EdR AM: Elektrofahrzeuge - Wie sich Europa gegen China behaupten kann

Marouane Bouchriha, Fondsmanager International Equities bei Edmond de Rothschild Asset Management
Märkte

China gibt Gas in der Elektromobilität – und Europa droht den Anschluss zu verlieren. Doch zumindest bei den dafür benötigten Batterien könnte eine neue Initiative der EU-Kommission den Kontinent jetzt zurück auf die Überholspur bringen.

11.12.2020 | 10:05 Uhr

BYD, MG Motor und Nio .... nie gehört? Gut möglich, aber eines dieser Unternehmen könnte der Hersteller Ihres nächsten Autos sein. Die drei chinesischen Firmen sind die ersten, die Elektroautos aus dem Reich der Mitte nach Europa exportieren. Weitere dürften folgen.

China ist zurzeit mit großem Abstand der größte Automobilmarkt der Welt. In den letzten 20 Jahren galt Deutschland als das Autobauerland schlechthin. Mit 27 Millionen verkauften Fahrzeugen jährlich (fast doppelt so viele wie in Europa) war der chinesische Binnenmarkt lange Zeit groß genug für die heimischen Hersteller. Auch aufgrund der in China üblichen strengen Vorschriften für die Gründung von Niederlassungen ausländischer Anbieter und des Technologietransfers gelang es ihnen, eine lokale Automobil-Wertschöpfungskette aufzubauen.

Durch die Dominanz westlicher Hersteller bei Fahrzeugen mit Brennstoffmotoren blieb der internationale Markt für chinesische Hersteller lange Zeit verschlossen. Daher wandte sich das Land den Elektrofahrzeugen zu. Das ist nicht nur gut für die Umwelt. Auch könnten jetzt die Karten im weltweiten Wettbewerb neu gemischt werden. Seit 2009 bereitete China dem Einzug von Elektrofahrzeugen im großen Stil den Boden – mit Subventionen und der Umstellung staatlicher Fahrzeugflotten.

Wie pragmatisch China vorgeht, um seine Interessen zu schützen und seine Industrie zu fördern, zeigt auch der Aufbau einer eigenen Batteriewertschöpfungskette. Früher kamen Batterien, eine wichtige Komponente für die Produktion von Elektrofahrzeugen, hauptsächlich aus Korea oder Japan. Doch die chinesische Regierung hat einfach auf Grundlage von Kriterien wie Qualität und Produktsicherheit eine „White List“ mit Batterieherstellern erstellt, die Subventionen erhalten. Wenig verwunderlich befindet sich darunter kein einziges ausländisches Unternehmen. Durch diese Maßnahmen entwickelte sich CATL (Contemporary Amperex Technology Co. Limited) in nur wenigen Jahren zu einem bedeutenden Konzern mit 90 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung, der fast ein Viertel der weltweiten Nachfrage nach Batterien für Elektroautos deckt.[1]

Batterien von CATL finden sich beispielsweise im Peugeot e-208, der in Frankreich zu den meistverkauften Elektrofahrzeugen dieses Jahres zählt. Weil ein Viertel bis ein Drittel der Kosten für ein Elektroauto auf die Batterien entfallen, dürfte nach unseren Schätzungen auch ein Teil der staatlichen Umweltprämie in Höhe von 7.000 Euro je Fahrzeug letztendlich CATL zufließen.

Gegensätzliche Schicksale

Zu dieser Art von Wirtschaftspolitik findet sich in Europa eine interessante Parallele: Die Entwicklung der erneuerbaren Energien. Europa war ein Pionier im Aufbau der Industrien für Wind- und Solarenergie und sorgte dabei mit Subventionen für eine hohe Binnennachfrage. Aber die beiden Branchen haben sich sehr unterschiedlich entwickelt. Eine Reihe europäischer Windenergieunternehmen wie Vestas und Siemens-Gamesa sind heute weltweit tätig, auch wenn einige Komponenten mittlerweile in China hergestellt werden. Montagearbeiten sowie Forschung & Entwicklung und ein große Teile der Wertschöpfung sind jedoch in Europa geblieben.

Im Solarenergiesektor erinnert man sich hingegen kaum noch an einst große Namen wie SolarWorld und Q-Cells. Es dauerte nur wenige Jahre, bis die Konzerne aufgrund der extremen Niedrigpreisstrategie Chinas Insolvenz anmelden mussten. Auch der Rest der Wertschöpfungskette verlagerte sich nach China. Heute werden 80 Prozent aller Solarpanels weltweit von chinesischen Firmen hergestellt.[2]

Für diese unterschiedlichen Schicksale gibt es mehrere Gründe. Ein wichtiger ist, dass die Windräder aufgrund ihrer enormen Größe nur schwer transportiert werden können, während man für die Herstellung von Polysilizium, das zur Gewinnung von Solarenergie benötigt wird, möglichst günstigen Strom braucht. Aber seien wir nicht naiv: Natürlich könnte China dank der schieren Größe seines Binnenmarkts und seiner billigen Kohleenergie Elektrofahrzeugen dasselbe Schicksal bereiten wie der Solarenergie.

Das damit verbundene Risiko ist enorm: 5,8 Prozent der Beschäftigten der EU sind im Automobilsektor tätig. Allein in Frankreich sind es 210.000.[3]Die Zahl ist bereits stark zurückgegangen, weil Frankreich seit 2004 fast ein Drittel seiner Arbeitsplätze in der Entwicklung und Fertigung von Elektrofahrzeugen verloren hat. Auch indirekt von der Branche abhängige Arbeitsplätze wären betroffen, was die bereits jetzt schwierigen sozialen Folgen der Deindustrialisierung weiter verschärfen dürfte.

Aus Fehlern lernen

In den USA und in China ist eine Flut von Elektrofahrzeug-Start-ups entstanden, wobei Start-up angesichts der zum Teil extrem hohen Bewertungen ein irreführender Begriff ist. Sie konnten den Hype um den Markt nutzen, um Werke zu finanzieren. Hinzu kommen einige vielversprechende und bereits etablierte Unternehmen wie Li Auto und Xpeng in China oder Rivian, Fisker und Lucid in den USA. In Europa, der Region, in der ein großer Teil der Automobilindustrie und ihre Ingenieure zu Hause sind, ist davon allerdings nichts zu spüren. Diese traurige Erkenntnis wirft die Frage auf, ob es in Europa an Unternehmergeist mangelt und ob die Finanzierungsstrukturen zu schwach sind. Aber das betrifft nicht nur den Automobilsektor.

Die Europäische Kommission scheint diesem Risiko jetzt offensiver begegnen zu wollen und hat dafür den so genannten „Airbus der Batterien"-Plan ins Leben gerufen. Der französische Batteriespezialist Saft, der 2016 von Total übernommen wurde, will gemeinsam mit PSA im französischen Nersac ein Werk bauen. Es dürfte 2023 die Produktion aufnehmen, zunächst mit einer Kapazität von 8 Gigawattstunden (GWh) im Jahr.

Noch ermutigender ist Verkor, ein Start-up aus Grenoble, das mit der Unterstützung von Schneider Electric klotzt, statt zu kleckern: Geplant ist eine Gigafabrik mit einer Jahreskapazität von über 16 GWh.

Allerdings ist Achtsamkeit geboten, um nicht die gleichen Fehler zu wiederholen, die bei der Solarenergie gemacht wurden. Europa muss sich den chinesischen Pragmatismus zum Vorbild nehmen, damit diese jungen Unternehmen wachsen können.

Die Klimaziele liefern dafür ein gutes Argument: Beim Übergang zur Elektromobilität sollte man nicht nur (wie jetzt) die CO2-Emissionen der Fahrzeugnutzung, sondern die des gesamten Produktlebenszyklus betrachten. Die Batterieherstellung hat daran einen großen Anteil. In China belaufen sich die – so berechneten – Emissionen der Elektromobilität auf 555 Gramm CO2/kwH. In Deutschland sind es 378 Gramm und in Frankreich nur 48 Gramm.[4] Angesichts seines CO2-armen Energiemixes sollte Frankreich daher alles dafür tun, um bei der europäischen Wende hin zu sauberen Fahrzeugen eine Schlüsselposition einzunehmen.

[1] Quelle: Bloomberg, Stand der Daten 23. November 2020

2 Quelle: Bloomberg, Stand der Daten 23. November 2020

3 Quelle: https://www.lesechos.fr/industrie-services/automobile/la-grande-glissade-de-lemploiautomobile- en-france-1126040

4 Quelle: NGO Climate Transparency

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