Märkte

BNP Paribas: Wöchentliches Investment Update – Vorübergehend oder anhaltend?

In den USA springt die Inflation an; die Preise für Hotels, Autos und Versicherungen steigen. Aber ist das wirklich von Dauer? Die Reaktion der Rentenmärkte lässt eher auf eine vorübergehende Erscheinung schließen.

21.07.2021 | 10:54 Uhr

Covid 19 – Weitere hemmende Einflussgrößen

Die Zahl der Neuinfektionen steigt weltweit und beträgt 440.000 täglich, gegenüber 390.000 in der vergangenen Woche. In der letzten Woche neutralisierten steigende Fallzahlen in Asien, Europa und Nordamerika einen Rückgang in Südamerika. Im Vereinigten Königreich, dessen Covid-Situation einen Vorsprung von 8-12 Wochen Vorsprung vor dem europäischen Kontinent hat, ist die Zahl Neuinfektionen auf mehr als 30.000 täglich gestiegen.

Der Konsens geht derzeit davon aus, dass in Industrieländern mit höherer Durchimpfungsrate die Ausbreitung der Delta-Variante nicht zu neuen Lockdowns führen dürfte. Die nach wie vor niedrigen Hospitalisierungsraten bekräftigen diese Einschätzung. Ein größeres Risiko besteht wohl darin, dass die steigenden Fallzahlen das Verbrauchervertrauen beeinträchtigen und die Erholung der Haushaltsausgaben verzögern könnten.

In den USA warnte ein stimmberechtigtes Mitglied des für Zinsentscheidungen zuständigen Offenmarktausschusses letzte Woche davor, dass die Ausbreitung der Delta-Variante und die niedrigen Durchimpfungsraten in bestimmten Teilen der Welt, die weltweite Erholung bedrohen. Mary Daly mahnte außerdem zur Vorsicht bei der Streichung der geldpolitischen Unterstützung für die US-Wirtschaft und fügte hinzu, dass eine vorzeitige Erklärung des Sieges über Covid eins der größten Risiken für das globale Wachstum sei. Der Präsident der Federal Reserve Bank of San Francisco warnte weiter, dass eine weltweit niedrige Impfrate das US-Wachstum bremsen könne.

Größere Vorsicht seitens der US Federal Reserve

Das Protokoll der Juni-Sitzung des FOMC enthielt keine weitere für die Märkte überraschende Elemente: Die Entscheidungsträger der US-Zentralbank kündigten aggressivere Zinserhöhungen im Vergleich zum Jahresbeginn an. Die Teilnehmer des FOMC riefen höchstens zur Vorsicht bei der Bewertung des wirtschaftlichen Fortschritts und der Hinweise auf eine Drosselung der Anleihekäufe der Fed auf.

Es wird erwartet, dass der Fed-Vorsitzende Jerome Powell vor dem Kongress diese Woche im Vorfeld der FOMC-Sitzung am 25.-27. Juli eine ähnliche Aussage trifft.

Wie dem auch sei: Die US-Inflation ist im Juni erneut gestiegen.

Diese Woche veröffentlichte Daten zeigten eine unerwartete Beschleunigung des Anstiegs der US-Verbraucherpreise im Juni. Das lässt Zweifel an der Aussage der Fed aufkommen, dass die Inflation während der Erholung in den USA nur vorübergehend hoch sein wird. Der Verbraucherpreisindex stieg so schnell wie zuletzt im August 2008 (+5,4 % gegenüber dem Vorjahr). Das ist deutlich mehr als der Anstieg um 5 % im Mai und die Konsensprognose von 4,9 %.

Auf monatlicher Basis nahmen die Preise um 0,9 % zu, was dem stärksten Anstieg innerhalb eines Monats seit Juni 2008 entspricht. Die Kerninflation (ohne volatile Elemente wie Nahrungsmittel und Energie) in den USA erhöhte sich von 3,8 % im Jahresvergleich im Mai auf 4,5 % im Juni.

Bisher waren in den direkt von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Sektoren die stärksten Preisanstiege zu verzeichnen.

Diagramm 1: Die US-Kerninflation stieg im Juni stärker als erwartet – das Diagramm zeigt die monatliche Veränderung der US-Verbraucherpreisinflation ohne Nahrungsmittel- und Energiepreise

Quelle: BNP Paribas Asset Management, Bloomberg, Stand: 13.07.2021

Reisekosten, z. B. Preise für Flugtickets, haben stark zugenommen, während eine Knappheit an Halbleitern zu einem sprunghaften Anstieg der Gebrauchtwagenpreise führte. Ein Drittel der Verbraucherpreisinflation im Juni war einem rekordverdächtigen Anstieg der Preise für gebrauchte Automobile zuzuschreiben, die im Juni im Vergleich zum Vormonat 10,5 % zulegten.

Spektakulärer Anstieg der Automobilpreise

Dem Bericht zufolge sind vor allem Sektoren, die empfindlich auf die Wiedereröffnung reagieren (Gebrauchtwagen, Mietwagen, Kfz-Versicherung, Unterkunft, Flugtickets und Essen außer Haus) im dritten Monat in Folge für den Preisdruck verantwortlich.

Die Preise für Automobile – besonders Gebrauchtwagen – sind aufgrund der Kombination aus starker Nachfrage von Automobilvermietungsunternehmen (die ihre Flotten in den ersten Monaten der Pandemie schrumpfen ließen), Stimulusschecks der Regierung, die die Kauflust fördern und starken Engpässen (bei Halbleitern) in der Automobilherstellung stark gestiegen.

Aus Auktionsdaten für Gebrauchtwagen können wir schließen, dass der stärkste Preisdruck bald hinter uns liegen dürfte, und Medienberichten aus Taiwan zufolge gehen die Wartezeiten für in Automobilen eingesetzte Halbleiter zurück. Insgesamt bedeutet das, dass der Preisdruck in den nächsten Monaten nachlassen dürfte.

Im Immobiliensektor steigen die Preise dagegen aus langfristigen Gründen. Die Wohnimmobilienpreise erreichen Höchstwerte, da Verbraucher höherer Einkommensklassen, die über umfangreiche Ersparnisse verfügen und die niedrigen Hypothekenzinsen nutzen möchten, nach Eigentum zu suchen. Hier handelt es sich jedoch um Preise für Anlagen, die nicht mehr im Verbraucherpreisindex zu suchen haben als Aktienpreise. Für die Inflation sind die Mieten wichtig. Diese begannen aufgrund der Verbesserung des Arbeitsmarktes zu steigen.

Vorübergehender Anstieg oder bereits Zeit für Drosselung?

Für die Fed ist der Anstieg der Inflation weiterhin ‚vorübergehend‘. Der Druck dürfte nachlassen, wenn die Covid-bedingten Lockdowns weiter gelockert werden und das Angebot sich der aufgestauten Nachfrage anpasst. Die Entscheidungsträger der Fed prognostizierten bei ihrer Juni-Sitzung, dass ihr bevorzugter Wert, die Kerninflation, in diesem Jahr um 3 % steigen dürfte, bevor er im Jahr 2022 wieder auf 2,1 % zurückgeht.

Dieser jüngste, überraschend hohe Inflationswert könnte die Fed unter Druck setzen, ein Zurückfahren ihrer geldpolitischen Anreize in Betracht zu ziehen, indem sie ihre Anleihekäufe schneller reduziert als zunächst geplant. Sollte die Fed im Rahmen ihrer geldpolitischen Lockerung (Quantitative Easing, QE) weiterhin Anleihen im Wert von 120 Mrd. USD monatlich kaufen? Die Anhörung des Fed-Vorsitzenden Powell vor dem Kongress am Donnerstag (und das Symposium in Jackson Hole im August) könnten Gelegenheit bieten, Hinweise auf eine bevorstehende Drosselung zu geben.

Schwankende US-Anleiherenditen

Aufgrund der starken Inflationsdaten schwankten die US-Anleiherenditen: Zunächst setzte sich deren Anstieg gegenüber den Tiefständen (1,25 % in der vergangenen Woche) fort, die sie seit der geldpolitischen Sitzung der Fed im Juni und der als aggressiv wahrgenommenen ‚Dot Plot‘-Prognose erreicht hatten.

Anschließend erschütterte eine schwache Auktion von US-Staatsanleihen mit dreißigjähriger Laufzeit die Märkte. Die Rendite der als Benchmark geltenden US-Staatsanleihe mit zehnjähriger Laufzeit stieg noch am selben Tag um 0,05 Prozentpunkte auf 1,42 %.

Die Ölpreise im Auge behalten

Die Organisation Erdöl exportierender Länder (bekannt als OPEC, ausgeweitet auf OPEC+, seitdem Russland an den Beratungen teilnimmt) hielt in der zweiten Märzwoche 2020 eine katastrophale Sitzung ab, bei der keine Einigung über die Produktionsmengen zustande kam. Der Ölpreis fiel infolgedessen.

Auch letzte Woche gelang es der OPEC+ nicht, sich auf höhere Produktionsmengen zu einigen. Diesmal war ein Anstieg des Ölpreises die Folge. Brent-Rohöl ist jetzt gegenüber seinem Tiefstand vom vergangenen Jahr um fast 400 % gestiegen, und sein Preis von 76 USD/Barrel nähert sich dem Höchstwert von 2018.

Die steigenden Ölpreise dürften weltweit für höhere Inflation sorgen. Darüber hinaus dürfte der jüngste Anstieg der Ölpreise weiterhin die Zuflüsse zu Aktien des Energiesektors und den US High Yield-Energiesektor fördern.

Erwartete US-Konjunkturdaten – Einzelhandelsumsatz

Der Einzelhandelsumsatz dürfte im Juni stark zugenommen haben; der Konsens erwartet eine Verbesserung um 0,4 % im Monatsvergleich.

Grundsätzlich liegt der Einzelhandelsumsatz deutlich über dem vor der Covid-Pandemie verzeichneten Trend. Wir stellen ebenfalls fest, dass angesichts der fortschreitenden Wiedereröffnung und Normalisierung der Volkswirtschaft ein Großteil der aufgestauten Verbraucherausgaben wahrscheinlich in Dienstleistungen fließen dürfte.

Aktualisierung der Strategie der EZB

Bisher wurde der Europäischen Zentralbank (EZB) eine (im Vergleich zu anderen Zentralbanken) leicht aggressive Haltung zugeschrieben. Ihre Aufgabe, die Preisstabilität zu gewährleisten, wurde dahingehend ausgelegt, dass die Inflation knapp unter 2 % bleiben sollte. Die erste strategische Überprüfung der EZB seit 2003 führte zu einer geringfügigen Aktualisierung, die die Ziele der Zentralbank verdeutlichen soll.

Die EZB verfolgt von jetzt an ein symmetrisches Inflationsziel: Eine Inflation, die unter 2 % liegt, ist jetzt ‚ebenso unerwünscht‘ wie ein Wert über 2 %. Darüber hinaus will die EZB eine vorübergehend ‚zu hohe‘ Inflation tolerieren, wenn Zinsen nahe 0 % über einen längeren Zeitraum die Glaubwürdigkeit der Zentralbank beim Erreichen ihres Inflationsziels beeinträchtigen würden.

Dieses neue Ziel räumt eindeutig mit einer eventuellen aggressiven Tendenz auf, die möglicherweise dazu beigetragen hat, dass die EZB seit der Finanzkrise im Jahr 2008 ihr Inflationsziel ständig verfehlte. EZB-Präsidentin Lagarde bestätigte, dass unkonventionelle Maßnahmen wie eine quantitative Lockerung weiterhin im Arsenal der EZB bleiben werden.

Diese Änderung ist eher eine Anpassung als eine Überarbeitung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Im Gegensatz zur Fed wird die EZB beispielsweise keine ‚durchschnittliche Inflation‘ anstreben, die einen schnelleren Preisanstieg toleriert, um niedrigere Inflation in der Vergangenheit auszugleichen. Die Entscheidung, Wohnkosten in die Inflationsmessung einfließen zu lassen, beschränkt sich auf die Kosten für selbstgenutztes Wohneigentum – die sich von einem Jahr zum anderen normalerweise nur geringfügig verändern – und bezieht sich nicht auf die tatsächlichen Wohnimmobilienpreise.

Nicht zuletzt will die EZB mit einem ‚Klimaschutzplan‘ gewährleisten, dass die Unternehmen, deren Anleihen sie kauft, sich an die Ziele des Pariser Abkommens halten.

Akkomodierende Maßnahme der chinesischen Zentralbank

Mit dem Ziel, gegen die aktuelle Konjunkturverlangsamung in China anzukämpfen, hat die People‘s Bank of China ihren Mindestreservesatz (Reserve Requirement Ratio, RRR) herabgesetzt, um die Realwirtschaft sowie Kleinstunternehmen und kleine bzw. mittelständische Unternehmen wirksamer zu unterstützen.

Diese Neuigkeit war für den Markt eine positive Überraschung, da verspätete Staatsausgaben und Straffungsmaßnahmen in den Sektoren Immobilien und Internet in der jüngsten Zeit zu einer Kreditverknappung und Konjunkturverlangsamung geführt hatten. Die Maßnahme der Zentralbank wurde als vorbeugend gewertet. Sie lässt darauf schließen, dass Handlungsspielraum besteht, falls sich die Situation verschlechtert.


Alle hier geäußerten Ansichten sind die des Autors zum Zeitpunkt der Veröffentlichung und basieren auf den verfügbaren Informationen, womit sie ohne vorherige Ankündigung geändert werden können. Die einzelnen Portfoliomanagementteams können unterschiedliche Ansichten vertreten und für verschiedene Kunden unterschiedliche Anlageentscheidungen treffen.

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Einige Schwellenländer bieten weniger Sicherheit als die meisten internationalen Industrieländer. Aus diesem Grund können Dienstleistungen für Portfoliotransaktionen, Liquidation und Konservierung im Namen von Fonds, die in Schwellenmärkten investiert sind, mit einem höheren Risiko verbunden sein.

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