ASI: Rolle der Frau - Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz kommt allen zugute

ASI: Rolle der Frau - Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz kommt allen zugute
Kommentar

Covid-19 hat Frauen überproportional stark getroffen und die ohnehin bereits deutliche Ungleichbehandlung der Geschlechter noch verschärft. Neben dem Aspekt der sozialen Gerechtigkeit bestehen aber auch wesentliche wirtschaftliche Gründe, warum die Erwerbsbevölkerung diverser sein sollte.

22.07.2021 | 06:40 Uhr

Es ist offensichtlich, dass Frauen am meisten unter den Folgen der Covid-19-Pandemie zu leiden haben. Am stärksten betroffen von den Lockdowns waren Niedriglohnjobs im Dienstleistungssektor, die in der Regel von Frauen besetzt sind. Gleichzeitig haben die unbezahlten Betreuungsaufgaben von Frauen infolge von Heimunterricht und Heimarbeit zugenommen.

Neben dem Aspekt der Fairness ist eine höhere Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz auch aus Effizienzgründen sehr sinnvoll. Eine stärkere Diversität und Inklusion der Belegschaft kann die Erträge und das Wachstum beflügeln. Da die Bevölkerungen altern und das Produktivitätswachstum rückläufig ist, könnten Unternehmens- und Regierungsmaßnahmen zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen der Weltwirtschaft einen dringend benötigten Schub verleihen.

Zunächst einmal unterstreichen Geschlechterunterschiede in der Erwerbsbevölkerung die geringe Rentabilität von Investitionen in Bildung. Frauen sind in den meisten Industrieländern in der Regel genauso gut oder sogar besser ausgebildet als Männer. Gleichwohl liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie einen Kompromiss zwischen bezahlter Arbeit und unbezahlten Tätigkeiten, darunter Betreuungsaufgaben, eingehen müssen, viel höher als bei Männern. Als Folge weisen Frauen eine deutlich geringere Erwerbsbeteiligung auf. Und wenn sie doch einer bezahlten Tätigkeit nachgehen, dann oft mit verringerter Arbeitszeit, wodurch die geschlechterspezifischen Unterschiede in Bezug auf Lohn, berufliche Weiterentwicklung und Chancen weiter zunehmen.

Anhand unseres Researchs wollen wir herausfinden, was die Erwerbsbeteiligung von Frauen antreibt. Zu diesem Zweck haben wir Daten aus 31 Ländern aus dem Zeitraum 2002 – 2016 analysiert. Aus unseren Erkenntnissen lassen sich fünf klare Maßnahmenempfehlungen für politische Entscheidungsträger und Unternehmen zur Förderung der Erwerbsbeteiligung von Frauen ableiten.

1. Sicherstellen, dass Männer Anspruch auf Elternzeit haben, damit die Belastung durch kinderbedingte Karriereunterbrechungen gleichmäßiger verteilt ist

Am bemerkenswertesten ist, dass ein höherer gesetzlicher Anspruch auf Elternzeit deutlich positiv zu einer höheren Erwerbsbeteiligung von Frauen beiträgt. Eine Erhöhung des Elternzeitanspruchs um durchschnittlich eine Woche steigert die Erwerbsbeteiligung von Frauen um rund 3%. Die Vorteile scheinen bei rund sieben Wochen ihren Höhepunkt erreicht zu haben, aber auch viele Monate danach sind noch positive Nettoeffekte zu spüren.

Dafür gibt es eine einleuchtende Erklärung: Gehen Frauen davon aus, dass sie eine Berufspause einlegen, ihre Partner dies aber nicht tun, hat dies selbstverständlich eine geringere Verbundenheit mit der Erwerbsbevölkerung zur Folge. Ein Arbeitgeber, der sich zwischen zwei Kandidaten unterschiedlichen Geschlechts entscheiden muss, bevorzugt womöglich diejenige Person, bei der Unterbrechungen weniger wahrscheinlich sind. Wird von allen Elternteilen erwartet, dass sie Elternzeit in Anspruch nehmen, dann dürften diese Hürden für Frauen, ein Teil der Erwerbsbevölkerung zu werden und zu bleiben, abnehmen.

Doch ein höherer Anspruch auf Elternzeit ist nur ein Teil der Lösung. Bei Männern ist nach wie vor eine ungebrochene Abneigung gegen Vaterschaftsurlaub zu beobachten. Daher muss mehr getan werden, um sie dazu zu bewegen, die Elternzeit in Anspruch zu nehmen.

2. Reduzierung der steuerlichen Belastung für Zweitverdiener und Alleinerziehende

Frauen stellen in Haushalten mit zwei Einkommen in der Regel die Zweitverdiener dar und sind häufiger alleinerziehend als Männer. Einige Länder erheben höhere Steuern auf das Einkommen von Zweitverdienern und Alleinerziehenden, was Frauen von einer Erwerbsbeteiligung abhält. Regierungen sollten die Steuersysteme reformieren, um für gleiche Bedingungen zu sorgen.

3. Berücksichtigung der Quantität und Qualität der von Frauen geleisteten Arbeit

Viele Frauen müssen ihre berufliche Tätigkeit mit Betreuungsaufgaben in Einklang bringen. Daher sind Teilzeitarbeit und flexible, kurzfristige Arbeitsarrangements entscheidend, um Frauen in der Erwerbsbevölkerung zu halten, insbesondere zu Beginn der Elternschaft.

Bei Frauen, die einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit nachgehen, ist eine positive Korrelation zwischen Beschäftigungsschutz und Erwerbsbeteiligung zu beobachten. Dies gilt auch für befristete Arbeitsverhältnisse, bei denen die Erwerbsbeteiligung von Frauen trotz des schwächeren Schutzes zunimmt. Dies lässt darauf schließen, dass flexible Arbeitsplatzregelungen Frauen einen leichteren Ein- und Wiedereinstieg ermöglichen. Unternehmen müssen daher ein Gleichgewicht zwischen angemessenem Schutz und der von Eltern und Betreuungspersonen benötigten Flexibilität finden.

4. Gesamtwirtschaftliche Performance und Widerstandskraft stärken

Wir haben drei wirtschaftliche Faktoren ermittelt, die eng und positiv mit der Erwerbsbeteiligung von Frauen verknüpft sind: die Wirtschaftsleistung eines Landes, Bildung und die Erwerbsbeteiligung von Männern. Die Erkenntnisse bestätigen, wie wichtig eine solide Wirtschaftspolitik mit dem Ziel eines stabilen, langfristigen Wachstums ist. Wie die tiefen Rezessionen infolge der Covid-19-Pandemie gezeigt haben, werden Frauen in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eher entlassen als Männer.

5. Mehr und qualitativ höherwertige Daten

Darüber hinaus herrscht ein Mangel an qualitativ hochwertigen Daten zu den Diversitäts- und Inklusionsmaßnahmen von Unternehmen. Die bestehende Gesetzgebung muss gestärkt und umfassender gestaltet werden. Ohne angemessene Informationen ist es schwierig, ein vollständiges Verständnis darüber zu erlangen, welche Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Inklusion geeignet sind und wie sich dies auf die Performance von Unternehmen auswirkt.

Implikationen für Anleger

Aus unseren Researcherkenntnissen ergeben sich wichtige Auswirkungen für Anleger. Die Erkenntnisse können dabei helfen, jene Länder zu ermitteln, die am besten positioniert sind, die Erwerbsbeteiligung von Frauen zu fördern, die wirtschaftliche Effizienz zu steigern und langfristige Wachstumsherausforderungen anzugehen. Unsere Arbeit unterstreicht zudem die Bedeutung sozialer Faktoren im Hinblick auf langfristige wirtschaftliche und dadurch auch Marktergebnisse. Dies ist besonders relevant, da ökologische, soziale und Governance-Aspekte (ESG-Aspekte) zunehmend in den Mittelpunkt von Anlageansätzen rücken. Die Studie misst dem oftmals unterbewerteten „S“ in ESG eine noch höhere Bedeutung bei, insbesondere im Hinblick auf die Risiken und Chancen für strategische Anleger mit langfristigem Anlagehorizont.

Abbildung 1: Faktoren, die sich auf die Erwerbsbeteiligungsquote von Frauen auswirken

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© abrdn

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