Aberdeen Standard Investments: US-chinesische Beziehung - neue Haltung, alte Probleme

Aberdeen Standard Investments: US-chinesische Beziehung - neue Haltung, alte Probleme
Marktausblick

Präsident Bidens Vorgehen im Hinblick auf die Beziehung zwischen den USA und China wird sich deutlich gemäßigter und strategischer gestalten. Im Wesentlichen wird aber auch die neue Regierung an der strategischen Rivalität zwischen den beiden Ländern festhalten.

18.03.2021 | 07:35 Uhr

Stephanie Kelly, Political Economist, Standard Life Investments

Die letzten vier Jahre waren geprägt von einer sehr deutlichen und oftmals unvorhersehbaren Zunahme der Handelsspannungen zwischen den USA und China. Dies hatte eine wilde Achterbahnfahrt für Anleger, die an diesen Märkten engagiert sind, zur Folge. Wird Präsident Biden einen weniger kontroversen Ansatz verfolgen und damit für die dringend benötigte Entspannung in der oftmals feindseligen Beziehung zwischen den USA und China sorgen? Obschon wir von dem neuen US-Präsidenten eine vorhersagbarere und strategischere Vorgehensweise erwarten, so wird diese nicht zwangsläufig auch eine bessere Planbarkeit in Bezug auf das Handelsumfeld oder niedrigere Handelsbarrieren nach sich ziehen.

Wiederaufbau von Freundschaften und Regelkonformität

Wir gehen davon aus, dass Biden nach den vier von Unsicherheit geprägten Jahren unter Trump nun die Bündnisse mit Europa wieder stärken wird. Die Tatsache, dass eine der ersten Amtshandlungen Bidens darin bestand, den Rücktritt der USA aus dem Übereinkommen von Paris wieder rückgängig zu machen, zeugt nicht nur von seinem Interesse an Klimapolitik, sondern auch von seiner Überzeugung in Bezug auf einen regelbasierten Multilateralismus. Dies dürfte eine deutlich stabilere Beziehung zwischen der EU und den USA begünstigen, wenngleich es unseres Erachtens immer wieder zu Meinungsverschiedenheiten kommen dürfte. Die Investmentvereinbarung zwischen der EU und China stellt ein gutes Beispiel für die Bereitschaft Europas dar, eine von den USA unabhängige Beziehung zu China zu führen.

Kleinere Handelskonflikte liegen durchaus im Bereich des Möglichen. Derartige Konflikte werden aber mittels der entsprechenden Prozesse über die Welthandelsorganisation gelöst und dürften außerhalb der betroffenen Branchen keinen wesentlichen Sorgenpunkt darstellen. Bei der Politik ist es wie mit Freundschaften: Auch Freunde sind sich manchmal uneinig, wissen aber, dass sie Freunde bleiben. Während der Amtszeit Trumps kamen Zweifel hinsichtlich dieses fundamentalen Freundschaftsverständnisses auf. Dadurch erschien jeder noch so kleine Konflikt wesentlich bedeutsamer und mitunter sogar verheerend. Nachdem die Beziehung zu Europa vier Jahre lang vernachlässigt wurde, gehen wir nun davon aus, dass Biden bei seinen Bemühungen um eine Zusammenarbeit mit der Region in Bezug auf wichtige Belange einen freundschaftlichen Ansatz verfolgen und sich auf seine eigenen irischen Wurzeln besinnen sowie sich potenziell ergebenden Herausforderungen auf gemäßigte Art und Weise begegnen wird.

Rivalität mit China unter neuem Deckmantel

Bei der Betrachtung der Beziehungen zwischen den USA und China ist es sinnvoll, diese in drei Kategorien zu unterteilen: politische Spannungen, nichttarifäre Handelsbarrieren und Zölle.

  • Politik: Die Demokraten haben Besorgnis über die Vorwürfe zu Menschenrechtsverletzungen in China geäußert. Diese dürften auch einen Fokus der Regierung unter Biden sein. Wir rechnen damit, dass die neue US-Regierung stärkere Kritik an der Behandlung von Minderheiten, dem Umgang mit Hongkong usw. üben und dies auch klarer kommunizieren wird, als es Trump getan hat (die ethischen Standards der chinesischen Regierung gehörten nicht zu seinen Schwerpunkten). Biden dürfte wahrgenommenen Missständen voraussichtlich mit traditionellen geopolitischen Mitteln wie politischen Sanktionen begegnen. Er dürfte im Hinblick auf koordinierte Sanktionsmaßnahmen bei mutmaßlichen Verstößen zudem auf eine gestärkte Partnerschaft mit Europa setzen. Gleichwohl dürfte Biden auch versuchen, bei bestimmten Belangen wie dem Klimawandel und multilateralen Organisationen politische Brücken zu schlagen.
  • Nichttarifäre Handelsbarrieren: Die Erhöhung der nichttarifären Handelshemmnisse (Technologie-, Investitionsvorschriften usw.) in den letzten Jahren ging auf beidseitige Bestrebungen und nicht allein auf Trump zurück. Die Demokraten zeigen sich zutiefst besorgt über die Transparenz und Ethik der chinesischen Regierung. Wir gehen daher davon aus, dass sich die Beziehungen in Bereichen wie Technologie und Investitionen weiter schrittweise verschlechtern. Gleichzeitig ist Biden daran interessiert, stärker mit Verbündeten zusammenzuarbeiten, um eine multilaterale Allianz aufzubauen, mit der sich Einfluss auf China ausüben lässt.
  • Zölle: Biden dürfte die meisten der bestehenden Zölle auf Importe aus China in die USA beibehalten und zudem eine Art strategischer Überprüfung der Handelsbeziehung anstoßen. Diese dürfte einige Zeit in Anspruch nehmen. Dabei dürften Themen wie politische und wirtschaftliche Transparenz sowie der Verlauf neuerlicher Gespräche mit China mit einfließen. Bidens Fokus lag von Anfang an stärker auf dem Inland, als dies bei der Regierung Trump der Fall war. Dennoch wird die China-Frage zu gegebener Zeit wieder aufkommen.

China ist ein seltener Fall parteiübergreifender Übereinstimmung

Es scheint überraschend, dass sich die Beziehung zwischen den USA und China trotz der deutlich unterschiedlichen Haltung der beiden politischen Parteien auch unter der neuen Regierung nicht merklich verbessern dürfte – selbst wenn sich die Lage etwas vorhersagbarer gestaltet. Warum ist das so? Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass dieses zugrunde liegende Misstrauen gegenüber China unter amerikanischen Wählern aller Bevölkerungsschichten verbreitet ist (vgl. Abb. 1).

Die meisten Amerikaner haben eine negative Meinung zu China

Die meisten Amerikaner haben eine negative Meinung zu China

Wir denken, dass Präsident Biden einen wesentlich strategischeren handelspolitischen Ansatz verfolgen wird als Trump, auch im Hinblick auf China. Dabei dürfte die neue Regierung nicht auf überraschende, für Marktvolatilität sorgende Tweets über neue Zölle gegen China setzen. Vielmehr dürfte Biden eine moderatere und besonnenere Tonart anschlagen. Gleichwohl darf nicht angenommen werden, dass sich die Beziehung zu China dadurch drastisch verbessern wird. Während sich Biden wohl auf kurze Sicht dazu entschließen könnte, die von der Regierung Trump in letzter Minute hastig erlassenen Verordnungen rückgängig zu machen, dürften die Spannungen zwischen den USA und China weiter anhalten und sich die Handelsbeziehung zwischen den beiden Ländern in den kommenden Jahren schrittweise verschlechtern.

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