Robeco: Chinesischer Aktienmarkt – zu groß, um ihn zu ignorieren

Robeco: Chinesischer Aktienmarkt – zu groß, um ihn zu ignorieren
Märkte

Chinas Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt spiegelt sich im Wachstum seines inländischen Aktienmarkts wider. Doch trotz seiner Größe bleibt es für viele Anleger unbekanntes Terrain.

17.08.2020 | 10:12 Uhr

Ein Beitrag von Victoria Mio, CIO Chinese Equities und Jie Lu, Head of Research China


In aller Kürze

  • Der chinesische Inlandsaktienmarkt ist der zweitgrößte der Welt
  • Viele Unternehmen bieten Chancen, während die Sorgen um das Coronavirus abflauen
  • China befindet sich auf einem klaren Erholungspfad und ist eines der wenigen Länder mit positivem Wachstum


Es mag manchen überraschen, doch die chinesische Börse für A-Shares inländischer Unternehmen außerhalb Hongkongs ist mit einer Kapitalisierung von annähernd 10 Billionen US-Dollar der zweitgrößte Aktienmarkt der Welt. Der eigenständige Markt für H-Shares in Hongkong ist der viertgrößte.

Dennoch werden chinesische A-Shares von Anlegern weitgehend gemieden, häufig aus subjektiven Gründen. Da China derzeit schneller als andere Länder aus der Konjunkturschwäche herauskommt und nach wie vor eines der wenigen Länder mit positivem Wachstum ist, könnte sich das Interesse der Anleger nun dem chinesischen Inlandsaktienmarkt zuwenden.

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Nach Aussage von Victoria Mio, Portfoliomanagerin für die A-Shares- und H-Shares-Strategien von Robeco, ist dieser riesige Markt für westliche Anleger häufig noch unbekanntes Terrain und dementsprechend unterrepräsentiert, obwohl er wachstumsorientierten Investoren eine Fülle von Chancen bietet.

„Das Hauptproblem besteht darin, dass A-Shares bis 2018 nicht im MSCI Emerging Markets Index enthalten waren und auch danach nur mit einem kleinen Anteil berücksichtigt wurden. Demnach spielte der Markt für global ausgerichtete Anleger kaum eine Rolle. „Mittlerweile ist er zu groß geworden, um noch ignoriert zu werden.“

„Die Gewichtung chinesischer Inlandsaktien im MSCI EM ist von 5 % auf nunmehr 20 % gestiegen. Bei einer vollständigen Einbeziehung käme man an ihnen auf globaler Ebene nicht mehr vorbei. Vor einer noch stärkeren Einbeziehung müsste die chinesische Aufsicht jedoch einige Hürden beseitigen, insbesondere müsste der Markt transparenter werden.“

„Nach wie vor gibt es einige Probleme im Hinblick auf Offenlegung und Transparenz, weshalb internationale Investoren mit dem Markt nicht so vertraut sind. Wir gehen davon aus, dass diese Probleme in den nächsten fünf Jahren angegangen werden.“

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Nach dem Lockdown

Victoria Mio sagt, dass die Coronavirus-Krise das Land zwar stark getroffen hat, dass viele Unternehmen aber tatsächlich von den Lockdowns profitiert haben. „Drei Arten von Unternehmen haben sich dabei gut geschlagen“, stellt sie fest. „Zu nennen sind zunächst die Unternehmen aus dem Bereich E-Commerce, Online-Einzelhändler und Anbieter internetbasierter Unterhaltung, die vom Online-Trend während der Shutdowns profitiert haben. Sie entwickeln sich weiterhin positiv.“

„Des Weiteren haben Unternehmen aus Bereichen wie dem Gesundheitssektor infolge der Covid-19-Pandemie außergewöhnlich gut abgeschnitten. Und dann gibt es noch eine dritte Gruppe von Unternehmen, die von den Anreizprogrammen zur Stützung der Konjunktur profitieren werden. Dazu gehören Firmen mit Infrastrukturbezug aus den Segmenten Industrie, Baumaterialien und Logistik.“

„Es steht also eine Vielzahl von Aktien zur Auswahl. Was die Unternehmen betrifft, die sich weniger gut entwickelt haben, gibt es in jedem Sektor Aufkäufer, die in schwierigen Zeiten für eine Branchenkonsolidierung sorgen. Die kleineren Anbieter werden möglicherweise übernommen oder müssen mit einem anderen Unternehmen zusammengehen, um überleben zu können.“

Vier Reformsäulen

Nach Aussage von Victoria Mio ist viel von den vier Reformsäulen zu erwarten, mit denen die chinesische Regierung das Land in eine Gesellschaft transformieren will, dessen Lebensstandards denen des Westens ebenbürtig sind. Dazu gehören die wachsende Bedeutung des Konsums, da die chinesischen Bürger wohlhabender werden, Technologie und Innovation, die den Fortschritt vorantreiben, strukturelle Reformen einschließlich eines stärkeren Fokus auf der Umwelt und eine höherwertige Industrie einschließlich umweltfreundlicher Fahrzeuge.

„Wir investieren in Wachstum bei vernünftiger Bewertung und legen im Hinblick auf Aktien, die mit Wachstumsthemen in Verbindung stehen, den Fokus auf diese vier Bereiche“, sagt sie. „Aufgrund des Konjunktureinbruchs im Zuge der Covid-19-Pandemie hat China eine neue Runde von Infrastrukturinvestitionen eingeläutet, bei der ein Fokus auf Technologie liegt.“

„Geplant ist, in großem Stil in Künstliche Intelligenz, „Big Data“-Zentren, Hochspannungseinrichtungen und viele andere Bereiche zu investieren. Durch Covid-19 hat sich die technologische Entwicklung und die Transformation der Industrie beschleunigt.“

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Aktives Investieren ist entscheidend

Dabei hat es keinen Sinn, bei chinesischen Aktien einen passiven Anlagestil zu verfolgen, sagt sie. Die bekannte Ineffizienz des Marktes stellt keinen Nachteil dar, sondern macht diesen für aktive Investoren wie Robeco zu einem Paradies.

„Wir weichen sehr stark vom Index ab und sind damit ein ausgesprochen aktiver Anleger“, erläutert sie. „Der chinesische Aktienmarkt ist sehr ineffizient, weshalb es für aktive Manager wie uns zahlreiche andere Chancen gibt, die sich ausnutzen lassen.“

„Ein ineffizienter Markt schafft das beste Umfeld für einen aktiven Investor, um seine Fähigkeiten bei der Auswahl der Gewinner unter Beweis zu stellen. Wenn man nur passiv investiert, würde man zahlreiche Chancen verpassen, das wäre nicht sinnvoll.“

Wachstumsmotor wieder auf Touren

Nicht zuletzt sollten Anleger China auch mit Blick auf seinen Status als Motor des globalen Wirtschaftswachstums in Betracht ziehen, sagt sie. Vor dem Ausbruch der Pandemie wuchs das chinesische BIP im vierten Quartal 2019 um 5,9 %. Im ersten Quartal 2020 sank es um 6,8 %, da die wachstumsstarke Industrie Chinas heruntergefahren wurde. Als sich die Lage wieder zu normalisieren begann, war im zweiten Quartal ein Wachstum von 3,2 % zu verzeichnen.

„Zwar gab es im Juni in Peking eine zweite Coronavirus-Welle, doch wurde diese dank eines sehr leistungsfähigen Nachverfolgung-Systems und einer großen Zahl an Tests binnen zwei Wochen unter Kontrolle gebracht“, sagt Victoria Mio.

„Wir halten eine dritte oder vierte Welle in einzelnen Städten für möglich, doch diese werden voraussichtlich rasch unter Kontrolle gebracht werden. Somit erwarten wir eher auf die lokale Ebene begrenzte Einschränkungen als einen erneuten landesweiten Lockdown. Anleger sollten sich darüber keine zu großen Sorgen machen.“

Keine neue Blase

Die von der chinesischen Regierung geplanten Anreizmaßnahmen dürften keine neue Blase erzeugen, meint Victoria Mio. „Diesmal fällt die expansive Geldpolitik der Notenbank moderater aus – der Großteil der Anreizmaßnahmen ist fiskalpolitischer Natur. Demnach wird sich die Kreditblase dadurch nicht vergrößern, und wir rechnen nicht mit einem größeren Rückschlag.“

„China ist nach wie vor das einzige Land, das in diesem Jahr ein positives Wachstum verzeichnen kann. Mittlerweile befindet es sich eindeutig auf dem Weg zu einer V-förmigen Erholung. Anleger erhalten dort jetzt mehr Gewissheit, Transparenz und Stabilität für ihr Kapital.“

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