DNCA: Drei Gründe für die Unruhen in Frankreich

Igor de Maack, Fondsmanager bei DNCA
Marktkommentar

Igor de Maack, Fondsmanager bei DNCA, sieht in Frankreich das magische Dreieck aus Wachstum, Beschäftigung und öffentliche Finanzen gestört. Zwei dieser Kriterien müssten erfüllt sein, damit die wirtschaftliche und soziale Harmonie einer Nation gewährleistet sei.

11.12.2018 | 10:49 Uhr

Die Aktienmärkte sind aus dem Tritt. Plausible Erklärungen für die Verwerfungen sind die Zweifel an der wirtschaftlichen Dynamik und das Wiederaufflammen des Handelskriegs zwischen China und den USA. In Europa schrecken zusätzlich eine höhere Volatilität und Kapitalabflüsse die Anleger vor Aktien ab, von französischen Titeln gar nicht zu reden.

Die sozialen Unruhen in Frankreich sind der Ausdruck dreier Probleme: 1. Das demokratische und institutionelle Modell funktioniert nicht mehr. Was ursprünglich darauf ausgelegt war, vor dem Hintergrund einer dynamischen Demografie und bei umsichtiger Umverteilung durch die öffentliche Hand für Wirtschaftswachstum zu sorgen (während der „Trente Glorieuses“, der 30 Jahre des Wirtschaftswunders nach dem Krieg), scheint heute von manchen als Quelle größerer sozialer oder ökologischer Ungerechtigkeit wahrgenommen zu werden.

2. Das Verhältnis zwischen Nicht-Erwerbstätigen (Ruheständlern und Arbeitslosen) und Erwerbstätigen hat sich aufgrund der Alterung der Bevölkerung und einer hohen Unterbeschäftigungsquote zugunsten der Nicht-Erwerbstätigen verschoben.

3. Schließlich offenbaren diese Unruhen auch, dass trotz einer unter den Industrieländern beispiellosen Großzügigkeit (höchste Quote öffentlicher Ausgaben im Verhältnis zum BIP, höchste Abgabenquote) das französische Sozialmodell den Erwartungen des Volks nicht gerecht zu werden scheint. Das magische Dreieck aus Wachstum, Beschäftigung und öffentliche Finanzen ist entscheidend, damit die wirtschaftliche und soziale Harmonie einer Nation gewährleistet ist. Mindestens zwei dieser Kriterien müssen erfüllt sein.

Alle großen Wirtschaftsnationen haben dies auch verstanden: Die Vereinigten Staaten produzieren Wachstum und Vollbeschäftigung (und stellen somit ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen sicher), weiten aber derzeit ihr Defizit aus. China registriert aufgrund der beschleunigten Alterung der Bevölkerung einen rapiden Anstieg an Nicht-Erwerbstätigen, produziert jedoch unter Anhäufung von Haushaltsüberschüssen ein robustes Wachstum. Deutschland kann sogar fast alle drei Kriterien erfüllen, denn obwohl seine Bevölkerung rasch altert, gelingen dem Land Wachstum, Beschäftigung und Haushaltsüberschüsse. In Frankreich will oder kann eine Mehrheit der Bürger nicht erkennen, dass wir auf keiner Seite des magischen Dreiecks gut abschneiden: Das Wachstum lahmt, die Arbeitslosigkeit ist hoch, wobei Kohorten an Ruheständlern mitfinanziert werden müssen, und die öffentlichen Finanzen stehen ständig unter Druck – und dies seit 1974.

Der Kommentar zum Download: Verwerfungen, Verwüstungen und Verweigerung der Realität

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