HAC: „Wir wissen zu wenig, um wichtige Marktsignale zu ignorieren.“

HAC: „Wir wissen zu wenig, um wichtige Marktsignale zu ignorieren.“
Interview

Sechs Fragen an Fondsmanager Daniel Haase, Vorstand beim Hamburger Vermögensverwalter HAC – Sechs Antworten über die aktuellen Herausforderungen für Kapitalanleger und den Lösungsansatz des Marathon Stiftungsfonds (WKN A143AN).

01.10.2020 | 08:39 Uhr

Frage 1: Ihre Aktienauswahl erfolgt regelbasiert nach dem Marathon-Prinzip. Was können sich Anleger darunter vorstellen?

Haase: Unsere Mandanten sind üblicherweise konservative Langfristanleger und genau deshalb suchen wir nach Aktien, die langfristig solide Erträge mit unterdurchschnittlichen Risiken vereinen. Hierzu haben wir bei HAC in umfangreichen Untersuchungen diverse fundamentale und technische Kriterien unter die Lupe genommen. Wir haben ihre Treffsicherheit sowohl in Bezug auf zukünftige Erträge und Risken als auch auf ihre Robustheit über verschiedene Börsenphasen hinweg eingehend untersucht und letztlich die aus unserer Sicht aussagekräftigsten Faktoren miteinander kombiniert. Interessanterweise lieferten die meisten Untersuchungen sehr präzise Antworten, wenn wir danach fragten, welche Aktien gemieden werden sollten. Zielte die Frage hingegen auf Kaufkandidaten, ließ die Präzision oft nach. Deshalb beschreiten unsere Marathon Kriterien die sogenannte „Via Negativa“. Wir setzen auf 200 bis 300 internationale Qualitätsaktien und machen dabei um potenziell schlechte Entscheidungen einen großen Bogen.

Frage 2: Was für Aktien sollten Anleger meiden?

Haase: Zum Beispiel sollten sie Verlierer-Aktien meiden. Wer mit Kurs-Schnäppchen an der Börse langfristig zu einem kleinen Vermögen kommen will, muss in aller Regel mit einem großen Vermögen starten. Das Gleiche gilt für hochvolatile Aktien und extreme fundamentale Bewertung, zu billig ebenso wie zu teuer. Wenn Sie unangenehme Überraschungen hassen, dann vermeiden Sie besser alles Extreme.

Frage 3: Zur Minderung zwischenzeitlicher Drawdowns nutzen Sie ihr hauseigenes „Pfadfinder-System“. Wie funktioniert das genau und wie sichern Sie ab?

Haase: Seit 2007 analysieren wir mit unserem Pfadfinder-System börsentäglich die kurz- und mittelfristigen Trends von weltweit mehreren tausend Aktien und aggregieren diese in 65 Sektoren. Diese Marktstrukturdaten vermitteln uns ein recht gutes Bild über die aktuellen Zukunftserwartungen der Investoren. Die Strukturdaten schwächen sich üblicherweise lange vor größeren Kursrücksetzern ab, beispielsweise bereits drei Monate vor dem 2011er-Crash und sogar

ein Jahr vor der Lehman-Pleite. Wenn unser System vor erhöhten Risiken warnt, sichern wir unser Aktienportfolio über Futures und Optionen ab.

Frage 4: Der Corona-Crash im Frühjahr war für viele Risikomanager ein harter Test. Wie haben Sie die Absicherung und den Wiederausstieg gemeistert?

Haase: Das Tempo sowohl in der Abwärtsbewegung als auch in der Erholung war in der Tat atemberaubend und für viele Risikosysteme schwer zu handhaben. Um mal einen Vergleich zu bringen: Im 1987er-Crash dauerte es vom Jahreshoch bis zum ersten markanten Tief drei Monate. In diesem Jahr lief alles in dreifacher Geschwindigkeit ab. Die Erholung bis zu den alten Hochs dauerte damals 24 Monate, aktuell nur sechs. Angesichts dieser Vorgaben sind wir recht gut durch die Krise gekommen. Unsere Pfadfinder-Ampel drehte sieben Handelstage nach dem Hoch im S&P 500 auf Rot. Entsprechend sicherten wir unser Aktienportfolio am 28. Februar über DAX-Future zu Kursen von rund 11.800 Punkten weitgehend ab. Am 24. März wechselte die Pfadfinder-Ampel auf Grün, weshalb wir die Absicherungen bei ca. 9.200 Punkten im DAX wieder auflösten. Am gleichen Abend hatten wir für Leser unseres Pfadfinder-Briefes ein Webinar organisiert und sie über unseren Wiedereinstieg informiert. Aus heutiger Sicht war das nahezu perfekt. Der S&P 500 hatte am 23. März sein Jahrestief. Doch wenn Sie sich den Webinar-Mittschnitt ansehen, können sie an meinen Ausführungen schon erkennen, dass mir durchaus etwas mulmig zumute war.

Frage 5: Welchen Einfluss haben makroökonomische Aspekte für Ihre Anlageentscheidungen?

Haase: Der Vorteil unserer Vorgehensweise besteht darin, frühzeitig zu wissen, was zu tun ist. Der Nachteil besteht darin, dass wir hin und wieder über das „Warum“ nur spekulieren können. Deshalb beobachten wir ökonomische und politische Entwicklungen sehr genau, doch letztlich werden unsere Anlageentscheidungen nur von dem in den Kursen ablesbaren Verhalten der Anleger bestimmt. Wenn unsere Marktstrukturdaten zeigen, dass Investoren weltweit vorsichtiger werden, dann passen wir uns an. Das gleiche gilt auch für die Titelauswahl. Wenn sich z.B. die Volatilität einer unserer Aktien im Vergleich zum Markt signifikant erhöht, bewerten wir das als Misstrauensvotum und trennen uns von diesem Titel. Aus diesem Grund haben wir zum Beispiel Wirecard-Aktien im Dezember 2018 bei 133 Euro verkauft. Heute kennen wir den genauen fundamentalen Grund, damals fiel uns nur das in der relativen Volatilität ablesbare, wachsende Misstrauen auf. Letztlich wissen wir viel zu wenig, um die wichtige Marktsignale einfach zu ignorieren.

Frage 6: Die Aktienmärkte haben in den letzten Monaten eine rasche konjunkturelle Erholung nach der Corona-Krise antizipiert. Von welcher Entwicklung gehen Sie aus?

Haase: In der Vergangenheit war das Wachstum der US-Geldmenge M1 ein recht guter Indikator für zukünftige Gewinne oder Verluste am US-Aktienmarkt. Derzeit wächst M1 mit einem in Friedenszeiten noch nie gesehenen Tempo. Gleichzeitig setzt sich der von Schumpeter beschriebene Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ fort, von dem vor allem Aktien großer Technologiekonzerne profitieren. Beides dürfte sowohl an den Finanzmärkten als auch in der Realwirtschaft signifikante Konsequenzen zeitigen. Ausgehend vom März-Tief zählen die Indizes für Technologie- (+59%) sowie jene für Grund- & Rohstoffaktien (+69%) zu den stärksten Sektoren im S&P Global 1200 (+46%). Unsere mittelfristigen Marktstrukturdaten verbessern sich seit dem März-Tief kontinuierlich. Solange sich diese Trends fortsetzen, rechne ich mit einer kräftigen konjunkturellen Erholung und steigenden Inflationsraten.

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