Columbia Threadneedle: Wie weit werden die Zinsen noch steigen?

Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments
Kommentar

Die Zinsen steigen in Europa weiter, in den USA könnten sie dagegen sogar wieder sinken, meint Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments, in seinem wöchentlichen Kommentar.

18.04.2023 | 08:32 Uhr

Dies sei eine Folge der Rezession in den USA, die er für sehr wahrscheinlich hält. Das Szenario mag gut sein für Europäische Aktien, aber nicht für die globalen Finanzmärkte:

  • Die Inflation zeigt sich weltweit hartnäckig. Die Gesamtzahlen sind zwar gesunken, aber die Kerninflation ist stabil geblieben. Im Falle Europas hat sie sogar zugenommen.
  • Bell erwartet eine weitere Anhebung der US-Zinssätze auf der FOMC-Sitzung am 3. Mai und geht davon aus, dass die US-Wirtschaft bis Ende des Jahres in eine Rezession abgleitet.
  • In Europa ist die Kerninflation nach wie vor fest und die Arbeitslosigkeit niedrig. Es ist zu erwarten, dass die EZB die Zinsen weiter anheben wird.
  • Bis Ende des Jahres könnten die Zinsen in Europa höher sein als in den USA. Dies deutet auf eine erneute Dollarschwäche gegenüber dem Euro hin.
  • Bell glaubt, dass die Zinssätze im Vereinigten Königreich ebenfalls steigen werden. Die Inflation ist nach wie vor viel zu hoch, obwohl sich der Lohnanstieg im privaten Sektor verlangsamt hat.

Wie weit werden die Zinsen noch steigen?

Weltweit haben sich die aktuellen Wirtschaftsdaten verbessert: Die Fälle, in denen die veröffentlichten Daten von den Konsenserwartungen abwichen, waren in fast allen Ländern positiv, sowohl in den Entwicklungs- als auch in den Schwellenländern. Darüber hinaus ist die Inflation stabil geblieben. „Zwar sind die Gesamtinflationszahlen gesunken. Die Kerninflation ist jedoch stabil geblieben oder hat sogar angezogen, wie im Fall von Europa“, erklärt Steven Bell, Chefvolkswirt EMEA bei Columbia Threadneedle Investments. Er bestätigt außerdem, dass sich inzwischen auch die Befürchtungen gelegt haben, der Zusammenbruch von drei US-Banken könne eine ausgewachsene Kreditkrise auslösen.

Wie werden sich nun die Zinssätze entwickeln?

Bell erwartet für die USA eine weitere Anhebung der Zinsen auf der Sitzung des Offenmarktausschusses (FOMC) am 3. Mai. „Die Entscheidungen danach werden von den Konjunkturdaten abhängen, und diese Daten könnten durchaus darauf hindeuten, dass es keine oder nur eine geringe weitere Erhöhung geben wird.“

Die jüngsten besseren US-Wirtschaftsdaten sind auf die Anpassungen der Lebenshaltungskosten („cost of living adjustments“ oder COLAs) zurückzuführen, die die Sozialversicherungszahlungen im Januar um 8,7 Prozent anhoben. Diese Auswirkungen lassen nun nach, und obwohl eine Kreditklemme zunächst einmal abgewendet werden konnte, ist eine Kreditverknappung eindeutig im Gange. Darüber hinaus schlägt sich der Einbruch bei den Hausverkäufen in sinkenden Ausgaben in verwandten Bereichen nieder. „Die US-Unternehmen leiden unter einem Margendruck, sie haben ihre Investitionen bereits gekürzt, und ein Stellenabbau dürfte folgen. Ich rechne mit einer Rezession in den USA bis zum Ende des Jahres“, lautet die Vorhersage Bells.

Zinsen in Europa höher als in den USA?

Europa hingegen profitiert noch immer von den sinkenden Energiepreisen. Das Verbrauchervertrauen und das Vertrauen der Unternehmen verbessern sich. Das bedeutet für den Volkswirt: „Die Kerninflation ist nach wie vor stabil, und da die Arbeitslosigkeit niedrig ist, wird die EZB die Zinsen wahrscheinlich weiter anheben. Sie könnten bis zum Jahresende sogar höher sein als in den USA, wenn meine Rezessionsprognose zutrifft und die Fed die Zinsen in den USA senkt. Das wäre in der Tat ein großer Umschwung.“

Interessant sind laut Bell die Aussichten für das Vereinigte Königreich. Der Pessimismus des Herbstes und Winters hat sich als völlig übertrieben erwiesen. „Wir haben unser eigenes Äquivalent zu den COLAs – die Sozialversicherungszahlungen werden diesen Monat um satte 10,1 Prozent erhöht, so dass wir im Frühjahr mit einer stabilen Entwicklung der Verbraucherausgaben rechnen.“

„Verstehen Sie mich nicht falsch, es handelt sich keineswegs um einen Boom, aber es ist ein anhaltendes Wachstum und ein ganz anderer Hintergrund als der, den die Bank of England (BoE) erwartet“, erklärt Steven Bell weiter. „Die Zinsen werden also auch hier steigen. Aber vielleicht nicht viel weiter.“ Obwohl die Inflation im Vereinigten Königreich nach wie vor viel zu hoch ist, hat sich die Lohninflation im privaten Sektor deutlich verlangsamt, von 7 Prozent auf Jahresbasis vor drei Monaten auf nur noch 1,2 Prozent nach den jüngsten Zahlen. In dieser Woche werden weitere Daten veröffentlicht. Und selbst wenn diese etwas höher ausfallen sollten, würde dies die BoE darin bestärken, dass sich die Inflation, die aufgrund von Basiseffekten bis zum Jahresende drastisch zurückgehen wird, bis 2024 nachhaltig auf ihr 2-Prozent-Ziel zubewegen könnte. Die BoE dürfte in der Lage sein, den bevorstehenden Anstieg des Verbrauchs zu verkraften, da sie sich des Gegenwinds durch die Rezession im Immobiliensektor nur allzu bewusst ist.

Was bedeutet dies alles für die Finanzmärkte?

Laut Steven Bell dürfte ein Ende der Zinserhöhungen in den USA den Risokoinvestments wieder Auftrieb geben, wobei die Aussicht auf eine Rezession in den USA dem entgegensteht. „Wir sind gegenüber Aktien neutral eingestellt. Bessere Wirtschaftsdaten führen in der Regel zu besseren Erträgen, und das bedeutet wahrscheinlich, dass europäische Aktien besser abschneiden als die US-amerikanischen. Außerdem deutet dies auf eine erneute Dollarschwäche gegenüber dem Euro hin. Das Pfund Sterling dürfte ebenfalls profitieren, allerdings nicht so stark. Und britische Aktien, die immer noch relativ billig sind, könnten ebenfalls überdurchschnittlich abschneiden. Die wirtschaftliche Erholung und ein schwächerer Dollar dürften auch den Aktien der Schwellenländer Auftrieb geben.“

Es sieht alles nach einem eher langweiligen Szenario aus, aber das wäre eine willkommene Abwechslung nach all der Aufregung im März.

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