abrdn Kommentar: Europäische Aktien – Grund zum Optimismus

abrdn Kommentar: Europäische Aktien – Grund zum Optimismus
Kommentar

2022 war kein gutes Jahr für Europa. 2023 könnte dem Kontinent sogar eine Rezession bevorstehen. Doch Anleger, die sich davon nicht abschrecken lassen, können von Investitionen in europäische Unternehmen zu derzeit attraktiven Preisen profitieren.

06.12.2022 | 12:02 Uhr

Welche Branchen derzeit besonders aussichtsreich sind, erklärt Jamie Mills O’Brien, Investmentmanager bei abrdn, in einem aktuellen Marktausblick:

„Das Jahr 2022 war in Europa zweifellos ein sehr schwieriges Jahr mit dem Angriffskrieg in der Ukraine, einer Energiekrise, der höchsten Inflation seit Jahrzehnten, steigenden Zinssätzen, einer drohenden Rezession und anhaltenden politischen Unruhen. Aktien haben ihr schlechtestes Jahr seit der Weltwirtschaftskrise hinter sich, während Anleihen ihr schlechtestes Jahr seit über 40 Jahren verzeichneten. Vor diesem Hintergrund sind die Anleger nicht unbedingt in der Stimmung, sich darauf einzulassen, dass europäische Aktien derzeit zu historisch günstigen Kursen gehandelt werden.

Es wächst die Sorge, dass Europa längerfristig von Problemen geplagt wird, dass es eine „alte“, zyklische Wirtschaft ohne Binnenwachstum ist und die Überzeugung, dass sich die Anleger fernhalten sollten. Wir sind jedoch anderer Meinung als die Kritiker und glauben, dass die Aussichten für Europa heute so gut sind wie schon lange nicht mehr, auch wenn Europa im nächsten Jahr wahrscheinlich eine Rezession erleben wird.

Wir denken, dass das BIP in Europa um etwa ein Prozent im Jahr 2023 zurückgehen könnte. Wir sind jedoch nicht pessimistisch, sondern sehen drei wesentliche Gründe, warum Anleger die zahlreichen Chancen, die die Region bietet, nutzen sollten.

Innovation und Erbe

Erstens gibt es zahlreiche Unternehmen, die das beneidenswerte Erbe und die Geschichte Europas mit modernster Innovation und Technologie verbinden. Zweitens baut der Kontinent weiter auf seine Stärken in den Bereichen Nachhaltigkeit und grüne Technologien. Und schließlich unterschätzen die Anleger immer noch die wachsenden Stärken Europas im Bereich der industriellen Digitalisierung.

In diesen Segmenten gibt es überall auf dem Kontinent Unternehmen mit starken, wettbewerbsfähigen Marktpositionen, und erfolgreiche Firmen, die ihre Ertragskraft kontinuierlich steigern. Wir glauben, dass diese Faktoren in einer Welt, in der niedrige Zinsen und niedrige Inflation nicht mehr die primären Treiber für Vermögenspreise sind, zunehmend an Bedeutung gewinnen werden.

Luxus und Tradition

Dank seiner langen Tradition in der handwerklichen Fertigung ist Europa die Heimat von weltbekannten Luxusunternehmen wie Hermes und LVMH. Gleichzeitig hat die industrielle Stärke des Kontinents Unternehmen wie Dassault, Nemetschek und Schneider hervorgebracht. Außerdem hat Europa großes Know-how im Bereich der Unternehmensführung. Dazu zählen der Zahlungsverkehr, Industrieautomatisierung und Internetplattformen. Wir sind der Meinung, dass dieses Gleichgewicht eine der unterschätzten und unterbewerteten Stärken Europas ist. Für Anleger bieten diese Unternehmen eine großartige Gelegenheit, sich an Unternehmen mit einer Vielzahl von strukturellen Faktoren in einer Reihe von Branchen zu beteiligen.

Führend bei verantwortungsvollen Investitionen

Wir sind seit langem der Meinung, dass Europa das globale Zentrum des verantwortungsvollen Kapitalismus ist. Die Idee, dass nachhaltiger Gewinn und Nachhaltigkeit eine sich gegenseitig verstärkende Dynamik darstellen, wurde in Europa geboren und verstetigt. Auch die politischen Entscheidungsträger haben diese Agenda vorangetrieben. Im Dezember 2019 kündigte Europa einen Green Deal in Höhe von einer Billion Euro an. Für viele war dies der Höhepunkt der öffentlichen und steuerlichen Unterstützung und der weltweiten Führungsrolle des Privatsektors bei grünen Technologien und der Energiewende.

Der Krieg in der Ukraine hat die Dinge sicherlich verkompliziert. Einige sind der Meinung, dass der Konflikt die grüne Agenda Europas gefährdet. Die Öl- und Gasunternehmen profitieren von den Rekordpreisen, während die Rüstungsunternehmen über steigende Auftragsbestände berichten.

Nichtsdestotrotz sind die grünen Ambitionen Europas nicht nur unverändert, sondern stehen jetzt auch in vollem Einklang mit den Bestrebungen der Region, Energieautarkie zu erlangen. Der Wunsch Europas, sich vom bisherigen Energiesystem zu lösen und den Übergang zu erneuerbaren Energien voranzutreiben, hat sich verstärkt.

Eine digitale Revolution

Vor Corona verlagerten sich die Triebkräfte des Computerwachstums vom mobilen Internet und den Verbrauchern hin zur Digitalisierung der Industrie. Die Pandemie hat diesen Wandel beschleunigt. Europa, ein zentraler Akteur der industriellen Revolution, vereint zahlreiche verarbeitungsorientierte Volkswirtschaften, und viele von ihnen stehen heute im Mittelpunkt der industriellen Digitalisierung und Automatisierung. Die IT-Ausgaben im verarbeitenden Gewerbe steigen weiter an. Von Industriesoftware- und Halbleiterfirmen bis hin zu Marktführern in der Robotik und Automatisierung – die Aussichten für zahlreiche europäische Unternehmen haben sich deutlich verbessert.

Aus all diesen Gründen sind wir der Meinung, dass die Anleger über die Schlagzeilen hinausblicken sollten. Wenn sie dies tun, werden sie einige der besten Unternehmen weltweit zu äußerst attraktiven Preisen finden. Sie können auch aufstrebende Marktführer in strukturell wachsenden Branchen finden. Zu den Sektoren, in denen wir auch im kommenden Jahr eine gute Performance erwarten, gehören Pharma, Energie, Banken und Technologie – alles Bereiche, in denen Innovation und Nachfrage ausgeprägt sind.

Der berühmte Investor Seth Klarman sprach davon, wie wichtig es ist, zu investieren, wenn man eine „Sicherheitsmarge“ genießt. In Anbetracht des gegenwärtigen Klimas sind wir der Meinung, dass Europa diese Sicherheitsmarge jetzt mit reichlich Spielraum bietet."

Diesen Beitrag teilen: