Schroders: Drei Faktoren schwächen das globale Witschaftswachstum

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Marktausblick

Obwohl das Wachstum stark bleibt, wirken sich eine Reihe von Faktoren sowohl 2018 als auch 2019 negativ auf das globale Wachstum aus. Was das für die Geldpolitik bedeutet.

29.06.2018 | 11:30 Uhr

Wir haben unsere Erwartungen an das Wachstum der Weltwirtschaft zum ersten Mal seit 2016 nach unten korrigiert. Obwohl das Wachstum stark bleibt, wirken sich unseres Erachtens eine Reihe von Faktoren sowohl 2018 als auch 2019 negativ auf das globale Wachstum aus.

Daher haben wir unsere Prognose erstmals seit fast zwei Jahren gesenkt: für 2018 von 3,5 % auf 3,4 % und für das Jahr 2019 von 3,3 % auf 3,2 %. Bei der globalen Inflation ist indes von einem Anstieg auszugehen. Wir haben unsere Prognose für das Jahr 2018 von 2,4 % auf 2,7 % angehoben und rechnen mit Auswirkungen auf die Geldpolitik weltweit.

Abbildung 1: Die Prognose des realen BIP-Wachstums von Schroders für 2018 und 2019

Die Prognose des realen BIP-Wachstums von Schroders für 2018 und 2019

Quelle: Schroders, Thomson Datastream, Consensus Economics, Mai 20181.

Ein schwacher Jahresauftakt

Das Jahr begann in den meisten Volkswirtschaften nicht besonders gut. In Europa scheinen die extremen Witterungsbedingungen im Winter, der damit zusammenhängende Ausbruch der Influenza, Streiks bei Transportunternehmen und der Zeitpunkt von Ostern die Wachstumszahlen belastet zu haben.

Auch in den USA hat sich das Wachstum abgeschwächt. Ende des letzten Jahres erhielt es durch die Wiederaufbau- und Wiederherstellungsinvestitionen nach dem Hurrikan einmalig Auftrieb. Als deren Auswirkungen nachließen, ging das Wachstum jedoch im ersten Quartal 2018 zurück.

In einigen Schwellenländern, insbesondere in Russland und Brasilien, fielen die Daten im ersten Quartal schwächer aus.

Zwar dürften viele dieser Faktoren nunmehr in den Hintergrund treten, und das sollte zu einer Normalisierung der Aktivitäten im laufenden Quartal beitragen. Dennoch sind wir uns bewusst, dass die Signale der Frühindikatoren hinsichtlich einer möglichen Wachstumserholung im zweiten Quartal uneinheitlich sind. Darüber hinaus dürften die steigenden Ölpreise und Handelsspannungen zur Abschwächung des Wachstums beitragen.

Höhere Ölpreise

Die Ölpreise sind dieses Jahr infolge der Produktionsdrosselung der OPEC und der voraussichtlichen Wiedereinführung von Sanktionen gegen den Iran nach der Kündigung des Nuklearabkommens durch Präsident Trump deutlich gestiegen. Dies wird sich auf die Verbraucherausgaben auswirken.

So wird der Anstieg der Ölpreise die Verbraucher in den USA etwa 60 Mrd. US-Dollar kosten. Freilich sparen die Verbraucher dank der Steuersenkungen von Präsident Trump 120 Mrd. US-Dollar, aber der Anstieg hat zur Folge, dass sie die Hälfte dieser Einsparungen wegen des teureren Kraftstoffs wieder verlieren. Für die 20 % der Menschen mit den niedrigsten Einkommen werden die Ersparnisse durch Steuersenkungen durch die höheren Benzinpreise mehr als zunichte gemacht. Insgesamt dürften die realen Verbraucherausgaben daher geringer ausfallen.

Die entscheidende Frage wird sein, ob dies für die Arbeitnehmer durch Lohnerhöhungen teilweise ausgeglichen wird. Bislang sind die Löhne bemerkenswert niedrig geblieben, aber einige aktuelle Daten deuten darauf hin, dass sich hier eine Veränderung abzeichnen könnte.

Bei den großen Schwellenländern ist für Indien davon auszugehen, dass das Wachstum in einem Umfeld steigender Ölpreise angesichts der Ausgaben des Landes für Erdöleinfuhren in Mitleidenschaft gezogen wird. Russland könnte hingegen davon profitieren, auch wenn sich die Auswirkungen der US-Sanktionen als Belastung erweisen werden.

Angespannte Handelsgespräche

Eine kurze Rekapitulation: Die USA und China bedrohen sich derzeit gegenseitig mit Zöllen in Höhe von 50 Mrd. US-Dollar. Obwohl dies nur einen kleinen Anteil des Handels beider Länder und erst recht ihres Bruttoinlandsprodukts darstellt (in China weniger als die Hälfte eines Prozents), könnten die Wachstumsbelastung schwerwiegender ausfallen, da es unwahrscheinlich ist, dass der Streit mit einer Zollrunde beendet wird.

Die Ungewissheit über die künftigen Handelsbeziehungen dürfte sich insbesondere bei Exportunternehmen negativ auf unternehmerische Entscheidungen hinsichtlich Einstellungen und Investitionen auswirken. In Verbindung mit bestimmten politischen Maßnahmen veranlasst uns dies, für das Jahr 2019 beim chinesischen Wachstum eine Abwärtskorrektur (von 6,5 % auf 6,4 %) vorzunehmen. Dies wiederum erklärt die leichte Herabstufung der globalen Wachstumserwartungen für das Jahr 2019.

Steigende Inflation

Aufgrund der höheren Ölpreise wird die Inflation weltweit ansteigen. Selbst in den USA gehen wir davon aus, dass die Kerninflation in den nächsten zwei Jahren steigt.

Auch in Europa führt die Kombination aus höheren Energiepreisen und dem niedrigeren Wechselkurs des US-Dollars gegenüber dem Euro zu einem Anstieg der Inflation.

In den Schwellenländern ist die Inflation im historischen Vergleich nach wie vor niedrig, steigt aber in Brasilien, Indien und Russland allmählich.

Abbildung 2: Inflationsprognosen von Schroders für 2018 und 2019 (Verbraucherpreisindex)

Inflationsprognosen von Schroders für 2018 und 2019 (Verbraucherpreisindex)

Quelle: Schroders, Thomson Datastream, Consensus Economics, Mai 2018 (siehe auch Fußnote 1).

Was bedeutet das für die Geldpolitik?

In den meisten Industrieländern gehen wir von einer Straffung der Geldpolitik aus. In den USA erwarten wir, dass die US-Notenbank Fed die Zinsen dieses Jahr noch drei weitere Male und im nächsten Jahr zwei Mal erhöht, so dass die US-Leitzinsen bis Mitte 2019 3 % erreichen.

Die Europäische Zentralbank EZB wird die quantitative Lockerung voraussichtlich im vierten Quartal dieses Jahres beenden, die Zinsen 2019 dreimal erhöhen und somit die Ära negativer Zinsen in der Eurozone beenden. Die Bank of England wird die Zinsen voraussichtlich noch bis November unverändert belassen, wenn in Bezug auf die Ergebnisse der Brexit-Verhandlungen größere Klarheit herrscht.

In den Schwellenländern gehen wir davon aus, dass die brasilianische Zentralbank keine weiteren Lockerungsmaßnahmen durchführen und Ende 2019 einen allmählichen Straffungszyklus einleiten wird. In Indien rechnen wir angesichts der Abhängigkeit des Landes vom Öl mit einer etwas schnelleren Straffung. Wir erwarten in diesem Jahr zwei Zinserhöhungen, wobei die Zinsen bei der ersten Straffung voraussichtlich im Juni auf 6,5 % angehoben werden, sowie zwei weitere Zinsschritte im Jahr 2019.

Im Gegensatz dazu führen die niedrigere Inflation und Liquiditätsbedenken in China zu einer gegenläufigen Entwicklung und zu einer Senkung des Mindestreservesatzes (RRR) durch die chinesische Notenbank. Diese legt die Mindestreserve fest, die chinesische Banken halten müssen und die von der Zentralbank zur Inflationsbekämpfung eingesetzt wird. Im Jahr 2019 könnte auch in China eine Zinssenkung angezeigt sein, da sich das Wachstum angesichts der durch die Handelsspannungen belasteten Stimmung weiter verlangsamt.

Vor diesem Hintergrund ist kurzfristig von einer weiteren Aufwertung des US-Dollar auszugehen, bevor er 2019 nachgeben wird, wenn die Zentralbanken außerhalb der USA anfangen, ihre Geldpolitik zu straffen.

Vorläufig erwarten wir eine Expansion, aber eine stagflationäre Wende steht bevor

Wir gehen nach wie vor ein weiteres Jahr lang von einem weltweiten Wirtschaftswachstum aus, aber die Prognose hat sich leicht in eine stagflationärere Richtung mit höherer Inflation und weniger Wachstum als zuvor bewegt. Dies ist auf höhere Ölpreise und die zunehmende Gefahr von Handelskriegen zurückzuführen.


1 Marktdaten per 24.05.2018. Die vorherige Prognose bezieht sich auf Februar 2018. Die Konsensinflationsdaten für die Schwellenländer gelten für das Ende des Zeitraums und sind nicht direkt vergleichbar. Industrieländer: Australien, Dänemark, Eurozone, Großbritannien, Israel, Kanada, Neuseeland, Schweden, Schweiz, Singapur, USA. Schwellenländer: Argentinien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Indien, Indonesien, Kolumbien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malaysia, Mexiko, Peru, Philippinen, Polen, Südkorea, Rumänien, Russland, Tschechien, Türkei, Ukraine, Ungarn.

Talking Economics basiert auf dem vom volkswirtschaftlichen Team von Schroders verfassten Economic & Strategy Viewpoint: Keith Wade, Chefvolkswirt, Azad Zangana, Leitender Volkswirt Europa und Stratege, Craig Botham, Volkswirt Schwellenländer und Piya Sachdeva, Volkswirtin Japan.

Den kompletten Economic and Strategy Viewpoint - June 2018 können Sie hier downloaden.

Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders oder anderen Marktteilnehmern ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Der Beitrag wurde am 27.06.18 auch auf schroders.com veröffentlicht.


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