Robeco: Fixed income outlook - Der Coronavirus-Schock und die Baa-förmige Erholung

Robeco: Fixed income outlook - Der Coronavirus-Schock und die Baa-förmige Erholung
Fixed Income

Die Chancen an den Anleihenmärkten verlagern sich rasch von sicheren Staatsanleihen ins Credit-Segment. Wir empfehlen eine sorgfältige Titelauswahl – und Vorsicht in den Schwellenländern.

02.04.2020 | 13:59 Uhr

Von James Stuttard, Head of Global Macro team and Portfolio Manager und
Michiel de Bruin, Portfolio Manager Global Macro Fixed Income


In aller Kürze

  • Die Chancen an den Anleihenmärkten verlagern sich rasch von erstklassigen Staatsanleihen ins Credit-Segment
  • Wir empfehlen eine sorgfältige Titelauswahl und besonders vorsichtiges Vorgehen in Schwellenländern
  • Herkömmliche Muster für eine Erholung der Wirtschaft eignen sich möglicherweise nicht; wir bieten eine Alternative

Nach dem Schock

Während in den Volkswirtschaften des Westens gerade erst die ersten Anzeichen für das Ausmaß des wirtschaftlichen Schocks durch das Coronavirus deutlich werden, wollen die Teilnehmer an den Finanzmärkten bereits die Erholung vorwegnehmen. Aus unserer Sicht ist zweifellos eine seit Jahren nicht mehr dagewesene strategische Chance bei hochwertigen Unternehmensanleihen zu erwarten, also im Ratingbereich Baa und auch andernorts. Doch was die Wachstumsaussichten angeht, sind wir hinsichtlich einiger der am Markt angenommenen Entwicklungspfade skeptisch.

Viele Marktteilnehmer im Westen verwenden eine Reihe von Szenarien für die Entwicklung des künftigen Wachstums, die mit Buchstaben des Alphabets bezeichnet werden, darunter V-, U-, W- oder L-förmigem Verlauf. Doch dabei handelt es sich nicht nur um ein Klischee in Anlagekommentaren, wir halten dies auch im Fall der Coronavirus-Krise für eine falsche Wahl.

Die Buchstaben unseres westlichen Alphabets gibt es zwar seit der Zeit der Etrusker, das macht sie aber nicht zwangsläufig zum besten Indikator in wirtschaftlicher Hinsicht. Die Buchstaben V und W mit ihren abrupten Richtungswechseln unterstellen eine Rückkehr zum Durchschnitt. Sie gehören der Welt zwischen 1945 und 2007 an, einer untergegangen Ära im Vergleich zu den seit 2008 vorherrschenden Trends. Das U-förmige Szenario ignoriert zehn Jahre niedrigeren Wachstums und niedriger Zinsen. Das L-förmige Szenario scheint eher für Japan geeignet zu sein.

Ein Baa-förmiger Entwicklungspfad

Die Auswirkungen des Coronavirus werfen neue Fragen im Hinblick auf die Märkte und die Wirtschaft auf: Es gibt unterschiedliche Theorien und Szenarien der Epidemologen, die zweite Ableitung der Neuinfektionen und die Abflachung der Kurve (Kurve der Neuinfektionen, nicht die Zinskurve von US-Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen).

Wir glauben, dass der Entwicklungspfad im Jahr 2020 und 2021 besser durch den arabischen Buchstaben Baa’ in seiner letzten Form beschrieben wird in (Figure 1). In einer Zeit niedrigeren langfristigen Wachstums, niedriger Zinsen, alternder Bevölkerung und höhere Verschuldung scheinen die langgezogenen horizontalen Schwünge des arabischen Alphabets besser zu passen als ihre westlichen Entsprechungen.

Grafik 1 | Der arabische Buchstabe Baa’ in seiner endgültigen Form

Der arabische Buchstabe Baa’ in seiner endgültigen Form

Quelle: Public Domain, Robeco

Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung erwarten wir also einen Baa’-förmigen Verlauf. Es ist an der Zeit, die Buchstaben V und W deutschen Autoherstellern, das U dem Klempnerhandwerk und das L dem Fahranfänger auf der Straße zu überlassen.

Makroökonomischer Ausblick

Nach den Konsensschätzungen wird das BIP-Wachstum in den USA im zweiten Quartal -16 % betragen (gegenüber Vorquartal, annualisiert) und -1,5 % für das Gesamtjahr 2020. Im Euroraum sehen die Zahlen für das zweite Quartal ähnlich aus, jedoch wird für das Gesamtjahr 2020 ein Rückgang um 3,5 % prognostiziert (basierend auf einer Auswahl jüngster Broker-Prognosen). Wir vermuten, dass die Abwärtsrevisionen beim Wachstum, der Gewinnentwicklung sowie den Ratings von Staats- und Unternehmensanleihen noch nicht vorbei sind. Alles in allem geht unser Basisszenario davon aus, dass das reale BIP in den USA und im Euroraum mindestens so stark schrumpfen wird wie im Gesamtjahr 2009, also um 3 % bzw. 4,5 %.

Angesichts der umfangreichen fiskalpolitischen Hilfsprogramme erwarten ein Haushaltsdefizit der Staaten von mindestens 8-12 % des BIP. Auf kurze Sicht ist das unvermeidlich. Auf längere Sicht gehen damit jedoch höhere Schuldenstände und eine fiskalpolitische Dämpfung der Konjunktur einher.

Allokation im Anleihenbereich

Die Chancen im Anleihenbereich verlagern sich rasch von sicheren Staatsanleihen ins Credit-Segment.

Aus unserer Sicht kristallisieren sich derzeit die besten Anlagemöglichkeiten bei Unternehmensanleihen mit Investment Grade-Ratings sowie in Hochzinspapieren mit Bonitätsnote im Bereich BB heraus. Was Anlagen in Schwellenländern (Emerging Markets) angeht, sind wir vorsichtig. Währungen aus den Emerging Markets betrachten wir hauptsächlich unter dem Aspekt der Risikoabsicherung gegenüber Long-Positionen bei Unternehmensanleihen. Die Möglichkeit immer wiederkehrender Krisen bedeutet, dass man weite Teile des Anlageuniversums in den Emerging Markets vermeiden sollte.

Große Chancen bei Unternehmensanleihen

Im Zeitraum vom zweiten bis zum vierten Quartal 2019 gab es aus unserer Sicht nur wenig Chancen bei Unternehmensanleihen. Auch wenn es schwerfällt, muss man diszipliniert und geduldig bleiben, wenn die Spreads sehr gering sind und sowohl die Bewertungen als auch die Fundamentaldaten spätzyklische Charakteristik aufweisen, auch wenn kurzfristig der Anreiz besteht, nach Mehrerträgen zu suchen. Als die Kursschwankungen infolge der Ausbreitung des Coronavirus begannen, waren wir im Bereich Investment Grade im Euroraum über- und in den USA untergewichtet. Die Betas unserer Portfolios lagen nur knapp oberhalb von eins und im Hochzinsbereich betrug das Netto-Exposure null. Dies verschaffte uns Spielraum zur Nutzung der derzeitigen Marktchancen.

Der März 2020 brachte große Änderungen mit sich. Die Bonitätsspreads liegen jetzt mittlerweile auf einem Niveau, wie das erst zweimal seit den 1930er Jahren der Fall war: in den frühen achtziger Jahren und im Jahr 2008 (gemäß Quellen der US-Notenbank und von ICE BofAML). Die Notenbanken haben mittlerweile interveniert, wobei die Federal Reserve erstmals zusammen mit der EZB und der Bank of England Unternehmensanleihen gekauft haben.

Worauf haben wir es abgesehen?

Im Querschnitt der Märkte betrachtet sehen wir bei Investment Grade-Unternehmensanleihen, speziell bei langfristigen USD-Papieren, die attraktivsten Chancen. Wir achten dabei aus der Bottom-Up-Perspektive auf die Bilanzqualität und Widerstandsfähigkeit gegenüber zyklischen Schwankungen. Daneben bevorzugen wir auf Euro lautende Investment Grade-Papiere, gefolgt von Anleihen von Unternehmen außerhalb des Energiebereichs mit BB-Ratings (EUR und USD).

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