Credit Suisse AM: Digitales Gesundheitswesen

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Gesundheit

Früherkennung von Krebsrezidiven – Die ultimative Vorsorge. Von Thomas Amrein, Portfoliomanager, Credit Suisse Asset Management.

27.11.2019 | 07:32 Uhr

"Time for me is double-edged: Every day brings me further from the low of my last cancer relapse, but every day also brings me closer to the next cancer recurrence — and eventually, death. Perhaps later than I think, but certainly sooner than I desire."

Paul Kalanithi[1]

Ein grosses Problem bei Krebserkrankungen sind Rückfälle

Unter einem Rückfall (Rezidiv) versteht man das erneute Auftreten von Krebs nach der Behandlung. Ein Rückfall kann Wochen, Monate oder gar Jahre nach der Behandlung des ursprünglichen Primärtumors auftreten. Ärzte können nicht vorhersagen, ob der Krebs wiederkehren wird. Die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls hängt von der Art des Primärtumors ab. Rückfälle treten auf, weil nach der Behandlung kleinste Teile von Krebszellen im Körper verbleiben können.

Bestimmte Krebsarten sind schwer zu behandeln und weisen höhere Rückfallrisiken auf. Glioblastome (ein Gehirntumor) kehren beispielsweise bei fast allen Patienten zurück – trotz Behandlung. Die Rezidivquote bei Patientinnen mit Eierstockkrebs ist mit 85 % ebenfalls sehr hoch. Weichteilsarkome treten bei rund der Hälfte der Patienten nach adjuvanter Chemotherapie (Niedrigdosis-Erhaltungstherapie) erneut auf, und bei den meisten Patienten, bei denen der Krebs erst in späten Stadien diagnostiziert wird, liegt die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls bei nahezu 100 %. Bei Patienten mit Blasenkrebs liegt das Rückfallrisiko nach einer Zystektomie bei 50 %, und bei Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, die sich einer Operation mit kurativer Intention unterziehen, beträgt die Rezidivquote trotz adjuvanter Chemotherapie 36 bis 46 %.


Ein Test kann einen Rückfall erkennen, bevor sich der Tumor erneut bildet

In der Vergangenheit bestand der Behandlungsstandard zur Erkennung von Rückfällen bei Patienten darin, sie mithilfe regelmässiger Scans auf Tumorrezidive zu überwachen. Das Problem besteht jedoch darin, dass Krebs, sobald er einmal zurückgekehrt ist, höchstwahrscheinlich noch schwerer zu behandeln sein wird, da er sich bereits verändert hat und gegen die Therapie resistent geworden ist. Ein neuer, vielversprechender Ansatz ist die Suche nach im Blut zirkulierender Tumor-DNA (circulating tumor DNA, ctDNA), die sich als Biomarkerkandidat für die Früherkennung von Krebsrezidiven herausgestellt hat. Dabei wird dem Patienten Blut abgenommen und auf diese ctDNA untersucht.

Im Rahmen einer Studie wurde beispielsweise ctDNA in postoperativem Blut anhand tumorspezifischer Veränderungen überwacht. Dazu wurden 25 Magenkarzinome mithilfe von Whole-Genome Sequencing (WGS) auf individuelle, tumorspezifische Mutationen hin untersucht, die dann bis zu zwölf Monate nach der Operation für den Nachweis von ctDNA im Blut verwendet wurden. Bei 19 Proben wurden individuelle, tumorspezifische Veränderungen festgestellt. Die durchschnittliche Vorlaufzeit, d. h. die durchschnittliche Zeit zwischen einem positiven ctDNA-Nachweis und dem Rückfall, betrug 4,05 Monate. Eine innovative, neue Methode für den Nachweis von ctDNA im Blutplasma verspricht eine massgeschneiderte, patientenspezifische Krebserkennung und führt die Liquid Biopsy in eine neue Ära der personalisierten Medizin, in der Krankheitsrückfälle potenziell bereits Monate vor der Röntgenbildgebung erkannt werden können.

Die Leistungsfähigkeit der neuen ctDNA-Nachweismethode wurde an mehreren Krebsarten, darunter Brust-, Blasen-, Darm- und nicht-kleinzelligem Lungenkrebs, erfolgreich getestet; aktuell wird eine Wirksamkeitsstudie zur Vorhersage von Rückfällen bei Patienten mit Nierenkrebs durchgeführt.

Daten zufolge, die im Rahmen der Jahresversammlung der American Association for Cancer Research im Jahr 2018 in Chicago, Illinois, vorgestellt wurden, können ctDNA-Analysen bei Patienten mit Blasenkrebs «Informationen über das Ansprechen auf eine Behandlung liefern und Krankheitsrückfälle bis zu 265 Tage früher erkennen als die Röntgenbildgebung».

Eine weitere Studie unter 130 Darmkrebspatienten entdeckte Rückfälle auf molekularer Ebene im Durchschnitt 7,9 Monate vor dem klinischen Rezidiv.

Warum könnte die Früherkennung eines Tumorrezidivs Rückfälle verhindern helfen?

Nehmen wir das Beispiel Brustkrebs: Einer laufenden Studie zufolge ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls bei Frauen, in deren Blut fünf Jahre nach der Brustkrebsdiagnose Krebszellen festgestellt wurden, dreizehnmal höher als bei Frauen, bei denen dies nicht der Fall war.

Spielt es eine Rolle, ob die Rückkehr eines Tumors bereits Monate im Voraus vorhergesagt wird? Höchstwahrscheinlich ja. Weiterführende Studien werden zeigen, welche die besten Behandlungsmethoden sind, um das Wiederauftreten von Krebs zu verhindern. In manchen Fällen reicht es vielleicht schon aus, die Dosierung der Erhaltungstherapie zu erhöhen oder eine neue Therapie einzuleiten, um die Anzahl der Krebszellen zu verringern, bevor sich ein neuer Tumor bilden kann.

Ein Bluttest, der eindeutig auf ein erhöhtes Rückfallrisiko hinweist, könnte zumindest Anlass für häufigere Arztbesuche sein, um anhand von Röntgenuntersuchungen neue Tumore zu entdecken, solange sie noch klein sind und keine Symptome hervorrufen.

Welche technologischen Herausforderungen bestehen bei der Entwicklung eines blutbasierten Tests zur Früherkennung von Krebsrezidiven?

Es ist nicht einfach, ctDNA im Blut zu finden. Da sucht man sprichwörtlich nach der Nadel im Heuhaufen. Mithilfe des Next Generation Sequencing zur Bestimmung der individuellen Tumoreigenschaften von Patienten wurden jedoch vielversprechende Ergebnisse erzielt. In Verbindung mit sensibleren Test-Assays sollten diese Untersuchungen die Vorlaufzeit zwischen dem Nachweis im Blut und der tatsächlichen Rückkehr des Krebses als solider Tumor verlängern.


[1] Quelle: «Before I go, Time warps for a young surgeon with metastatic lung cancer» [Bevor ich jetzt gehe: Was am Ende wirklich zählt – Das Vermächtnis eines jungen Arztes], Paul Kalanithi, http://stanmed.stanford.edu/2015spring/before-i-go.html, Frühling 2015.


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