EdR AM: Humankapital – Ein Treiber nachhaltiger Unternehmensleistung

EdR AM: Humankapital – Ein Treiber nachhaltiger Unternehmensleistung
Marktkommentar

1965 definierte der spätere Nobelpreisträger Gary Becker Humankapital als „die Summe aller Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnisse, die der Mensch in den Produktionsprozess einfließen lassen kann“.

26.05.2021 | 09:44 Uhr

Von Anfang an brachte man also Humankapital und Produktionskapazität miteinander in Verbindung. Deshalb stellt sich zu Recht die Frage, welchen Einfluss diese Art von Kapital auf die Performance eines Unternehmens oder eines Landes hat.

Was 1965 als Theorie formuliert wurde, ist heute ein wichtiges Thema. Im Mittelpunkt moderner Volkswirtschaften stehen Innovation, Qualität und Kreativität. Deshalb ist das Humankapital ein maßgeblicher Erfolgsfaktor, mehr noch als das physische Kapital. Das unaufhaltsame Wachstum der wissensbasierten Wirtschaft wird diesen langfristigen Trend weiter unterstützen und verstärken. Aber auch auf der mikroökonomischen Ebene spielt Humankapital eine entscheidende Rolle. Hier erfordern die zunehmende Digitalisierung von Dienstleistungen und Unternehmen eine kontinuierliche Anpassung vom Menschen.

Lebenslanges Lernen

Mathilde Lemoine, Chefvolkswirtin der Edmond de Rothschild Group, kommt zu dem Schluss, dass „die Entwicklung des Humankapitals für die Nachhaltigkeit eines Unternehmens und einer Volkswirtschaft unabdingbar ist“ und dass zugleich „nur dessen Entwicklung und Förderung den natürlichen Rückgang des Niveaus von Wissen und Kompetenz verhindert und somit langfristiges Wachstum ermöglicht“. Eine traditionelle Ausbildung reicht nicht mehr aus. Lebenslanges Lernen ist zur Notwendigkeit geworden. Vor allem deshalb sind die Ausgaben für Fort- und Weiterbildungen am Arbeitsplatz in den letzten zehn Jahren enorm gestiegen – dem Datenanbieter Statista zufolge von 244 Milliarden US-Dollar im Jahr 2009 auf 370 Milliarden im Jahr 2019, ein Anstieg von über 50 Prozent.

Gute Studierende stechen hervor

Konkret gesagt: Ein Unternehmen, das in die Fähigkeiten seiner Belegschaft und in gute Arbeitsbedingungen investiert, profitiert von vielen Vorteilen. Erstens steigt die Produktivität. Mitarbeiter, die sich regelmäßig weiterbilden, werden niemals überflüssig, ihre Kompetenz und ihre Anpassungsfähigkeit steigen, sodass sie produktiver werden.

Zu den Investitionen in Humankapital zählt auch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Wohlbefindens der Belegschaft im Allgemeinen. Die dadurch entstehende Zufriedenheit ist ein starker Impulsgeber für den Erfolg des Unternehmens: Motivation, Engagement, Zugehörigkeitsgefühl und noch mehr steigen an. Nach einer Studie der britischen University of Warwick steigt die Produktivität eines Unternehmens, dessen Mitarbeiter sich wohlfühlen, um zwölf Prozent. Und Mozart Consulting schätzt die Kosten von Unzufriedenheit am Arbeitsplatz auf 14.580 Euro pro Mitarbeiter und Jahr.

Wie viel Aufmerksamkeit ein Unternehmen seiner Belegschaft schenkt, hängt am Ende von seiner Fähigkeit ab, fähige Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu gewinnen und im Unternehmen zu halten – und damit sein Humankapital zu steigern. So entstehen positive Wechselwirkungen. Durch Entwicklung und Förderung der Mitarbeiter bilden sich stabile Teams und reibungslosere produktivere Prozesse, die wiederum die Finanzierung von Weiterbildungsprogrammen ermöglichen. Das sind zumindest unsere Erfahrungen. Unternehmen, die sich um die Weiterbildung ihrer Belegschaft bemühen, sind in der Regel überdurchschnittlich erfolgreich. Sehr gute Beispiele hierfür sind Unternehmen wie Hermès oder Accenture. Ihr Erfolg beruht auf der außergewöhnlichen Qualität ihrer Angebote, seien es Dienstleistungen oder Produkte. Ihre vortreffliche Kultur ist das Ergebnis einer strukturierten und ständigen Weiterentwicklung des Humankapitals, die sie von ihren Wettbewerbern unterscheidet.

Hermès bildet jeden seiner Mitarbeiter jedes Jahr im Durchschnitt 30 Stunden weiter, auf allen Hierarchieebenen. Zugleich arbeitet der Luxusgüteranbieter mit lokalen Schulen oder Akademien zusammen. Das Beratungsunternehmen Accenture investiert mehr als zwei Prozent seines Umsatzes in Weiterbildung. Das sind jährlich 2.000 US-Dollar pro Kopf. Das Unternehmen gilt als Mobilitäts- und Beförderungschampion, und 88 Prozent seiner Mitarbeiter bezeichnen es als „herausragenden Arbeitgeber“ (Great Place to Work). Hermès und Accenture beweisen, dass sie in ihrem jeweiligen Markt jedes Jahr ein wenig mehr wachsen können. So hat sich der Marktanteil von Hermès in den letzten zehn Jahren verdoppelt.

Ein weiteres beeindruckendes Beispiel ist der asiatische Versicherungskonzern AIA. Das Unternehmen gilt bei seinen Mitarbeitern als bekanntermaßen guter Arbeitgeber (ausgezeichnet als Great Place to Work, Top Employer, Leading Graduate Employers etc.). Zugleich bietet es umfangreiche Weiterbildungsprogramme, mit durchschnittlich 15 Schulungsstunden pro Jahr und Mitarbeiter. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Versicherungsrepräsentanten von AIA dreimal so produktiv sind wie die der chinesischen Konkurrenz.

Gutes Humankapital macht erfolgreich

Natürlich schlagen sich überlegene Prozesse auch in der finanziellen Performance nieder. Viele wissenschaftliche Studien belegen einen Zusammenhang zwischen Humankapitalmanagement und finanziellem Erfolg. Nach einer Studie von Watson Wyatt beträgt die durchschnittliche Performance von Unternehmen mit vorbildlichem Humankapitalmanagement zehn Prozent p.a. gegenüber einem Durchschnitt von sieben Prozent. Eine weitere maßgeblich einschlägige Studie stammt von Alex Edmans, Professor für Finanzen an der London Business School. Die Studie betrachtet einen Zeitraum von 25 Jahren und ist um Größen- und Branchenunterschiede bereinigt. Die Schlussfolgerungen Edmans sind verblüffend: Unternehmen mit besonders gutem Humankapitalmanagement erzielten im Durchschnitt jährlich 3,5 Prozent Mehrertrag. Diese Untersuchungen belegen den Zusammenhang zwischen der Qualität des Humankapitalmanagements und dem langfristigem finanziellen Unternehmenserfolg.

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