abrdn: Nachhaltige Anlagen in China

abrdn: Nachhaltige Anlagen in China
Nachhaltigkeit

Chinas Versprechen, Klimaneutralität zu erreichen, ist ein Beispiel dafür, wie Regierungen ihre Wirtschaften weg von Exporten und CO2-intensiven Branchen und hin zu Dienstleistungen und Umweltschutz verändern.

31.03.2022 | 06:36 Uhr

Die Dekarbonisierung ist zu einer strategischen Priorität geworden. China hat sich dazu verpflichtet, bis 2030 den Höchststand bei den Emissionen und bis 2060 Klimaneutralität zu erreichen. Die Unternehmen des Landes nehmen eine Führungsrolle bei der Entwicklung erneuerbarer Energien weltweit ein, indem sie Komponenten herstellen und Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stellen.

Doch lässt sich daraus schließen, dass ein Investment in China mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit vergleichbar ist? Immerhin bestehen Sorgen im Hinblick auf die Auswirkungen von Branchen, die einen Bezug zur jahrelangen, starken Wirtschaftsexpansion aufweisen, auf die Standards in Sachen Corporate Governance und die Wahrnehmung, dass chinesische Firmen nicht immer zum Nutzen aller Anspruchsgruppen geführt werden, und auf die Regierungsinterventionen in verschiedenen Wirtschaftssektoren.

Die entscheidende Frage ist, wie man sich angesichts der Chancen wie auch der Risiken in China engagieren sollte. Können Anleger ein Exposure in China aufbauen ohne Kompromisse in Bezug auf ökologische, soziale und Governance-Belange (ESG-Belange) einzugehen?

Unserer Erfahrung nach stellt China einen Markt dar, an dem die Anleger aktiv vorgehen müssen, und das nicht nur bei der Titelauswahl, sondern über den gesamten Anlageprozess hinweg – von der Due Diligence über das Portfoliomanagement bis hin zum Dialog. Für eine Anlage in China sind tiefgreifendere und differenziertere ESG-Analysen vonnöten als an vielen anderen Märkten.

Wir gehen davon aus, dass die verstärkten regulatorischen Eingriffe in Bereichen wie Bildung, Technologie, Immobilien und Gesundheit anhalten werden. Doch das heißt nicht zwangsläufig, dass Anleger diese Sektoren meiden müssen.

Einige Titel dürften von den Bemühungen um einen „gemeinsamen Wohlstand“ profitieren, so etwa Unternehmen, die zur Bewältigung von Herausforderungen im Inland im Hinblick auf den Zugang zur Gesundheitsversorgung, die Energiesicherheit und den Übergang zu erneuerbaren Energien beitragen. Dadurch dürften sich Gelegenheiten infolge von Fehlbewertungen ergeben. Durch umfassendes Research und ausführliche Analysen auf makro- und mikroökonomischer Ebene ist es unserer Ansicht nach möglich, unterschiedliche Qualitätsabstufungen bei chinesischen Anlagen auszumachen.

Wesentliche ESG-Faktoren

Der Fortschritt, den chinesische Unternehmen im Hinblick auf ESG erzielt haben, darf nicht außer Acht gelassen werden und ist etwas, das Anleger, die kein direktes Engagement in China aufweisen, oftmals nicht wertschätzen. Die Standards entwickeln sich weiter, die Offenlegungen verbessern sich und die Vorschriften in Bezug auf soziales und ökologischen Verhalten werden strenger. Es besteht mittlerweile ein viel besserer Austausch zwischen Unternehmen und Investoren als noch vor 5-10 Jahren.

Immer mehr chinesische Unternehmen legen inzwischen ihre Auffassungen zur Nachhaltigkeit, ihre Ziele zur Senkung ihres CO2-Fußabdrucks sowie ihre Rahmenstrukturen für die Ausmerzung ESG-bezogener Risiken dar. Es bleibt jedoch noch einiges zu tun. Obwohl sich die Offenlegungsstandards verbessern, bleiben sie oft noch hinter den Anlegererwartungen zurück. Nachfolgend legen wir die wesentlichen ESG-Belange, die wir bei einer Anlage in China berücksichtigen, sowie unseren Ansatz diesbezüglich dar.

Lieferketten

Im Rahmen unseres Anlageprozesses führen wir Research und Analysen zu den Arbeits- und Lieferkettenproblemen von Unternehmen durch. Dazu zählen beispielsweise Zwangsarbeit und moderne Sklaverei. Wir bringen gegenüber Unternehmen seit jeher zum Ausdruck, dass wir Zwangsarbeit in den Lieferketten keinesfalls tolerieren. Machen wir Risiken in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen aus, gilt unsere oberste Priorität sicherzustellen, dass die in unserem Portfolio vertretenen Unternehmen nicht darin verwickelt sind (entweder direkt durch ihren Betrieb oder indirekt durch ihre Lieferketten). Sollte unser Due-Diligence- oder Dialog-Prozess ein unzufriedenstellendes Ergebnis zur Folge haben, werden wir uns nicht bei dem Unternehmen engagieren. Dies steht für uns nicht zur Debatte und wir haben uns in der Vergangenheit bereits aufgrund von Sorgen in Bezug auf Menschenrechte von Unternehmen getrennt (für Unterstützung sorgt hier unser aktiver Anlageansatz).

Wir erkundigen uns bei den Unternehmen nach den Strukturen, Prozessen und Kontrollmechanismen, über die sie im Hinblick auf die Lieferketten verfügen. Wir sprechen mit Fachexperten, darunter Lieferketten- und Einkaufsleiter. Doch wir verlassen uns nicht ausschließlich auf die Angaben der Unternehmen. Wir wenden uns auch an die Akteure im Ökosystem eines Unternehmens – Lieferanten, Kunden, Mitbewerber und Branchenexperten. Wir ermutigen alle Unternehmen dazu, strukturierte Offenlegungspraktiken zu etablieren, einschließlich in Bezug darauf, wie sich das Lieferkettenmanagement gestaltet.

Staatlicher Einfluss

Ein weit verbreiteter Irrtum betrifft die Auffassung, dass die chinesische Wirtschaft von Unternehmen in Staatsbesitz beherrscht wird. In Wirklichkeit haben private Unternehmen heute einen weitaus größeren Anteil.

Es sollte auch berücksichtigt werden, dass nicht alle Staatsbetriebe gleich sind. Die Managementteams unterscheiden sich im Hinblick auf ihren Unternehmergeist, ihre Professionalität und ihre Unabhängigkeit. Um diese Unterschiede aufdecken zu können, sind eine umfassende Due Diligence und ein konstruktiver Ansatz für Treffen mit der Unternehmensleitung vonnöten.

Transaktionen mit verbundenen Parteien

Der Aktienbesitz in China kann stark konzentriert sein und die Hauptaktionäre sind möglicherweise an mehreren öffentlichen und privaten Unternehmen beteiligt. Transaktionen mit verbundenen Parteien zwischen einem börsennotierten Unternehmen und einer verbundenen Partei (Aktionäre, Verwaltungsratsmitglieder, Schwestergesellschaften, Lieferanten oder andere) können sich schwierig gestalten. Es bestehen klare Interessenkonflikte. Derartige Transaktionen zählen aber auch zum in China üblichen Geschäftsgebaren.

Als Anleger müssen wir uns der diesbezüglichen Risiken bewusst sein und wissen, wie wir diese steuern können. Unser Due-Diligence-Prozess beginnt dabei stets bei den Mehrheitsaktionären. Wir prüfen deren Hintergründe, um die Interessensverteilung zu verstehen und herauszufinden, welche Beziehungen sie zu privat gehaltenen Vehikeln unterhalten und wie diese Interessen miteinander konkurrieren. Wir beurteilen die Kompetenz und das Engagement der Verwaltungsräte und Managementteams der Unternehmen.

Überdies nehmen wir eine ausführliche Prüfung der Transaktionen vor, um ein vollständiges Verständnis der Gründe und der Preisgestaltung zu erlangen. Wir möchten wissen, ob eine Transaktion im normalen Geschäftsbetrieb erfolgte, warum eine Gegenpartei gesucht wurde und wie der Preis festgelegt wurde. Beleuchtet werden zudem der Governance-Prozess, die verantwortlichen Verwaltungsratsmitglieder sowie die vorhandenen Kontrollmechanismen. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil unseres Anlageansatzes.

Klima und Umwelt

China weist gleichzeitig den höchsten CO2-Ausstoß1 als auch die höchsten Investitionen in erneuerbare Energie weltweit auf.2 Im Hinblick auf das verarbeitende Gewerbe entfallen auf China 28% der globalen Produktion, was im Einklang mit dem Anteil des Landes an den globalen Emissionen steht.3

China investiert bereits seit Jahrzehnten in die Erforschung erneuerbarer Energien, wodurch das Land in der Lage ist, sich ehrgeizige Dekarbonisierungsziele zu setzen. Dies zieht Anlagegelegenheiten nach sich – sowohl am Heimatmarkt als auch international, da chinesische Firmen für erneuerbare Energien zu den Branchenführern zählen und wesentlich zu den globalen Dekarbonisierungsbemühungen beitragen.

Chinesische Unternehmen sind sich ihres CO2-Fußabdrucks zunehmend bewusst. Bei unseren Researchaktivitäten halten wir Ausschau nach Unternehmen, die ihre Energieeffizienz maximieren, ihre CO2-Bilanz minimieren und Produkte oder Dienstleistungen zur Verfügung stellen, die dies auch anderen Unternehmen ermöglichen. Insgesamt stellen die Unternehmen Daten zu diesen Belangen zur Verfügung, welche den Ausgangspunkt für unseren Dialog darstellen.

Wir sprechen mit Unternehmen, um herauszufinden, wie diese die Risiken in Bezug auf CO2-Emissionen, Wasser und Energie steuern. Doch obschon chinesische Firmen oftmals bereit sind, Momentaufnahmen wie z.B. den Wasserverbrauch im laufenden Jahr offenzulegen, können sie weniger gewillt sein, ihre Ziele öffentlich preiszugeben, aus Angst, diese nicht zu erreichen. Gleichzeitig gibt es auch Unternehmen, die weitaus mehr tun als sie angeben. Oftmals kann es den Anschein haben, als würden einige Firmen nichts unternehmen, obwohl sie dies unserer Erfahrung nach durchaus tun und einfach nicht offenlegen.

Anlagegelegenheiten

Wir treten in einen Dialog mit Unternehmen und arbeiten gemeinsam mit diesen daran, die Standards und die Offenlegung zu verbessern. Wir vermitteln Best Practices, z.B. die Vorgehensweise von Mitbewerbern in anderen Märkten. In der Regel ergibt sich daraus ein mehrjähriger Austausch.

China ist zwar ein Markt, der klare Anlagegelegenheiten bietet. Es bestehen allerdings auch ESG-Herausforderungen. Unseres Erachtens lassen sich diese Risiken aber mit einem angemessenen Anlageprozess steuern. Selbstverständlich ist China ein Markt, der eine langfristige Perspektive erfordert. Die Anleger müssen sich auf Volatilität gefasst machen, sollten ihr Vertrauen aber nicht verlieren, wenn sie sich die langfristigen, strukturellen Wachstumschancen in China zunutze machen wollen.

In China ist ein aktives Vorgehen bei der Titelauswahl und dem Anlageprozess erforderlich – von der Due Diligence über das Portfoliomanagement bis hin zum Dialog mit Unternehmen. Um vom langfristigen Wachstum Chinas zu profitieren, sollten Anleger unseres Erachtens

  • alle Belange und Facetten verstehen,
  • Veränderungen erkennen und sich daran anpassen,
  • eine aktive Due Diligence verfolgen,
  • einen aktiven Dialog mit Unternehmen führen, um einen Wandel voranzutreiben, und
  • sich die Volatilität zunutze machen, um ein Exposure bei langfristigen Gewinnern aufzubauen.

Anleger, die diesem Ansatz folgen, dürften durch langfristige Wachstumschancen belohnt werden.

1 China’s Role in Climate Change: The Biggest Carbon Emissions Polluters (bloomberg.com)

2 Global Trends in Renewable Energy Investment Report 2018 (unep.org)

3 https://data.worldbank.org/indicator/NV.IND.MANF.CD?locations=CN-1W

Investitionen beinhalten Risiken. Der Wert von Anlagen und die daraus entstehenden Erträge können sowohl fallen als auch steigen, und es ist möglich, dass ein Investor weniger als den investierten Betrag zurückerhält. Die Wertentwicklung in der Vergangenheit lässt keine Rückschlüsse auf zukünftige Ergebnisse zu.

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