Velten AM: Künstliche Intelligenz? Ich habe große Zweifel!

Wenn man derzeitigen Prognosen glaubt, wird künstliche Intelligenz die Finanzbranche revolutionieren. In dem Buch Superintelligenz diskutiert Nick Bostrom sogar Szenarien eines Quantensprungs dieser Technologie, die den Menschen zu vernichten droht.

05.10.2018 | 10:02 Uhr

Die Phantasie von selbstfahrenden Autos geistert gegenwärtig durch viele Köpfe. Dabei ist es hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass dieser Traum schon recht alt ist. Schon in dem Was-ist-Was Buch "Das Auto" von 1974 wird eine solche Möglichkeit bereits für das Jahr 2000 angesprochen. Im Jahr 2000 phantasierte man dann stattdessen jedoch nur von der Brennstoffzelle.

Auf einem Kongress in München erlebte ich kürzlich einen Roboter, der auf die simple Frage: "Wie viel ist 1+1?" nicht antworten konnte. Das Gerät hätte eher auf eine 70er-Jahre Party gepasst, als auf eine Veranstaltung für Vermögensverwalter. Bald wird es besser - keine Frage. Aber wird es dann wirklich gut?

Natürlich wird die Informationstechnologie einen Wandel auslösen und sie hat es auch bereits getan. Mit Computern lassen sich beispielsweise fehlerlos erheblich mehr Informationen verarbeiten und mit nüchterner Logik bewerten als mit einem menschlichen Gehirn. Dies gilt vorzugsweise dann, wenn es sich um vergleichsweise langweilige Informationen handelt, die für unser Überleben nicht unbedingt von Nöten sind: Böse Zungen zählen hierzu auch Finanzdaten.

Menschliche Gehirne neigen zu einer ganzen Reihe von Fehlern, die zum Beispiel bei Aktien zu falschen Bewertungen führen können. Dieses Phänomen ist systematisch, was bedeutet, dass es zuverlässig bei den meisten Menschen vorkommt. Folglich sind Fehlbewertungen, aber auch Chancen, die sich daraus ergeben, systematisch. Der Nobelpreisträger Kahnemann hat diese Fehlerneigung übrigens wissenschaftlich untersucht. Frage: Wäre es nicht vorteilhaft, wenn man eine künstliche Intelligenz zur Verfügung hätte, die diese Fehler nicht macht und die man darüber hinaus für die gezielte Aktienauswahl nutzen könnte?

Bevor Optimismus entsteht: Es gibt diese Intelligenz noch nicht und es ist fraglich, ob es sie jemals geben wird. Andererseits brauchen wir diese Intelligenz auch nicht. Was wir vielmehr benötigen, ist eine Denk-Systematik, die von menschlichen Fehlern frei ist, und die zugleich eine Unmenge an Informationen verarbeiten kann. Und so etwas gibt es bereits heute: Handelsübliche Computer, die von vernünftigen Menschen mit einer klugen Programmierung versehen wurden. Eine solche Kombination aus biologischer Intelligenz und maschinengetriebener Informationsverarbeitung ist der menschlichen Einzelentscheidung überlegen. Dazu bedarf es jedenfalls keiner künstlichen Intelligenz. Auch eine Superintelligenz wird die Frage nach dem Ergebnis von 1 plus 1 nicht besser beantworten als ein kluger Mensch. Und daher werden auch Aktien mit einer tatsächlich hohen Wachstumsrate bei zugleich günstiger Bewertung systematisch besser performen als Titel, bei denen gläubige Investoren nur an ungesicherte Prognosen glauben.

Die Vision von einer „künstlichen Intelligenz“ scheitert an den Grenzen der Physik und Mathematik. Am Finanzmarkt wird eine künstliche Intelligenz kaum mehr als diejenigen 20% Rendite am Aktienmarkt erwirtschaften, die erfolgreiche Fondsmanager bereits vor ihr erreicht haben. Warren Buffet sagte einmal: "Die Börse ist kein Spiel, bei dem jemand mit einem IQ von 150 einem mit einem von 130 überlegen wäre". Damit reflektierte er unter anderem den Zusammenbruch von LTC, einem Hedge-Fonds, der von mehreren klugen Köpfen und Nobelpreisträgern in die Pleite geführt wurde.

Die Börse überfordert uns. Aber nicht wegen der Komplexität ihres Mechanismus, sondern aufgrund der Vielzahl von Informationseinheiten. Deshalb brauchen wir leistungsfähige informationsverarbeitende Systeme mit intelligenter Programmierung, die den Menschen unterstützen, nicht jedoch künstliche Intelligenz. In der Finanzbranche werden künftig diejenigen zu den Gewinnern zählen, die schon jetzt auf leistungsfähige Informationssysteme und ihren eigenen Verstand setzen, statt solche, die von künstlicher Intelligenz träumen.

Der Autor Dr. Robert Velten, Geschäftsführer der Velten Asset Management GmbH, ist Initiator und Berater des ‚Velten Strategie Deutschland‘ (WKN A2ATCU). Das Management des auf deutsche Aktien ausgerichteten Fonds setzt – wissenschaftlich untermauert – auf Erhebung und Auswertung exklusiver Unternehmens-Kennzahlen, die Erfolgsfaktoren wie Wachstum und Bewertung besser abbilden, als herkömmliche Messverfahren.

Diesen Beitrag teilen: