Morgan Stanley IM: Der Klimawandel geht uns alle an

Klimawandel

Der Klimawandel geht uns alle an. Das International Equity Team, das bei 95 % der Unternehmen in seinen globalen Strategien zu dem Thema Einfluss genommen hat, erörtert die Frage, wie Unternehmen zur Verantwortung gezogen werden können

27.06.2022 | 08:39 Uhr

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2021 starteten wir in all unseren globalen Strategien ein Engagement-Programm zum Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft. Unser Ziel bestand darin, die Klimarisiken und -chancen der einzelnen Unternehmen zu bewerten, ihre Klimaprofile zu verstehen und zu Verbesserungen anzuregen. Damit wollten wir herausfinden, wie robust unsere Portfolios im Hinblick auf eine kohlenstoffarme Zukunft sind. Wir arbeiteten in diesem Zusammenhang mit 95 % der von uns in unseren globalen Strategien gehaltenen Unternehmen zusammen, was deutlich über den Branchendurchschnitt in Sachen Unternehmensengagement hinausgeht (laut einem jüngstem Bericht der von den Vereinten Nationen unterstützten Prinzipien für verantwortliches Investieren (PRI) liegt dieser bei lediglich 19 % der in Portfolios vertretenen Bestände).1

Daraus ergaben sich positive Ergebnisse. Sechs von sieben der von uns gehaltenen Unternehmen, die ursprünglich keine Ziele aufwiesen, bereiten sich nun entweder auf eine Zielfestlegung vor oder verfügen bereits über entsprechende Ziele, und neun Unternehmen haben ihre bestehenden Netto-Null-Ziele sogar vorgezogen. Anfang 2021 hatten durchschnittlich 54 % unserer Portfoliobestände in unseren globalen Strategien Netto-Null-Ziele festgelegt oder verfolgten noch ehrgeizigere Vorhaben. Bis zum Ende des Jahres war dieser Anteil sogar auf 71 % angestiegen. Dies steht im Kontrast zu den Forbes 2000 Unternehmen, von denen einem Bericht der Oxford University2 zufolge lediglich 21 % Netto-Null-Ziele aufweisen.

Der Klimawandel geht uns mittlerweile alle an. Ein Bericht des Weltklimarats (IPCC) stellte fest, dass es nach wie vor möglich ist, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5°C zu begrenzen, aber auch nur wenn die Welt sofort handelt.3 Unserer Meinung nach ist der Kampf gegen den Klimawandel nicht nur richtig, er macht auch wirtschaftlich Sinn. Unsere Botschaft an die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten ist unmissverständlich: wer es versäumt, CO2-Emissionen anzugehen, geht hohe Risiken ein. Unternehmen laufen Gefahr, dass ihre Emissionen besteuert und reguliert werden, und sie setzten ihre Wettbewerbsposition, ihre Sachanlagen, ihren Ruf, ihre Gewinne, ihre Bewertung und vielleicht sogar ihre Zukunft aufs Spiel.

Für Investoren ist die Bewertung von Emissionsrisiken in Unternehmen bereits ein grundlegendes Element der Wertpapieranalyse und Aktienauswahl. Die qualitativ hochwertigen Informationen auf Unternehmensebene, nach denen wir indes Ausschau halten, lassen sich nur durch gezieltes Engagement gewinnen, und können nicht einfach von Drittanbietern erworben werden. Engagement ist das Kennzeichen unseres integrierten Anlageprozesses in Sachen Umwelt, Soziales und Governance (ESG). Insgesamt führten wir 2021 in puncto ESG 143 Einflussnahmen durch. Darunter verstehen wir nicht das Abhaken von Kästchen per E-Mail, anonyme Gruppenmeetings oder „Speed-Dating“-Konferenzen. Vielmehr bevorzugen wir den persönlichen Dialog mit Führungsriegen und ESG-Experten von Unternehmen. Dank unserer Größe und als langfristig orientierte Investoren verfügen wir über den Luxus eines hervorragenden Zugangs zu Unternehmen. Auch wenn es immer ein oder zwei Ausreißer geben wird, die schwer ansprechbar sind, können wir mit Stolz sagen, dass wir uns 2021 mit fast allen unseren globalen Portfoliounternehmen getroffen haben, um ausschließlich über CO2-Emissionen zu sprechen.

Zielgerichtetes Engagement für konkrete Ergebnisse

Die von uns angestrebten Einflussnahmen unterscheiden sich je nachdem, wo ein Unternehmen in der Klimareife-Matrix angesiedelt ist: Ob es nun darum geht, einem Unternehmen dabei zu helfen, erste Emissionsziele in Angriff zu nehmen, eine bessere Transparenz und Rechenschaftspflicht anzustreben oder gut gemeinte Ziele in Frage zu stellen, denen es allerdings an glaubwürdigen Handlungsplänen mangelt. Bei denjenigen, die sich bereits auf dem richtigen Weg befinden, was ihre Offenlegung, Ziele und Maßnahmen betrifft, nutzen wir das Engagement, um ihre Performance zu verfolgen und ihre Führungsrolle weiter zu festigen.

Die von uns angestrebten Ergebnisse (oder zu vermeidenden Risiken) sind je nach Branche unterschiedlich. Nach unserem ersten Treffen in Bezug auf CO2-Emissionen mit einem hochwertigen Industrie-/Technologieunternehmen, das zunächst keinerlei Ziele oder Ambitionen zur Emissionsminderung aufwies, lud uns die Geschäftsleitung ein, mit ihr und einem Berater unsere Ansichten über bewährte Verfahren und die Erwartungen der Investoren zu besprechen. Dies wird dem Unternehmen helfen, seine eigene Kohlenstoffstrategie festzulegen – ein Ergebnis, das unseres Erachtens die Effektivität von zielgerichteten Einflussnahmen unter Beweis stellt.

In einer anderen Branche kritisierten wir bei einem Unternehmen, das auf Verbraucherkreditauskünfte spezialisiert ist, dass sich bei den Managementanreizen keine ökologischen und sozialen Zielsetzungen wiederfanden. Das Unternehmen räumte ein, dass sich die Umstände geändert hätten und dass dies nun Gegenstand interner Diskussionen sei. Außerdem haben wir im Zusammenhang mit den Scope-1-Emissionen nachgefragt, wie das Unternehmen der CO2-Bilanz der Mitarbeiter, die derzeit im Home-Office tätig sind, sowie den Auswirkungen eines künftig wohl anderen Arbeitsmodells Rechnung zu tragen gedenkt. Wir hinterfragten außerdem den Sinn, Rechenzentren in Texas zu haben, da Heizung und Kühlung einen erheblichen Anteil ihrer Emissionen ausmachen. Auch hier setzt sich das Unternehmen mittlerweile aktiv mit seiner Position auseinander.

Beim Engagement geht es nicht nur darum, bestehende Richtlinien oder Ziele unter die Lupe zu nehmen. Es gilt auch, klimabezogene Chancen zu erkunden. Da einige Initiativen relativ neu sind, zeichnen sich hier unter Umständen wohl nicht so bald positive Ergebnisse ab. Sie könnten mit der Zeit aber durchaus an Bedeutung gewinnen. Eine der von uns gehaltenen führenden globalen Börsengruppen bewertet die regulatorischen Veränderungen unterdessen positiv, da dazu „überall neue Projekte entstehen“. Sie sieht sich ideal aufgestellt, um Handelsprodukte in regulierten Märkten zu entwickeln.

Ein anderes unserer Unternehmen (ein weltweit führender Unternehmensberater) befindet sich aufgrund seiner globalen Partnerschaften mit zahlreichen weltweiten Marktführern in Kombination mit einem Kundenstamm, der sich teilweise auch auf sein eigenes Anbieternetzwerk erstreckt, in einer einzigartigen Position, um Nachhaltigkeitsinitiativen voranzutreiben. Auf Seiten seiner Anbieter ist das Unternehmen im Rahmen seines Ziels, bis 2025 Netto-Null zu erreichen, bemüht, dass 90 % der wichtigsten unter ihnen wiederum ihre Umweltziele offenlegen. Auf Partnerebene unterstützt das Unternehmen im Rahmen eines Joint Venture mit dem weltweit führenden Softwareanbieter Versorgungs- und Energieunternehmen in Großbritannien bei der Transformation des Energiesystems und bei der Senkung der Kosten für die Dekarbonisierung des britischen Strommarktes. Unterstützt wird dieser Prozess durch Open Data, künstliche Intelligenz und die Schulung von Arbeitskräften mit digitalen Fähigkeiten. Im Rahmen unseres Engagements haben wir das Unternehmen darauf angesprochen, warum Umweltziele nicht in die Incentivierung für die Geschäftsleitung einbezogen sind, Vielfalt und Inklusion hingegen schon. Mittlerweile wird unsere Anregung intern diskutiert.

Die nächsten Schritte des Programms

Nach Abschluss der ersten Phase unseres Programms besteht unser Vorhaben für 2022 darin, uns weiterhin für bessere Ergebnisse in vier Schwerpunktbereichen einzusetzen: (i) verbesserte Transparenz und Offenlegung; (ii) die Stärkung von Netto-Null-Zielen und der Annahme von wissenschaftsbasierten Zielen und Ausweitung auf Scope-3-Emissionen, sofern noch nicht geschehen; (iii) eine bessere Abstimmung von Managementanreizen, indem darauf gedrängt wird, dass ökologische und soziale Ziele an die Vergütung von Führungskräften gekoppelt werden, um deren Erfüllung zu unterstützen; und (iv) die Diskussion über naturbasierte Lösungen und das Risiko für Sachvermögen.

Um den Klimawandel anzugehen, bedarf es mehr als nur einzelner Personen oder kleiner Gruppen, ganz egal wie entschlossen diese sind und wie sehr sie sich auch einsetzen. Was wir jedoch tun können ist, die von uns gehaltenen Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen sowie uns für Veränderungen einzusetzen und dazu zu ermutigen.

Unser unermüdlicher Fokus, qualitativ hochwertige Kapitalvermehrer zu angemessenen Bewertungen zu halten, wird sich dabei nie ändern. Immer wieder haben sich in den vergangenen 25 Jahren Investitionen in Unternehmen mit solchen Merkmalen als wertvoll erwiesen, insbesondere in wirklich schwierigen Zeiten, von der Dot-Com-Blase und deren Zerplatzen zu Beginn des Jahrhunderts bis hin zu wirtschaftlichen Rezessionen und zuletzt der weltweiten Pandemie. Ihre verhältnismäßig hohe Widerstandskraft kam vor allem dann zum Vorschein, wenn sie am meisten gebraucht wurde. Die von uns so geschätzte wirtschaftliche Grundlage die stetige Gewinnvermehrung auf längere Sicht bei hohen Renditen auf das Betriebskapital macht das qualitativ hochwertige Fundament aus, das unserer Meinung nach auch künftig die besten Voraussetzungen für langfristig attraktive Renditen bieten wird.

Begriffsbestimmungen

Scope 1 umfasst alle direkten Emissionen, die aus der eigenen Geschäftstätigkeit eines Unternehmens resultieren (zum Beispiel Kohle-/Gaskraftwerk, Zementofen, Stahlofen, eigene Lastwagen).

Scope 2 umfasst die Emissionen, die aus der von einem Unternehmen beschafften Energie resultieren. Diese hängen davon ab, a) wie energieintensiv die Fabrik/die Produktion ist und b) wie der Energiemix des Stromversorgers des Unternehmens, also der Mix aus erneuerbaren Energien und fossilen Brennstoffen, beschaffen ist. In vielen Ländern können die Unternehmen heute darüber entscheiden.

Scope 3 umfasst indirekte Emissionen, die aus den Tätigkeiten in der Lieferkette (vorgelagert) und dem Vertrieb sowie der Verwendung der Produkte (nachgelagert) resultieren.

1. Quelle: Principles for Responsible Investment, Momentaufnahme über börsennotierte Eigenkapitalwerte 2017 – 2020, 8 Oktober 2020.

2. Quelle: ECIU Oxford University – Taking Stock. A Global Assessment of Net Zero Targets. März 2021

3. Quelle: Erklärung der Arbeitsgruppe I des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) und des Generalsekretärs der Vereinten Nationen zum Bericht der Arbeitsgruppe 1 des IPCC über die physikalischen Grundlagen der sechsten Bewertung (Working Group 1 Report on the Physical Sciences Basis of the Sixth Assessment) vom 9. August 2021.

Risikohinweise

Es besteht keine Garantie, dass ein Portfolio sein Anlageziel erreichen wird. Portfolios sind Marktrisiken ausgesetzt, d. h. es besteht die Möglichkeit, dass der Marktwert der Wertpapiere im Portfolio zurückgeht. Marktwerte können sich aufgrund wirtschaftlicher und anderer Ereignisse (z. B. Naturkatastrophen, Gesundheitskrisen, Terrorismus, Konflikte und soziale Unruhen), die Märkte, Länder, Unternehmen oder Regierungen betreffen, täglich ändern. Der Zeitpunkt, die Dauer und mögliche negative Auswirkungen (z. B. Portfolio-Liquidität) von Ereignissen lassen sich nur schwer vorhersehen. Anleger können deshalb durch die Anlage in dieser Strategie Verluste verzeichnen. Anleger sollten beachten, dass diese Strategie bestimmten zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein kann. Veränderungen der globalen Konjunktur, der Verbraucherausgaben, des Wettbewerbs, der demografischen Entwicklung, der Verbraucherpräferenzen, der gesetzlichen Regelungen und der Wirtschaftsbedingungen können sich auf globale Franchise-Unternehmen negativ auswirken und die Strategie stärker belasten als bei einer Investition der Strategie in eine größere Vielfalt von Unternehmen. Die Aktienkurse reagieren im Allgemeinen auch auf unternehmensspezifische Aktivitäten. Anlagen an ausländischen Märkten sind mit besonderen Risiken verbunden. Dazu zählen politische und wirtschaftliche Risiken sowie Währungs- und Marktrisiken. Die Aktien von Small- und Mid-Cap-Unternehmen weisen besondere Risiken wie begrenzte Produktlinien, Märkte und Finanzressourcen auf. Darüber hinaus sind sie einer stärkeren Marktvolatilität ausgesetzt als die Wertpapiere größerer, etablierter Unternehmen. Die Risiken einer Anlage in Schwellenländern übersteigen jene Risiken, die mit Investitionen in ausländischen Industrieländern einhergehen. Finanzderivate können Verluste unverhältnismäßig stark steigern und erhebliche Auswirkungen auf die Wertentwicklung haben. Sie unterliegen möglicherweise auch Kontrahenten-, Liquiditäts-, Bewertungs-, Korrelations- und Marktrisiken. Illiquide Wertpapiere sind möglicherweise schwieriger zu verkaufen und zu bewerten als börsengehandelte Wertpapiere (Liquiditätsrisiko). Nicht diversifizierte Portfolios investieren oft in eine kleinere Zahl von Emittenten. Aus diesem Grund können Veränderungen der finanziellen Situation und des Marktwerts einzelner Emittenten zu einer höheren Volatilität führen. Der Einsatz von ESG-Strategien zur Berücksichtigung von Impact-Investing- und/oder ESG-Faktoren kann dazu führen, dass die relative Anlageperformance von anderen Strategien oder breiten Marktbenchmarks abweicht. Dies hängt davon ab, ob der Markt solche Sektoren oder Anlagen aktuell bevorzugt. Daher ist nicht gewährleistet, dass ESG-Strategien zu einer günstigeren Anlageperformance führen werden.

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