Invest in Visions: MIKROFINANZ UND DIE SDGs - WAS SAGT DIE WISSENSCHAFT?

MIKROFINANZ UND DIE SDGs
Impact Investing

Die Anfang 2016 in Kraft getretenen nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (Sustainable Development Goals, kurz: SDGs) sind die Messlatte, an der sich alle Impact-Fonds messen lassen müssen.

27.10.2022 | 08:06 Uhr

Über die von Invest in Visions verwalteten Mikrofinanzfonds unterstützt der Impact Asset Manager das Erreichen mehrerer SDGs, vornehmlich SDG 5, 8 und 10. Sie kanalisieren Gelder in die Entwicklungs- und Schwellenländer und tragen dadurch zur Verringerung von Ungleichheiten bei (SDG 10.b). Die überwiegende Mehrheit der Kreditnehmer:innen des IIV Mikrofinanzfonds sind Frauen. Wenn Frauen zur Steigerung des Haushaltseinkommens beitragen, stärkt dies ihre Stellung (SDG 5.a). 73 Prozent der ausgegebenen Darlehen werden für produktive Zwecke vergeben (SDG 8.3).

Aber wie sieht es mit SDG 1: No Poverty aus? Mikrofinanz wird im Text der „Agenda 2030“ explizit als Beitrag zum ersten Nachhaltigkeitsziel genannt. Können Mikrokredite Armut tatsächlich bekämpfen und verringern? Diese Frage wird seit einigen Jahren intensiv diskutiert und muss differenziert beantwortet werden.

Im Zuge der Mikrofinanzkrisen, die sich um das Jahr 2010 ereigneten, wurde auch die armutslindernde Wirkung von Mikrokrediten in Frage gestellt. Eine großangelegte Meta-Studie aus dem Jahr 2011 analysierte die bis dahin veröffentlichten Studien zum Zusammenhang von Mikrokrediten und Armutsbekämpfung und kam dabei zu dem Schluss, dass diese methodisch zweifelhaft seien. Sie würden keinen Beweis dafür erbringen, dass Mikrofinanz zu einer systematischen Reduzierung von Armut und gesteigerten Einkommensverhältnissen beitrage.[1]

Mehrere Kritikpunkte an den bis dahin durchgeführten Studien waren zweifellos berechtigt. Zu viele angeblich wissenschaftliche Studien arbeiteten mit zu viel anekdotischer Evidenz und waren nicht in der Lage, Kausalität und Korrelation methodisch sauber voneinander zu unterscheiden.[2]

Große Aufmerksamkeit wurde daher den Ergebnissen von mehreren RCTs (Randomized Controlled Trials bzw. randomisierte Kontrollstudien) geschenkt, die 2015 publiziert wurden.[3] Die strikt experimentell angelegten Studien fanden keine transformativen, sondern lediglich moderat positive Effekte von Mikrokrediten.

Diese Studien, die u. a. von Abhijit Banerjee und Esther Duflo – den beiden Wirtschaftsnobelpreisträgern von 2019 – durchgeführt wurden, sind ihrerseits in die Kritik

geraten. RCTs gelten zwar gemeinhin als „Goldstandard“ der Wirkungsmessung, haben aber in Bezug auf Mikrofinanz mehrere Probleme. So sind die Stichproben oft zu klein, um signifikante Effekte überhaupt nachweisen zu können.

Zudem kann eine überzeugende Randomisierung nur in neuen Märkten oder bei neuen Kreditnehmer:innen in bereits erschlossenen Märkten stattfinden. Daher können auch nur Aussagen über eine Ausweitung von Mikrokrediten und bei Grenzkreditnehmer:innen getroffen werden, nicht jedoch über die allgemeinen Langzeitauswirkungen solcher Darlehen.[4]

Um das Problem der zu geringen statistischen Aussagekraft zu lösen, haben zwei Folgestudien die Daten der RCTs auf unterschiedliche Art und Weise aggregiert. Das Ergebnis: Eine der beiden konnte einen statistisch signifikanten Impact auf Einkommen und Geschäftsgewinne der Kreditnehmer:innen nachweisen, der in den Einzelstudien verborgen geblieben war.[5] Die andere zeigte auf, dass im Durchschnitt niedrige Effekte signifikant positive Effekte für bestimmte Untergruppen verdecken können.

Eine dieser Untergruppen sind Mikrokreditnehmer:innen, die bereits über eine gewisse Geschäftserfahrung verfügen. Solchen Unternehmer:innen bescheren Mikrokredite auch einer wei- teren Studie von Banerjee und Duflo zufolge eine Steigerung der Geschäftsgewinne von bis zu 35 Prozent. Die Autoren folgern daher: „For talented but low-wealth entrepreneurs, short-term access to credit can indeed facilitate escape from a poverty trap”.

Als - wie immer bei wissenschaftlichen Debatten nur vorläufiges - Fazit lässt sich festhalten: Wurde in der Frühphase der Mikrofinanzbewegung die transformative Wirkung von Mikrokrediten bisweilen übertrieben, so ist auch die negative Sichtweise, die sich nach 2010 teilweise etabliert hat, mittlerweile überholt.

Deutlich positive Effekte sind insbesondere für substanzielle Untergruppen belegt.

Auch konnten in verschiedenen Studien positive gesamtwirtschaftliche Effekte von Mikrokrediten in Gestalt von gesteigerter Nachfrage und wachsendem Konsum sowie höheren Löhnen nachvollzogen werden.[6]

In den letzten Jahren hat auch die Mikrofinanzindustrie verstärkt versucht, mit den ihr zur Verfügung stehenden Methoden auf die Diskussion über den Beitrag von Mikrofinanz zur Armutsreduzierung zu reagieren und diesen präziser darzustellen. Derzeit liegt der Fokus der Wirkungsmessung bei Mikrofinanz auf der Erhebung sogenannter „Output-Indikatoren“.

Diese treffen eine Aussage über die Reichweite der Investitionen beispielsweise über die Anzahl der erreichten Kreditnehmer:innen, den Anteil der Frauen etc. Durch die Entwicklung und Erhebung sogenannter „Outcome- Indikatoren“, der nächsten Stufe in der „Wirkungstreppe“, sollen positive Veränderungen in den Lebensumständen der Kreditnehmer:innen umfassender dargestellt werden.

Hierzu gehören auch Indikatoren in Bezug auf SDG 1, wie die Veränderung des Sparguthabens der Kreditnehmer:innen oder die verbesserte Erfüllung von Grundbedürfnissen. In einer kürzlich erschienenen Publikation der französischen Non-Profit-Organisation CERISE, der Social Performance Taskforce (SPTF) und der European Microfinance Platform (e-MFP) wurden erste Vorschläge zur Entwicklung von Outcome-Indikatoren in Bezug auf SDG 1 erarbeitet. Wie im Impact Report 2021 von Invest in Visions dargestellt, ist CERISE ein wichtiger Partner von Invest in Visions.

Invest in Visions verfolgt die Diskussion rund um den Beitrag von Mikrofinanz zur Armutsreduzierung genau und halten aus den zuvor erläuterten Gründen an Mikrofinanz als einem Beitrag zum Erreichen von SDG 1: No Poverty mit Überzeugung fest.

Invest in Visions GmbH

Freiherr-vom-Stein-Straße 24–26

60323 Frankfurt am Main

www.investinvisions.com

[1] Maren Duvendack et al. (2011), What ist the evidence of the impact of microfinance on the well-being of poor people? London: EPPI-Centre, Social Science Research Unit, Institute of Education, University of London.

[2] So auch Abhijit V. Banerjee, Six Randimized Evaluations of Microcredit: Introduction and Further Steps, in: American Economic Journal: Applied Economics 7 (2015), S. 1f. Jedoch wurden auch die Ergebnisse seriöser quasi-experimenteller Studien (mit nachträglich gebildeter Kontrollgruppe) angezweifelt, die positive Ergebnisse zu Tage gefördert hatten. Siehe hierzu insbesondere die Studie zu Mikrokrediten für Frauen in Bangladesh von Pitt, Mark M. / Kandhker, Shahidur: The Impact of Group-Based Credit Programs on Poor Households in Bangladesh: Does the Gender of Participants Matter?, in: Journal of Political Economy 106 (1998), S. 958-996. Die Kontroverse über die Ergebnisse dieser Studie ist noch nicht abgeschlossen.

[3] Abhijit V. Banerjee et al. (2015), The Miracle of Microfinance? Evidence from a Randomized Evaluation, in: American Economic Journal: Applied Economics 7 (2015), S. 22-53.

[4] Siehe u.a. Jonatan Morduch, Why RCTs failed to answer the biggest questions about microcredit impact, in: World Development 127 (2020), S. 104-118.

[5] Dahal, Mahesh / Fiala, Nathan: What do we know about the impact of Microfinance? The problems of statistical power and precision, in: World Development 128 (2020).

[6] Siehe ebd., S. 19.

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