Nach Jahrzehnten im Schatten seiner skandinavischen Nachbarn erstrahlt Finnland als neues Nordlicht in punkto Nachhaltigkeit.
06.01.2022 | 07:50 Uhr
In der Herbstausgabe de Robeco Country Sustainability-Rankings ist
Finnland als führend in Bezug auf das Nachhaltigkeitsprofil des Landes
hervorgetreten. Damit hat Finnland erstmals die besten Noten erhalten,
nachdem lange Zeit Schweden und Norwegen in Sachen ESG an der Spitze
standen. Finnland hat Schweden auf den zweiten Platz verwiesen, gefolgt
von den skandinavischen Ländern Dänemark, Norwegen und Island. Ebenfalls
sehr gut abgeschnitten haben weitere europäische Staaten sowie
Neuseeland, Australien und Kanada.
Auf den unteren Rängen finden sich Südafrika, Ägypten, Indien, Nigeria und Pakistan, wenn man nur die 50 investierbaren Länder betrachtet (siehe Abbildung 1).
Umwelt- und Governanceaspekte haben im jüngsten Ranking den Ausschlag
gegeben. Schweden ist im Hinblick auf Governance zurückgefallen und
konnte dies trotz sehr guten Abschneidens im Hinblick auf die Bereiche
Soziales und Umwelt nicht kompensieren. Finnland übertraf den
EU-Durchschnitt in Bezug auf alle 15 ESG-Kriterien. Entscheidend zur
Führungsposition im abschließenden Länder-Nachhaltigkeitsranking für
2021 waren jedoch die im Vergleich zu anderen skandinavischen und
europäischen Staaten hohen Umwelt-Scores.
Finnlands ausgeprägte Vorschriften zum Umweltschutz haben die Verschmutzung wirksam reduziert und den Naturschutz sowie die Bewahrung der Biodiversität vorangebracht. Mit einem Anteil von fast 40 % erneuerbarer Energien am Energiemix ist das Land auch weltweit führend beim Übergang seines Energiesektors in eine Zukunft mit niedrigen CO2-Emissionen. Außerdem haben Finnlands leistungsfähige Institutionen dazu beigetragen, die Coronavirus-Infektionsfälle zu begrenzen und wirtschaftliche Schäden im Zuge der Pandemie weitgehend zu vermeiden.
Andere Länder haben nicht so gut abgeschnitten. Da die Pandemie weiter
anhält, lässt sich derzeit das volle Ausmaß der Beeinträchtigung des
Nachhaltigkeitsprofils nicht bestimmen. Allerdings ist bereits klar,
dass die Pandemie die Fortschritte in allen ESG-Dimensionen ins
Gegenteil verkehrt hat. Die Unterschiede im Hinblick auf Ausbildung,
Gesundheit und Armut sowie soziale Ungleichheiten nehmen zu. Dabei sind
weniger entwickelte Staaten am stärksten betroffen. Die demokratische
Governance wurde ebenfalls beeinträchtigt, da autoritäre Regime in der
ganzen Welt wirtschaftliche Unsicherheiten und soziale Unruhen zu ihrem
eigenen Vorteil ausgenutzt haben. Im fünften Jahr in Folge machen die
Governance-Daten deutlich, dass sich die Welt auf antidemokratische
Strukturen zubewegt.
Abbildung 1 | Fünf beste und schlechteste Länder in punkto Nachhaltigkeit
Datenquelle: Robeco, Länder-Nachhaltigkeits-Scores zum Oktober 2021.
Datenhinweis: Die fünf eingerahmten Staaten in der Mitte der Abbildung stellen die fünf Schwellenländer mit dem niedrigsten Ranking im Anlageuniversum dar, das aus den 50 entwickelten und aufstrebenden Volkswirtschaften mit dem höchsten nominalen BIP besteht. Bezieht man alle 150 Länder des ESG-Universums ein, markieren der Tschad, Libyen, die Zentralafrikanische Republik, der Sudan und Jemen die untersten Plätze.
Hongkong steht an der Spitze der Länder, die den zweifelhaften Rang genießen, sich in den letzten drei Jahren am stärksten abwärts entwickelt zu haben. Das Nachhaltigkeitsprofil des Landes verschlechtert sich weiter, während China seine Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten und demokratischen Rechte aufrechterhält. Demgegenüber haben sich die Regierungen der Türkei, Argentiniens und Nigerias die Verschlechterung ihrer ESG-Scores und Länderpositionen selbst zuzuschreiben. Aktuell kennzeichnen mangelndes Vertrauen und mangelnde Funktionsfähigkeit sowohl ihre Politik als auch ihre Institutionen. Hoffnungen auf Reformen bestehen derzeit nicht.
Zu den Ländern mit einer deutlichen Abwärtsbewegung im Lauf des
Jahres 2021 gehören auch Frankreich, Indien und Brasilien. Auch wenn
Frankreich umweltpolitische Führung beansprucht, werden anfängliche
Verbesserungen laut einem Bericht der Internationalen Energieagentur
(IEA) durch übermäßige Abhängigkeit von Kernkraft und unzureichende
Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien bedroht.
Außerdem werden die Reformvorhaben von Premierminister Macron durch die
Coronavirus-Krise sowie soziale Ungleichheit beeinträchtigt, die nach
wie vor in vielen Bereichen der französischen Gesellschaft spürbar ist.
Weiter im Osten wurde das einst strahlende Image von Indien wiederholt durch Missmanagement, Fehlentscheidungen und regelrechten Machtmissbrauch beeinträchtigt. Im Hinblick auf die Außenpolitik sind Premierminister Modi und seine nationalistische Hindu-Partei in ihren Beziehungen zum Nachbarland Pakistan und den Erzfeind China auf einen harten Kurs eingeschwenkt. Innenpolitisch verfolgt die Regierung einen ebenso aggressiven Ansatz gegenüber Moslems, was die separatistische Gewalt befeuert. Des Weiteren haben sich Armut und Ungleichheiten, die der indischen Gesellschaft bereits bisher zugesetzt haben, im Zuge weiterer Coronavirus-Ausbrüche intensiviert. Vor diesem düsteren Hintergrund ist positiv zu vermerken, dass Deutschland angekündigt hat, die Energiewende in Indien und den Kampf des Landes gegen den Klimawandel zu unterstützen.
Auch wenn Hongkong abgerutscht ist, konnte sich Taiwan negativen Auswirkungen der Einschüchterungen durch das machthungrige China entziehen und hat von allen Ländern die größte Verbesserung seines Scores über einen Zeitraum von drei Jahren erzielt. Dazu beigetragen haben insbesondere leistungsfähige Governance und Innovationen. Ihre Position verbessert haben auch Südkorea, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate – vor allem in den Bereichen Governance (Südkorea) und soziale Reformen (Saudi Arabien und VAE).
Im Nahen Osten wiesen Israel und Qatar erhebliche kurzfristige
Verbesserungen auf. Qatar profitierte von Reformen für Wanderarbeiter im
Vorfeld der Austragung des FIFA World Cup 2022. Im Fall von Israel
machten sich Verbesserungen im Hinblick auf Menschenrechte, Verringerung
von Armut und politischen Risiken positiv bemerkbar. Unter den
europäischen Ländern haben die Tschechische Republik und Dänemark ihr
Ranking verbessert. Beide wiesen verbesserte Scores in Bezug auf
Korruption, politische Risiken und allgemeine wirtschaftliche Gleichheit
auf.
Die Stärke und Verlässlichkeit des Robeco Country Sustainability Ranking bestätigt sich, wenn man die Ergebnisse mit hochangesehenen Indizes externer Institutionen vergleicht. Relevanter für Anleger ist die hohe Korrelation zwischen dem Länderranking von Robeco und den Staatsanleihen-Ratings von Fitch, Moody's und S&P. Länder mit besseren ESG-Scores weisen auch höhere Staatsanleihen-Ratings auf; umgekehrt korrelieren geringere ESG-Scores mit niedrigeren Ratings. Die starke Korrelation gilt auch für Credit Default Swaps (CDS) auf Staatsanleihen. Bei Ländern mit sehr gutem ESG-Profil sind die CDS-Spreads geringer, während diese im Fall von Staaten mit schlechterem ESG-Profil tendenziell höher sind.
Die Informationen auf der nachfolgenden Website der Robeco Deutschland, Zweigniederlassung der Robeco Institutional Asset Management B.V., richten sich ausschließlich an professionelle Kunden im Sinne von § 31a Abs. 2 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wie beispielsweise Versicherungen, Banken und Sparkassen. Die auf dieser Website dargestellten Informationen sind NICHT für Privatanleger bestimmt und entsprechen nicht den für Privatanleger maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen.
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