RBC BlueBay AM: „Sehen wir eine verzerrte Zinsprognose der US-Notenbank?"

Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC BlueBay Asset Management
Marktkommentar

Kommende Woche treffen sich die Federal Reserve Bank (Fed) und die Bank of Japan (BoJ), um geldpolitische Entscheidungen zu treffen.

15.03.2024 | 12:20 Uhr

Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC BlueBay Asset Management, teilt seine Einschätzung zu den anstehenden Treffen der Notenbanken und beleuchtet die jüngsten Datenpunkte zur Inflation in den Vereinigten Staaten und die Konsequenzen einer robusten Wirtschaft auf den Anleihemarkt.

Hier sein aktueller Marktkommentar:

„In den Vereinigten Staaten erhöhte sich die Inflationsrate stärker als erwartet, woraufhin die Renditen von Anleihen anstiegen. Die Inflation scheint nicht nachzulassen, was auch der Blick auf die Kerninflationsrate in Höhe von +3,8 Prozent auf Jahressicht nahelegt.  

Eine Woche zuvor äußerte sich der Fed-Vorsitzende Jerome Powell noch optimistisch zu baldigen Zinssenkungen. Wir erwarten hingegen, dass Aussagen rund um das anstehende Notenbanktreffen dem Markt etwas mehr Geduld abverlangen werden. Angesichts robuster Wirtschaftsdaten wäre eine gemäßigtere Haltung von Powell kaum nachvollziehbar. 

Vor allem die Prognosen der Federal Reserve Bank (Fed) zur weiteren Entwicklung des Zinsniveaus dürften im Fokus des Marktes stehen. Es genügen nur wenige Fed-Mitglieder, die ihre Prognose nach oben anpassen, um dem Markt ein hawkisches Signal zu geben. 

Wir gehen weiterhin davon aus, dass das neutrale Niveau des US-Leitzinses höher liegt, als von den meisten Marktteilnehmern erwartet wird. Das bestätigen uns auch die Gespräche mit Entscheidungsträgern aus Washington. Dazu scheint es eine berechtigte Frage zu sein, ob das Zinsniveau von 5,38 Prozent überhaupt noch restriktiv ist. 

Für das neutrale Zinsniveau halten wir einen Wert von 3,5 Prozent für weitaus realistischer, als die von anderen Marktteilnehmern diskutierten 2,5 Prozent. Der Zinssenkungszyklus könnte entsprechend kürzer und weniger aggressiv verlaufen, als vom Markt derzeit eingepreist wird. 

Für das Niveau langfristiger Zinsen sprechen wir dann über einen Wert um die 4,25 Prozent oder sogar höher. Angesichts der Gespräche zu Steuersenkungen und weiteren Staatsausgaben vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, Joe Biden, und auch dem Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, erwarten wir eine Verschlechterung der Situation des US-Staatshaushaltes. 

Jene Entwicklung könnte sich in einem höheren Zinsniveau am längeren Laufzeitende von US-Staatsanleihen widerspiegeln. Vor dem Hintergrund stufen wir die langfristigen Zinsen in diesem Bereich des Marktes nicht unbedingt als günstig ein.

Wir erwarten eine Abschwächung des Wirtschaftswachstums in den Vereinigten Staaten und zwei Zinssenkungen der Fed bis zum Ende des laufenden Jahres. Aufgrund der vorab beschriebenen Entwicklungen tun wir uns dennoch schwer, dem US-Anleihemarkt das Potenzial für Renditen oberhalb des Zinsniveaus kurzfristiger Liquidität auszusprechen. Es sei denn, wir erleben einen deutlich stärkeren Wirtschaftsabschwung und eine Rezession.

In der Eurozone zeigt sich inzwischen eine gemäßigte Rhetorik zur Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Das Treffen der EZB-Entscheidungsträger in dieser Woche bestätigte unsere Annahme, dass wir die erste Zinssenkung im Juni dieses Jahres sehen werden

Die EZB könnte also vor der Fed in den Zinssenkungszyklus eintreten. Für den Wechselkurs zwischen Euro und US-Dollar halten wir daher ein Niveau in der Nähe von 1,05 EUR/USD für wahrscheinlicher, als einen Anstieg über 1,10. 

In der Eurozone verengen sich die Kreditrisikoaufschläge weiter. Die italienischen und spanischen Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren handeln nur noch zu einer Kreditrisikoprämie von 120, respektive 90 Basispunkten. Angesichts des aktuell ruhigen Umfeldes halten wir es für möglich, dass bald die Tiefpunkte dieser Kreditrisikoprämien aus dem Jahr 2021 getestet werden.

In Japan rückt die Bank of Japan (BoJ) in den Fokus. Wir denken, dass eine Zinserhöhung durch die Notenbank im März wahrscheinlich ist. Bis Ende des Jahres könnten japanische Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren auf eine Rendite von 1,25 Prozent ansteigen. 

Die kommende Woche wird bestimmt durch die Notenbanktreffen in den Vereinigten Staaten und Japan. Von Jerome Powell erwarten wir keine Überraschungen. Das Treffen der BoJ ist dagegen von mehr Unsicherheit geprägt. Hier erwarten wir eine Veränderung der Politik spätestens im April. 

Zur Geldpolitik in den Vereinigten Staaten halten wir fest, dass der Markt in jüngerer Vergangenheit eine gemäßigtere Haltung einpreiste, als es die Prognosen der Fed-Mitglieder nahelegten. Dementsprechend wäre es nicht verwunderlich, wenn die Renditen von Anleihen ein wenig ansteigen, sollten sich die Prognosen der Fed nicht ändern. 

Angesichts der anstehenden Präsidentschaftswahl in den Vereinigten Staaten gilt es zu berücksichtigen, dass sich die Fed eines möglichen positiven Effekts baldiger Zinssenkungen auf die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl Bidens bewusst ist. Auch das könnte sich in den Prognosen der Fed-Mitglieder widerspiegeln.“

Den vollständigen Kommentar in englischer Sprache entnehmen Sie bitte dem Anhang.

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