, die an Nachhaltigkeitsfonds beteiligt sind, in den Niederlanden relativ hoch. Doch weichen die Präferenzen von Niederländern nicht von denjenigen deutscher oder spanischer Investoren beispielsweise ab. Die Niederländer liegen im Mittelfeld. Die von Ihnen genannten Unterschiede haben also mehr mit Angebotsaspekten zu tun. Es ist nicht so, dass die Kunden in bestimmten Ländern nicht zu einer besseren Welt beitragen wollen.“

„Tatsächlich ist der Hauptgrund dafür, dass Leute nicht nachhaltig investieren, schlicht der, dass sie nie darüber nachgedacht haben. Aus diesem Grund will die EU-Kommission es demnächst für Finanzinstitutionen verpflichtend machen, ihre Kunden zum Thema Nachhaltigkeit zu befragen, so wie sie das auch in Bezug auf ihre Risikotoleranz tun. Somit gibt es ein großes Potenzial zur Weiterentwicklung nachhaltiger Investments.“

 

 

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