BNP Paribas: Steckt die Türkei China an?

Krisen

Während der Verfall der türkischen Lira ihren Lauf nimmt, fragen sich Investoren zunehmend, welche Auswirkungen die Türkei-Krise auf China und APAC-Schwellenländer hat.

03.09.2018 | 14:46 Uhr

Anfang August begann ein steiler Kursverfall der türkischen Lira gegenüber dem US-Dollar (Abbildung 1), ausgelöst von Sorgen über die sich verschlechternde wirtschaftliche Situation des Landes und die Eintrübung der politischen Beziehungen zu den USA. Während die Krise ihren Lauf nimmt, untersuchen Anleger die wirtschaftlichen Fundamentaldaten anderer Schwellenländer – sie wollen wissen, ob deren Wirtschaft durch das Geschehen in der Türkei in Mitleidenschaft gezogen werden könnte.

Abbildung 1: Wechselkurs türkische Lira/US-Dollar

Abbildung 1: Wechselkurs türkische Lira/US-Dollar

Quelle: CEIC, BNP Paribas  Asset Management (Asia), Stand: 17.08.2018

Zu den wichtigsten Punkten zählen bei dieser Art von Analyse die Leistungsbilanzen, Haushaltsdefizite, Auslandsverschuldung und Inflationsraten der einzelnen Länder. Das übliche Rezept für eine Krise besteht aus einem doppelten Defizit (bei Leistungsbilanz und Staatshaushalt), hohen Auslandsschulden und hoher Inflation, die zusammen einen „perfekten Sturm“ und einen Vertrauensverlust der Anleger auslösen können. Mit einem Leistungsbilanz- und Haushaltsdefizit, erheblichen Auslandsschulden und einer starken Inflation ist in der Türkei das gesamte „Paket“ an Krisenindikatoren zu finden (Abbildung 2).

In China gibt es dagegen keinen einzigen Indikator, der auf eine Krise hindeutet. Die Leistungsbilanz weist einen Überschuss auf, die Inflation liegt unter 2%, das Haushaltsdefizit beträgt knapp über 3% des BIP und die Auslandsverschuldung weniger als 15% des BIP, während sich die Devisenreserven auf 25% des BIP belaufen. Am wichtigsten: Der Renminbi ist nicht konvertibel, sodass das Risiko für einen Angriff auf diese Währung sehr gering ist. Dass die Türkei-Krise irgendwelche bedeutsamen Folgen für China haben wird, ist daher sehr unwahrscheinlich.

Abbildung 2: Makrostress-Indikatoren, APAC-Schwellenländer

Abbildung 2: Makrostress-Indikatoren, APAC-Schwellenländer

Quelle: CEIC, UBS, BNP Paribas Asset Management (Asia), Stand: 17.08.2018

Tatsächlich scheinen die Schwellenländer der Region Asien-Pazifik (APAC) allgemein widerstandsfähig gegen eine Ansteckung durch die Türkei zu sein . Indien, Indonesien und die Philippinen haben zwar ein doppeltes Defizit, aber ihre Inflationsraten sind deutlich niedriger als in der Türkei, und auch die Auslandsverschuldung ist erheblich geringer (Tabelle 1). Die Auslandsverschuldung von Malaysia ist zwar noch größer als die der Türkei, doch das Land weist einen hohen Leistungsbilanzüberschuss auf, und die Inflation ist sehr viel niedriger.

Tabelle 1: Indikatoren für Makrostress, APAC-Schwellenländer (2017)

Indikatoren für Makrostress, APAC-Schwellenländer (2017)

Quelle: CEIC, UBS, BNP Paribas Asset Management (Asia), Stand: 17.08.2018

Allerdings könnten Währungen von APAC-Schwellenländern kurzfristig dennoch unter Druck geraten. Möglicher Auslöser: Die Schwäche des Euro aufgrund von Ängsten bezüglich der Risiken europäischer Banken in der Türkei und der Schwäche des Renminbi im Zusammenhang mit der Sorge, dass das chinesische Inlandswachstum durch die Handelsspannungen mit den USA belastet werden könnte.

Wichtig dabei ist, dass die Korrelationen zwischen Renminbi und wichtigen asiatischen Währungen laut unseren Analysen in den letzten Jahren zugenommen haben – während die Korrelationen zum US-Dollar und zum Euro zurückgegangen sind[1].

Auf der Unternehmensseite gibt es in der Türkei zwar chinesische Anbieter in den Sektoren Logistik, Elektronik, Energie, Tourismus, Finanzen und Immobilien, doch diese sind keine bedeutenden Akteure. China hat sich vor kurzem bereit erklärt, im Rahmen seiner „Belt & Road“-Initiative in der Türkei zu investieren, doch größere Projekte wurden bisher noch nicht initiiert. Insgesamt hat das Land in den vergangenen 15 Jahren zwei Milliarden US-Dollar an Direktinvestitionen in der Türkei getätigt. Zudem machen die jährlichen Importe der Türkei von Gütern und Dienstleistungen aus China mit rund 26 Milliarden US-Dollar nur etwa 1% der chinesischen Gesamtexporte aus.

All das spricht dafür, dass die Türkei-Krise keine bedeutenden direkten Auswirkungen auf China haben wird. Gravierender für China und andere Länder wären die Zweitrundeneffekte, falls die Situation in der Türkei einen globalen Wirtschaftsschock und Turbulenzen an den Finanzmärkten auslöst. Diese Entwicklung stellt jedoch nicht das Basisszenario für globale Anleger dar.



[1]Siehe „Renminbi Displacing the US Dollar by Stealth“, Chi Lo, BNP Paribas Investment Partners, 3. Januar 2013.

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