WisdomTree: Nitesh Shah zum Coronavirus - Ist der Schwarze Schwan gelandet?

WisdomTree: Nitesh Shah zum Coronavirus - Ist der Schwarze Schwan gelandet?
Kommentar

Der bekannte Zukunftsforscher und Essayist Nassim Taleb definierte in seinem Bestseller mit dem Titel "Schwarze Schwäne" - extrem unvorhersehbare Ereignisse, die massive Auswirkungen auf die menschliche Gesellschaft haben.

26.02.2020 | 12:35 Uhr

Eine Einschätzung von Nitesh Shah, Director, Research, WisdomTree

Eines der Kernelemente sogenannter Schwarzer Schwäne besteht darin, dass diese Modelle ihre Existenz im Nachhinein erklären können. Im September 2019 wurde auf Ersuchen des Generalsekretärs der Vereinten Nationen ein Bericht erstellt, in dem es hieß: "Wenn die Aussage „was vorbei ist, ist ein Prolog“ stimmt, dann besteht die sehr reale Gefahr einer sich rasch entwickelnden, hochgradig lebensbedrohlichen Pandemie eines Atemwegserregers, die 50 bis 80 Millionen Menschen tötet und fast fünf Prozent der Weltwirtschaft auslöscht1.“ Der Bericht blieb zum Zeitpunkt der Veröffentlichung weitgehend unbemerkt. Er liest sich genauso unheimlich wie einige der 2007 verfassten Stabilitätsberichte der Zentralbank, denen zufolge viele Risiken zwar richtig erkannt wurden, die Dringlichkeit von Abhilfemaßnahmen jedoch nicht festgestellt wurde. 

Im Februar 2020, liest sich der UN-Bericht wie eine Prophezeiung. Zum Glück ist es noch nicht so schlimm. Aber da fast die Hälfte der Bevölkerung Chinas aufgrund des Coronavirus2 mit verschiedenen Instrumenten der Eindämmung konfrontiert ist und viele andere Teile der Welt gleichfalls betroffen sind (insbesondere Korea und Italien, wo die Fälle in einem Tempo wachsen, das viele überrascht hat), ist die Nervosität auf dem Markt verständlicherweise extrem groß. Die Anlagen in sichere Häfen sind gestiegen: Gold (+7,9 Prozent YTD), US-Treasuries (Rendite von 1,91 Prozent auf 1,38 YTD Prozent), US Dollar Basket (+3,0 Prozent YTD). Zyklische Assets dagegen, geben nach: Öl (-13,9 Prozent YTD), BCOM Industriemetalle (-8,9 Prozent YTD). Die Aktienmärkte, die die Bedrohung durch den Virus weitgehend ignoriert hatten (S&P 500, +5,1 Prozent im Jahr bis zum 19. Februar 2020), haben in den letzten drei Handelstagen alle bisherigen Gewinne in diesem Jahr abgegeben. Der Chicago Board Options Exchange Volatility Index (VIX) ist von 14 vor einer Woche (18. Februar 2020) auf 25 (24. Februar 2020) hochgeschnellt.

Es ist schwierig, klare Daten darüber zu erhalten, wie stark die Nachfrage im Epizentrum (China) der Epidemie bereits zurückgegangen ist, da die Daten bereits wegen des chinesischen Neujahrs getrübt sind (die saisonale Anpassung dieser Daten ist schwierig). Aber wir wissen, dass ein starker Rückgang beim Flugverkehr, bei Straßenfahrten, bei der Fabriktätigkeit - die alle mit Hilfe von Satelliten und Wärmebildern anekdotisch überwacht werden können - die Nachfrage nach produktiven Gütern wahrscheinlich drücken wird. In der Pressemitteilung des Caixin China Manufacturing Purchasing Managers' Index (PMI) vom 3. Februar wurde das Wort "Virus" nicht einmal erwähnt. Der PMI-Wert lag über der 50er-Grenze zwischen Expansion und Kontraktion. Wir erwarten, dass die Pressemitteilung vom 3. März für Februar ganz anders lauten wird. Wir wären überrascht, wenn die Produktion unter den gegenwärtigen Umständen expandieren kann.

Defensiven Anlagen werden im Augenblick weiterhin gut funktionieren. Rückenwind für Momentum könnte Gold in solche Portfolios einbringen, die diese Anlageklasse in der Vergangenheit weitgehend ignoriert haben. In der Zwischenzeit könnten zyklische Anlagen unter der Wolke einer Nachfrageskepsis um ihre Performance kämpfen. Allerdings könnten sich fantastische Gelegenheiten zur Schnäppchenjagd eröffnen, wenn die Ansteckung eingedämmt wird und schnell Impfstoffe entwickelt werden. Es gibt einige Rohstoffe, wie beispielsweise Öl, das wegen eines 60 Prozent der weltweiten Produktion kontrollierenden Kartells in naher Zukunft durch eine Produktionskürzung Schub erhalten könnte.

Sofern nicht anders angegeben, ist Bloomberg die Datenquelle, Stand 24. Februar 2020


1“A WORLD AT RISK, Einleitender Jahresbericht über die globale Vorbereitung auf Gesundheitsnotfälle”, September 2019, vom Global Preparedness Monitoring Board, das vom Generalsekretär der UN eingerichtet wurde.

2 New York Times, 17 February 2020: “Mindestens 760 Millionen Menschen - etwas mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes - sind unter verschiedenen Bedingungen isoliert.”

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