BNP Paribas: Superstar-Firmen und Machtkonzentration

Marktkommentar

Wenn Superstar-Firmen nicht durch Gesetzgeber oder das Konsumentenverhalten in ihre Grenzen gewiesen werden, könnte ihre rasant zunehmende Marktdominanz die Spaltung der Gesellschaft verstärken.

04.03.2019 | 14:01 Uhr

In den Jahren nach der Finanzkrise sind die Unternehmensgewinne stetig gestiegen. Die kontinuirlich hohen Gewinne werden jedoch nur von einer relativ kleinen Anzahl von Superstar-Firmen, die ihre Branchen zunehmend dominieren, erzielt. Dieses Phänomen beschränkt sich nicht nur auf die Technologiebranche, in der die unter der Abkürzung FAANG zusammengefassten Unternehmen agieren.

Jan De Loecker, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der KU Leuven und Gastprofessor in Princeton, hat den Aufstieg von Superstar-Firmen und  die darauffolgenden Auswirkungen in einem Video, das wir vor kurzen auf unserem Investment Forum aufgezeichnet haben analysiert. Er erläutert z.B. die Folgen für die Arbeitsmärkte – und somit auch für Investoren und Entscheidungsträger in der Politik.

Im Laufe dieser Entwicklung nimmt die wirtschaftliche Konzentration stetig zu, und Unternehmen erreichen dank des Einsatzes neuer Technologien hohe Marktanteile trotz vergleichsweise wenig Mitarbeitern. Indem sie alteingesessene Unternehmen wie z.B. lokale Buchhandlungen verdrängen, nehmen diese Unternehmen einen unverhältnismäßig hohen Teil der volkswirtschaftlichen Profite ein. Superstar-Firmen zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:

  • Sie haben einen großen Wettbewerbsvorsprung, erreichen hohe Marktanteile und erzielen beträchtliche Gewinne.
  • Der Grad der Digitalisierung ist höher. Außerdem werden mehr hochqualifizierte Fachkräfte und Innovationen wie Robotisierung und künstliche Intelligenz eingesetzt.
  • Sie sind fester in den globalen Handels-, Finanz- und Dienstleistungsströmen eingegliedert.
  • Sie haben einen höheren Anteil an immateriellen Vermögenswerten.

Quelle: ‘Superstars’: The dynamics of firms, sectors, and cities leading the global economy; McKinsey Global Institute; Oktober 2018

Der „Superstar-Effekt“: Höhere Gewinnspannen und Druck auf das Lohniveau

Auf dem Investment Forum erklärte De Loecker, dass die zunehmende Konzentration in vielen Branchen die Gewinnspannen der Superstar-Firmen erhöht hat. Ihre Marktmacht erlaubt ihnen, die Preise anzuheben oder außergewöhnlich hoch zu halten. Da sie wichtige Großabnehmer sind, können sie niedrigere Preise mit Zulieferern aushandeln. Ihre Position als bedeutender Arbeitgeber und technisch innovativer Vorreiter erlaubt ihnen, Druck auf die Lohnsätze gering qualifizierter Arbeitskräfte auszuüben.

Ein Resultat dieser Dominanz und Marktbeherrschung können stark steigende Gewinne pro Mitarbeiter sein, wodurch der Anteil der Superstars am Gesamtgewinn zunimmt (siehe Abbildung 1) und der Arbeitnehmeranteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) abnimmt.

Superstar-Firmen: Eine Klasse für sich

Untersuchungen von MyKinsey haben ergeben, dass 20% der US-Unternehmen mit hohen Verlusten zu kämpfen haben, 60% kaum Gewinne erzielen und den obersten 20% praktisch die gesamte Wertschöpfung zugeschrieben wird. Dazu kommt, dass nur jedes zwölfte Unternehmen überhaupt den Sprung vom Mittelfeld an die Spitze schafft.

Ist dies für die Anleger von Bedeutung?

Wenn man sich die Entwicklung der Aktienkurse einiger Megafirmen anschaut, lautet die Antwort „Ja“ (siehe Abbildung 2).

Erfolgsgeschichten ziehen Anleger an, ganz besonders, wenn das Wachstum branchenkonzentriert entsteht und sich ertragssteigernd auswirkt. Die Konsolidierung von Branchen kann attraktive Anlagechancen mit sich bringen: Man kann in die Nutznießer von Fusionen investieren, egal, ob es sich dabei um übernehmende Firmen, tatsächliche oder vermeintliche Übernahmeziele handelt.

  • Chancen bieten in der Regel sich wandelnde Branchen, in denen
  • die Vorteile der Konsolidierung noch nicht vollständig zum Tragen gekommen sind;
  • sich die erhöhte Preismacht noch entwickeln muss;
  • und die Aktienkurse das strategische Interesse der gezielten Unternehmen noch nicht widerspiegeln.

Superstar-Firmen haben nicht nur stabilere Margen, ihre Gewinne sind auch weniger anfällig für externe Schocks und Konjunkturschwankungen. Das daraus resultierend niedrigere Anlagerisiko macht diese Firmen noch attraktiver.

Abbildung 2: Anleger haben stark in Superstar-Firmen investiert (Aktienkurse in USD)

Quelle der Daten: Macrotrends.net; Mai 2012-Februar 2019

Wie sehen die künftigen Trends von Superstar-Firmen aus?

Superstars kommen und gehen – man denke nur an Nokia oder Blackberry. Die Konsolidierung dürfte sich dennoch weiter fortsetzen, da sie Effizienzsteigerung verspricht und die Übernahme von Wettbewerbern ein wirksames Instrument zur Ausschaltung von Konkurrenten ist. Zu den weiteren Treibern des „Supersizing“ zählen wir: die Notwendigkeit dem Margendruck standzuhalten, in neuen Märkten Fuß zu fassen, Innovationen einzukaufen oder die Forschungs- und Entwicklungsausgaben zu rechtfertigen.

Dazu kommt, dass die Komplexität der gegenwärtigen Lieferketten, die Interdependenz der Volkswirtschaften und die Abhängigkeit der Nationen vom Welthandel die Globalisierung weiter vorantreiben wird. Daher scheint die Annahme sinnvoll, dass die derzeitige Animosität die Globalisierung allenfalls verlangsamen, aber nicht zu ihrem Scheitern führen wird. Die Kräfte, die das Phänomen der Superstar-Firmen antreiben, wie z.B. der technologische Wandel, werden Bestand haben. Dies wird es den besten Unternehmen ermöglichen, weiter zu expandieren und gleichzeitig ihre Kosten zu senken.

Werden die Superstars „die Flügel gestutzt bekommen“?

Kontinuierliche Innovation fördert neue Ideen und damit Start-ups, die oft aus agilen Teams bestehen, die von den Superstars offengelassene Marktlücken entdecken. Wie die vor kurzem gestoppte Fusion zwischen GE und Alstom zeigt, könnten die Superstars unter Regulierungsdruck geraten. Dadurch wird ihre quasi-monopolistische Marktdominanz begrenzt und wettbewerbswidrige Konsolidierungen verhindert.

Ihre Lobbyarbeit und der Eindruck übermäßiger Einflussnahme könnten die öffentliche Meinung gegen die Superstars aufbringen. Dass sie in großem Maßstab Leih- und Zeitarbeiter sowie Selbstständige einsetzen und oft bestrebt scheinen, neue Herausforderer auszuschalten, dürfte ihrem Image weiter schaden und könnte zu einem Käuferstreik führen. Auch auf der Verbraucherseite könnten Superstars wegen ihres starken Einflusses auf Preise und Löhne in die Kritik geraten.

In einer Zeit, in der Themen wie Ethik und Ungleichheit immer bedeutender werden und Anlegern unternehmerische Verantwortung, die sozialen Auswirkungen geschäftlicher Aktivitäten, korrekte Unternehmensführung und integratives Wachstum zunehmend wichtig sind, müssen Superstar-Firmen mit verstärkter Aufmerksamkeit von Verbrauchern, Anlegern und Gesetzgebern rechnen.

Die zunehmende Marktkonzentration ist auch für die jüngsten Verwerfungen an der Wahlurne mitverantwortlich. Die mit den Superstar-Firmen verbundene Entwicklung ist einer der Faktoren hinter dem Aufstieg des Populismus und der Unzufriedenheit der Wähler. Die sinkende Lohnquote, die stagnierenden Reallöhne und das Aufkommen der Gig Economy haben in den traditionellen Industrieregionen diesseits und jenseits des Atlantiks schon jetzt große politische Auswirkungen.

Ein Szenario, in dem die nächste Welle technologischen Wandels die Konzentration unternehmerischer Macht weiter verstärkt und die Spannungen in unseren Gesellschaften noch verschärft, ist nicht auszuschließen. Sollte es soweit kommen, dann werden wir Lösungen benötigen, die kreativer sind als das, was unsere politischen Institutionen zurzeit hervorbringen.

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